Inflation – gekommen um zu bleiben?

In den letzten Wochen und Monaten konnte ein Anstieg der Inflation beobachtet werden und immer wieder zeichnen die Medien das Schreckensgespenst von der Rückkehr der Inflation. Aber ist die Angst vor einer Inflation wirklich berechtigt? Oder ist es wie bei allem eher eine Frage des Ausmaßes? Tobias Burggraf, Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A. erläutert, welche Anzeichen zu beobachten sind.
21. Juni 2021

Beispiellose Geld- und Fiskalpolitik könnte die Inflation weiter befeuern

Eine ultra-lockere Geldpolitik soll die Wirtschaft weiter ankurbeln. Besonders deutlich wird dies auf der anderen Seite des Atlantiks. Die US-Notenbank hat die Leitzinsen auf null gesenkt und ihre Anleihekäufe im vergangenen Jahr massiv ausgeweitet, indem sie jeden Monat US-Staatsanleihen für 80 Mrd. US-Dollar und mit Hypotheken besicherte Anleihen für 40 Mrd. US-Dollar kauft. Alleine in den USA ist die Geldmenge im Zeitraum von März bis November 2020 um 25 % gestiegen. Auch die europäische Zentralbank kauft im Rahmen des Pandemie-Notkaufprogramms PEPP monatlich Unternehmens- und Staatsanleihen in Milliardenhöhe und hat zuletzt die Ankäufe noch einmal deutlich beschleunigt. Außerdem werden die Zinsen noch für einige Zeit nahe null bleiben, um die Finanzierungskosten europäischer Staaten und Unternehmen niedrig zu halten.

Hinzu kommen riesige fiskalpolitische Unterstützungspakete. Der US-Kongress hatte bereits zum Jahreswechsel ein neues Corona-Hilfspaket in Höhe von 900 Mrd. US-Dollar verabschiedet und US-Präsident Joe Biden hat im März dieses Jahres ein weiteres, 1,9 Bio. US-Dollar schweres Hilfspaket aufgelegt. Ein zusätzliches Infrastrukturprogramm von rund 2 Bio. US-Dollar muss noch den Kongress passieren und soll unter anderem Investitionen in die grüne Energiewende, Forschung und Entwicklung sowie in den Breitbandausbau beinhalten.

Hohe Staatsausgaben, unterstützt von einer massiven Liquiditätsausweitung durch die Zentralbanken sollten die Inflation weiter befeuern. Bisher führte dies aber aufgrund der geringen Umlaufgeschwindigkeit des Geldes – also wie häufig eine Währung verwendet wird, um Waren und Dienstleistungen zu kaufen – hauptsächlich zu einem Anstieg der Vermögenswerte. Aktien, Anleihen und Immobilien haben zuletzt neue Höchststände erreicht. Wenn die Wirtschaft im Laufe des Jahres wieder vollständig öffnet, könnte sich aufgrund von Nachholeffekten auch die Umlaufgeschwindigkeit wieder erhöhen und dadurch die Inflationsraten weiter zunehmen.

Strukturelle Trends bleiben bestehen

Mittelfristig kann es also durchaus zu einem moderaten Anstieg der Inflation kommen. Wir erwarten jedoch keine galoppierende Inflation, da die Wirtschaft immer noch auf wackeligen Beinen steht und auch die Arbeitslosenzahlen hoch bleiben. Lohnerhöhungen werden im aktuellen Marktumfeld nur schwer durchsetzbar sein. Erst wenn die Beschäftigungszahlen wieder auf das Niveau von vor Corona zurückkehren und sich höhere Inflationserwartungen längerfristig in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben, wird es unserer Meinung nach zu höheren Inflationsraten kommen, die dann auch die Zentralbanken unter Zugzwang bringen könnten. Soweit sind wir aber noch nicht. Demgegenüber stehen außerdem schon seit Jahren bestehende und nach wie vor gültige strukturelle Trends, welche die Inflation tendenziell ausbremsen. Dazu gehören Digitalisierung und Globalisierung, aber auch eine alternde Gesellschaft in den entwickelten Volkswirtschaften.

Was bedeutet das für die Anleger?

Der Inflationsdruck könnte in den kommenden Monaten also weiter moderat steigen. Einen kurzfristigen Anstieg der Verbraucherpreise um die 3 % halten wir zumindest in den USA aufgrund des Impfvorsprungs gegenüber Europa und der größeren Hilfspakete für durchaus realistisch. Wenn die Corona-Pandemie im Laufe dieses Jahres hoffentlich überwunden sein sollte, könnte es aufgrund von Nachholeffekten zu einem nachfrageseitigen Preisschub kommen. Insbesondere die Preise im Transport- und Tourismussektor liegen noch deutlich unter den Niveaus der Vorjahre. Erst im zweiten Schritt könnten dann höhere Lohnpreise zu einer Lohn-Preis-Spirale führen. Hier gilt es von Seiten der Zentralbanken, den richtigen Zeitpunkt zum Einschreiten zu erkennen.

Derzeit besteht also kein Grund zur Panik. Zum einen ist aufgrund der angekündigten Strategie der Federal Reserve der flexiblen Steuerung des Inflationsniveaus (Flexible Average Inflation Targeting) ein kurzfristiges Überschießen der Inflation ausdrücklich gewollt und eine Zinserhöhung bis 2023 faktisch ausgeschlossen. Darüber hinaus kaufen die Zentralbanken weiterhin in großem Umfang Staatsanleihen, was das allgemeine Zinsniveau unabhängig von den Inflationserwartungen in den kommenden Jahren niedrig halten wird. Schließlich erholt sich die Wirtschaft nur langsam von der Corona-Virus-Krise und strukturelle Trends wie eine alternde Gesellschaft, Digitalisierung und technologischer Fortschritt bleiben bestehen und werden sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch verstärken.

¹Die Breakeven-Inflationsrate berechnet sich aus der Renditendifferenz zwischen nominalen und inflationsindexierten Anleihen und ist ein Indikator für erwartete Inflationsraten. Aktuell geht der Markt also von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,5 % über die nächsten 10 Jahre pro Jahr aus.

Autor: Tobias Burggraf
Portfolio Manager
ETHENEA Independent Investors S.A.

Foto: © gelilewa — stock.adobe.com

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