Alternatives sind längst im Investmentuniversum angekommen. Ihr Bedeutung steigt stetig. Grund genug, einmal näher hinzuschauen. Der Bundesverband Alternative Investments (BAI) führt seit Jahren seinen Investor Survey durch. INTELLIGENT INVESTORS sprach mit Dr. Philipp Bunnenberg, Head of Alternative Markets beim BAI, über die Vielfalt der Alternatives und zentralen Studienergebnisse.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Bunnenberg, Sie haben vor wenigen Wochen ihren Investor Survey veröffentlicht. Welche zentralen Erkenntnisse nehmen Sie mit?
Dr. Philipp Bunnenberg: Wir begleiten die deutschen institutionellen Investoren nun bereits seit vielen Jahren mit der Umfrage und beobachten über die Zeit die stark hinzugewonnene Erfahrung der handelnden Akteure auf den Private Markets, die sich sowohl in einer deutlich gestiegenen Inhouse-Expertise als auch miteinhergehend in strukturellen Veränderungen in Form von Neueinstellungen und wachsenden Teamgrößen widerspiegelt. 30% der befragten Häuser schätzen sich selbst inzwischen als absolute Experten auf dem Gebiet der Alternative Investments ein.
Die hohe Expertise deutscher institutioneller Investoren zeigt sich neben einer ausgeprägten Portfoliodiversifikation über verschiedene Assetklassen auch in zunehmend sophistizierten Investment-Strategien. Dahingehend beobachteten wir in den vergangenen Jahren eine höhere Nachfrage für Nischenstrategien und über alle Assetklassen hinweg eine Zunahme an direkten Co-Investments und Engagements über dedizierte Co-Investmentfonds.
Von den gewonnenen Erfahrungswerten profitieren die Investoren nicht nur in ihrer eigenen Kapitalanlage. Viele von ihnen, allen voran Versicherungsgesellschaften, haben ihr Drittkundengeschäft in den letzten Jahren massiv ausgebaut.
II: Haben Alternative Investments (AI) einen festen bzw. angestammten Platz in der Portfolioallokation gefunden?
Bunnenberg: Dass Alternative Investments etablierte Bausteine für hoch diversifizierte institutionelle Portfolios sind, ist inzwischen unbestritten. Das unterstreichen die BAI Surveys Jahr für Jahr. Trotz eines durchaus gesättigten Marktes konnten einerseits viele BAI-Mitglieder, die Produktanbieter, ihre Geschäftsfeldentwicklung voranbringen und andererseits die Investoren ihre Portfoliodiversifikation über zusätzliche alternative Assetklassen und Strategien ausbauen. Bereits jeder zweite Investor alloziert in sechs oder mehr alternative Assetklassen. Mehr als je zuvor! Wesentlich zurückzuführen ist das in den vergangenen zwei Jahren auf Neueinstiege bei Infrastruktur- und Private Debt-Investments.
Going forward: Auch in den kommenden zwölf Monaten erwarten wir weiterhin die größte Nachfrage nach Private Debt- und Infrastrukturstrategien. Ferner wird aber auch das Private Equity Fundraising im Vergleich zu den Vorjahren wieder an Fahrt aufnehmen. Wir rechnen sowohl mit einigen neuen Investoren in der Assetklasse als auch mit leicht steigenden Quoten der bereits allozierenden Investoren. 43% der interviewten Investoren können und wollen ihr Private-Equity-Portfolio ausbauen.
II: In den vergangenen Jahren waren Inflation und hohe Zinsen prägend für die Investmentlandschaft. Inwiefern gab es Äquivalente in 2024?
Bunnenberg: Das Marktumfeld bleibt für Investoren herausfordernd. Zu nennen ist hier in erster Linie der geringe Dealflow und damit einhergehende Verzögerungen bei Auszahlungen sowie Kapitalabrufen. Dafür gehören andere Hindernisse wie beispielsweise Denominator-Effekte im Portfolio für die meisten Anleger der Vergangenheit an. Hinzu kommt, dass wir nun seit gut zwei Jahren inverse Zinsstrukturkurven sehen. Das erleichtert das Vorhalten von Liquidität und nimmt vorrübergehend den Zwang, vollständig und langfristig investiert sein zu müssen, sodass Liquiditätsengpässe im Portfolio trotz verzögerter Auszahlungen in der Regel nicht gravierend werden. Dennoch sind die Asset Manager gefragt, die Transparenz in Bezug auf Kapitalabrufe sowie Auszahlungen zu optimieren. Denn mit Blick auf jüngste und zukünftige Zinssenkungen ist absehbar, dass es wieder teurer wird, Liquidität vorzuhalten und klassisches Fixed Income an Attraktivität verlieren wird.
Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass börsengehandeltes Beteiligungskapital die zweijährige Rally ewig fortsetzen kann. Der Druck auf die Investoren auf der Suche nach ertragreichen Alternativen wird in absehbarer Zeit wieder deutlich zunehmen. Zugleich zeichnet es sich bereits Ende des Jahres 2024 ab, dass der Dealflow auf den Private Markets mit den ersten Zinssenkungsschritten wieder anzieht. Gute Nachrichten also für Anbieter und Investoren. Somit ist es keine Überraschung, dass wir im Gesamtbild weiterhin einen geplanten Ausbau der alternativen Portfolioallokation bei den Investoren sehen, wenngleich weniger dynamisch als noch vor ein paar Jahren.
II: Ein Schlagwort in diesen Monaten ist „Infrastruktur“. Hat diese Anlageklasse dementsprechend in der Investorengunst zugelegt?
Bunnenberg: Infrastruktur als Assetklasse hat enorm an Bedeutung hinzugewonnen. Der Anteil der investierten institutionellen Investoren ist in den vergangenen Umfragen jährlich gestiegen. Das gilt sowohl für Equity als auch für Debt Investments. Inzwischen sind mehr Investoren in Infrastruktur investiert als in klassisches Corporate Private Equity!
Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Um nur drei Schlagwörter und Beispiele aus dem diesjährigen Investor Survey anzuführen: Inflationsschutz, Nachhaltigkeitsstrategien und die aufsichtsrechtliche Regulierung der Investoren selbst. Erstens, die letzten Jahre haben gezeigt, dass Investoren ihre Portfolios besser gegen Inflationsvolatilität schützen müssen und wollen. Infrastruktur als Assetklasse bietet mitunter den besten Inflationsschutz. Das bestätigen die Investoren im Assetklassenvergleich des Investor Surveys. Zweitens gehen Infrastrukturinvestitionen häufig Hand in Hand mit den Nachhaltigkeitsstrategien der Investoren und Asset Manager einher. Unser Survey zeigt: Keine andere Assetklasse im Private Markets Universum spielt eine annähernd so entscheidende Rolle in der Umsetzung hoch gesteckter Nachhaltigkeitsziele. Drittens spielen falsche politische Prioritäten, die Infrastruktur über Jahrzehnte im Land haben verfallen lassen, eine wichtige Rolle. Die Infrastruktur dieses Landes muss grundlegend erneuert werden. Dafür muss zusätzliches privates Kapital mobilisiert werden. Die großen politischen Sprünge fehlen bisher, aber erste, kleine Schritte sind gemacht. In NRW haben wir beispielsweise bereits seit 2021 für die Versorgungswerke eine Infrastrukturinvestitionsquote, die sehr gut angenommen und befüllt wird und den Investoren somit die Investition in Infrastruktur erleichtert. Im Survey spiegelt sich das eindrucksvoll in den steigenden Quoten wider. Die meisten Versorgungswerke investieren zwischen 5%-10% ihres Portfolios in Infrastruktur; einige sogar bereits über 10%! Aber auch für andere Investorengruppen gibt es bezüglich des Ausbaus der Infrastrukturinvestments gute Nachrichten. Mehr als jeder zweite Investor will seine Infrastrukturinvestmentquote in den kommenden 12 Monaten ausbauen. Jeder dritte Investor plant dies explizit für Infrastrukturanlagen in Deutschland. Wichtige Signale, die bundesweiten politischen Rückenwind verdient haben.
II: Worauf kommt es bei Infrastruktur-Investments in erster Linie an?
Bunnenberg: Wichtig ist, dass Investoren innerhalb der Assetklasse Infrastruktur zeitlich und sektoral diversifizieren. Commitments, die sich in unterschiedlichen Reifezuständen befinden und verschiedene Sektoren abdecken, versprechen am wahrscheinlichsten konstante Rückflüsse.
Dahingehend sind regelmäßige Neuzeichnungen für eine ausgeglichene Vintage-Diversifikation unerlässlich. Investoren sollten zudem nicht auf Grundlage kurzfristiger Marktschwankungen langfristige Anlagestrategien über den Haufen werfen.
Strategien des Portfolioaufbaus können Investoren nicht von heute auf morgen umsetzen. Aber auch für Investoren, die einen Einstieg in die Assetklasse planen, gibt es gute Lösungen zu Beginn der Aufbauphase. So ist es wenig überraschend, angesichts der zahlreichen neuen Investoren in der Assetklasse, dass der BAI Investor Survey im Vergleich zu vor zwei Jahren sowohl auf der Equity- als auch Debt-Seite eine gestiegene Nachfrage nach Fund of Funds ausmacht, die Investoren eine schnelle, diversifizierte Abdeckung des Marktes eröffnen.
II: Laut einer aktuellen Umfrage von Natixis IM (unter Versicherungen, Pensionskassen und anderen großen Kapitalsammelstellen) weltweit halten 65 Prozent Kryptowährungen für keine angemessene Anlageklasse, wenn es um die Verwaltung institutioneller Vermögen geht. Ist diese Zurückhaltung nachvollziehbar bzw. können Sie diese These grundsätzlich so bestätigen?
Bunnenberg: In unserem aktuellen Survey geben 3,6% der teilnehmenden institutionellen Investoren an, in Kryptowährungen oder tokenisierte Assets investiert zu sein. Weitere 2,7% arbeiten derzeit an einem Einstieg. Wir beobachten Jahr für Jahr eine leichte Zunahme des Interesses. Vor ein paar Jahren ging dieses nahezu ausschließlich von Family Offices aus. Das hat sich geändert. Inzwischen sind auch erste Versorgungswerke, Versicherer, Pensionskassen und Corporates investiert oder arbeiten an Lösungen für ein Erstinvestment. Unterstützung kommt auch von den europäischen Aufsichtsbehörden. Die ESAs haben kürzlich gemeinsame Leitlinien veröffentlicht, die darauf abzielen, eine einheitliche regulatorische Klassifizierung von Krypto-Assets zu fördern. Auch die künftige versicherungsaufsichtsrechtliche Behandlung ist Gegenstand eines “Call for Advice”. Für deutsche Solvency-II- und AnlV-regulierte Investoren sind weiterhin die (strengen) Vorgaben der BaFin zu beachten. Aus Sicht der BaFin sind Anlagen in Kryptowerte mit erheblichen Risiken verbunden und spekulativ, so dass die BaFin den Anlagegrundsatz der Sicherheit gefährdet sieht.
Trotz der positiven Entwicklung im Zeitablauf der BAI Surveys decken sich unsere Umfrageergebnisse mit denen von Natixis. Die Gründe für ausbleibende Investments sind dabei heterogen: Beispielsweise sind für viele Versicherer Kryptowerte nicht mit ihren Risikomanagementleitlinien vereinbar. Bewertungs‑, Bilanzierungsprobleme und hoher Solvency-Stress führen zu Ausschlüssen in den Anlagerichtlinien. Für Investoren, die unter die Anlageverordnung fallen, sind Kryptowerte nicht einmal im Anlagekatalog aufgeführt. Investoren selbst sind unverändert von der hohen Volatilität abgeschreckt. Auf dieses Ergebnis kam bereits der BAI Investor Survey im Jahr 2020. Die jüngste Natixis-Umfrage bestätigt dies erneut. Stattdessen sehen viele Investoren das größere Potential und bessere, umsetzbare Investmentopportunitäten in der Blockchain-Technologie selbst, die Kryptowährungen zugrunde liegt.
II: Zum Schluss: Man liest von einem zaghaften Optimismus blickend auf 2025 in der Immobilienbranche. Das schlägt sich aber noch nicht in Ihrem Stimmungsbild nieder, oder?
Bunnenberg: Über das BAI Sentiment-Barometer fragen wir ein Stimmungsbild unter den Investoren ab. Im Vergleich zu anderen Assetklassen stehen Immobilien nach wie vor schlecht da. Eine einsetzende Erholung auf den Immobilienmärkten spiegelt sich in einer leichten Verbesserung des Barometers im Vergleich zum Vorjahresergebnis wider, wenngleich das Gesamtbild weiterhin negativ behaftet ist. Jeder zweite Anleger bleibt zurückhaltend und wartet die weitere Entwicklung auf den Märkten ab. Ferner wollen mehr als 40% der Investoren ihre zum Teil hohe Immobilien-Allokation schrittweise weiter reduzieren zugunsten anderer alternativer Assetklassen. Auf der anderen Seite beabsichtigen gerade einmal 8% ihre Immobilien-Equity Allokation ausbauen. Auf der Immobilien-Debt Seite planen immerhin 16% der Umfrageteilnehmer die Portfolioallokation zu erhöhen.