Der Immobilienmarkt kommt wieder in Bewegung, sagt Iris Schöberl, Managing Director Germany der Immobiliensparte von Columbia Threadneedle Investments am Standort München. Welche Kennzahlen institutionelle Anleger im Blick haben, welche Lagen und Segmente sich aussichtsreich entwickeln und was auch in Zukunft für die Highstreet spricht, erläutert sie Intelligent Investors im Interview.
INTELLIGENT INVESTORS: Frau Schöberl, Anfang letzten Jahres hatten Sie die Situation am deutschen Immobilien-Investmentmarkt als „gespanntes Abwarten“ beschrieben. Was hat sich seither geändert und wo sehen Sie den Immobilienmarkt heute?
Iris Schöberl: Tatsächlich hat die Phase des gespannten Abwartens inzwischen fast zwei Jahre gedauert. Der rasante Anstieg der Zinsen Anfang 2022 und eine hohe Inflationsrate haben zu deutlichen Korrekturen bei Kaufpreisen, Mieten und Finanzierungskosten geführt. Entsprechend verunsichert war der Markt. Das Transaktionsvolumen hat sich in der Folge mehr als halbiert.
Für das zweite Halbjahr 2024 sehen wir klare Tendenzen für eine Wiederbelebung. Zum einen haben die Verkäufer ihre Preiserwartung an die neue Realität angepasst, es kommen also wieder mehr Immobilien zu besseren Preisen auf den Markt. Und gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für eine Wende in der Zinsentwicklung. Das ist für Investoren wichtig, weil sie ein stabiles Zinsniveau brauchen, um verlässliche Renditen zu rechnen. Ich würde sagen, am Immobilienmarkt öffnet sich gerade ein Zeitfenster für interessante Investitionen.
II: An welche Zahlen machen Sie das fest?
Schöberl: Ein wichtiger Indikator für den Einstieg in Immobilien sind steigende Spitzenrenditen. Wenn wir uns die Entwicklung von Gewerbeimmobilien in den Big 7 seit 2021 anschauen, liegen Fachmarktzentren im ersten Quartal 2024 wieder bei knapp 4,5 %, das ist rund 1 Prozentpunkt über dem Stand von 2021. Auch Büros und Wohnen haben korrigiert, von rund 2,5 % auf knapp über beziehungsweise knapp unter 4 %. Gleichzeitig haben sich die Renditen für langlaufende deutsche Staatsanleihen derzeit bei etwa 2,5 % eingependelt. Damit liegt die Risikoprämie für ein Investment in gute Immobilien je nach Nutzungsklasse im gewerblichen Immobilienbereich wieder bei über 150 Basispunkten. Das ist ein starkes Signal für den Einstieg in Immobilien besonders für Investoren, die nach inflationsgehegten Erträgen suchen.
II: Ihr Spezialgebiet sind die Highstreets in Deutschland und Europa. Der Einzelhandel hatte in Deutschland zuletzt keinen leichten Stand. Warum sollten institutionelle Investoren die Highstreet weiter auf dem Schirm haben?
Schöberl: Die Highstreet hat einen Vorteil, der sich in anderen Lagen kaum replizieren lässt: Solche A‑Lagen-Immobilien sind nicht beliebig vermehrbar und entsprechend eine knappe Ressource. Das sorgt für eine stabilere Nachfrage und stabile Preise. Wir untersuchen die Entwicklung von 141 deutschen Citylagen zusammen mit bulwiengesa in unserem jährlichen Highstreet Report. Hier zeigt sich, dass sich die Anzahl der Mieter zuletzt kaum mehr verändert hat, nur das Angebot entwickelt sich. Zwar bleibt der modische Bedarf weiter ein wichtiger Anker und Publikumsmagnet, allerdings sind heute Gastronomie und Gesundheit stärker vertreten als noch vor vier Jahren.
Zudem sehen wir, dass viele Kommunen die innerstädtischen Lagen weiterentwickeln und mit neuen Konzepten beleben. Wir unterstützen solche Programme an unseren Standorten. Gleichzeitig setzen wir bei unseren Immobilien noch stärker auf Mixed-Use-Konzepte, die die Segmente Einzelhandel, Büro, Praxen, Bildung oder auch Wohnen kombinieren. Das belebt die Innenstädte, hilft bei der Entwicklung attraktiver Quartiere und diversifiziert den Mieterkreis und damit auch den Cashflow für unsere Investoren.
II: Ist das der Grund, warum Sie mit Ihrem neuem Spezialfonds, dem City DNA, vom Einzelhandelsfokus abgewichen sind?
Schöberl: Im City DNA haben wir unsere Kompetenz für innerstädtische Lagen und unsere Expertise für wachstumsstarke Schwarmstädte zusammengebracht. Es ist also eher eine Weiterentwicklung unserer bisherigen Stärken und ergänzt um die Komponente des Mixed Use. Wir suchen für den Fonds gezielt nach Objekten in attraktiven innerstädtischen Quartieren, und zwar nicht nur in den Big 7, sondern in rund 50 aussichtsreichen Städten.
Wir haben viel Erfahrung mit starken Mittel- und Schwarmstädten, darum können wir auch außerhalb der Big 7 gute Immobilien finden, die günstiger zu haben sind als vergleichbare A‑Lagen in A‑Städten. Für die A‑Lagen in B‑Städten spricht zudem, dass sie sich auch schneller erholt haben als Core-Objekte in den Metropolen, wenn sie eine gute Ausstattung und ein gutes ESG-Niveau haben. Und ja, der City DNA setzt auch auf eine Mischung verschiedener Segmente wie Einzelhandel, Wohnen, Büro und Praxen, aber mehr auf der Fondsebene, nicht bei den Einzelimmobilien.
II: Was muss eine Stadt mitbringen, um für Ihre Investoren interessant zu sein?
Schöberl: Wir nutzen hier ein Modell der Fraunhofer Gesellschaft, um sogenannte Zukunftsstädte zu identifizieren, die in den Bereichen Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum und Lebensqualität eine positive Dynamik aufweisen. Das können Schwarmstädte ab etwa 70.000 Einwohnern sein, aber auch kleinere Städte, die durch ihre Universitäten junge Menschen anziehen und diese mit einer dynamischen und zukunftssicher aufgestellten Wirtschaft auch halten können. Und wir achten auf eine nachhaltige Stadtentwicklung. Die Menschen suchen Quartiere, die kurze Wege zu Bildung, Einkauf, Kultur, Arbeit und Erholung bieten. Solche Städte sind nicht nur ökologisch nachhaltiger. Sie werden vom Trend zur Urbanisierung auch stärker profitieren und durch die höhere Nachfrage stabilere Cashflows für unsere Investoren erzielen.
II: Sie gehören mit Ihrem Münchner Büro seit 2022 zum internationalen Asset Manager Columbia Threadneedle Investments. Hat dieser Zusammenschluss etwas an ihrem Investmentfokus geändert?
Schöberl: Nein, nicht verändert, eher verstärkt. Mit unserer Immobilienkompetenz ergänzen und erweitern wir das Angebot von Columbia Threadneedle Investments im Bereich der alternativen Anlagen um eine sehr attraktive Assetklasse. Gemeinsam mit den Kollegen in London und Paris sind wir heute Europas größter Highstreet-Investor, aktuell verwalten wir in dem Segment europaweit etwa 300 Immobilien im Wert von 5,8 Mrd. Euro.