Der Green Deal der Europäischen Union (EU) sorgt auch in der Immobilienwirtschaft für eine Zeitenwende. Die darin enthaltene EU-Taxonomie-Verordnung und die zugehörige Offenlegungsverordnung rücken ökologische Aspekte in den Fokus. Marcus Florek, Vorstand der Luana AG, sieht darin für Eigentümer und Investoren eine Chance, sich im Zuge einer Bestandssanierung über die dezentrale Energieversorgung neue Ertragsquellen zu erschließen.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Florek, wie wirken sich der Green Deal der EU und die damit verbundenen Anforderungen auf den Immobiliensektor in Deutschland aus?
Marcus Florek: Die zunehmende Regulierung und die erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf die Erreichung der internationalen Klimaziele sind in der Immobilienwirtschaft deutlich zu spüren. Zu nennen sind unter anderem die CO2-Bepreisung und die Offenlegungsverordnung SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) im Rahmen der ESG-Regulierung der EU sowie das verpflichtende Reporting von Nachhaltigkeitsaspekten. Alles zusammen führt dazu, dass der Druck auf Immobilieneigentümer und ‑investoren zunimmt, insbesondere auch ältere Bestandsimmobilien energetisch zu sanieren.
II: Was heißt das ganz konkret für Eigentümer und Investoren?
Florek: Im Kern geht es um den Werterhalt und die Wertentwicklung der Immobilien, indem diese auf ESG-Risiken überprüft und in der Folge ESG-konform umgestaltet werden. Das Thema Nachhaltigkeit spielt bereits heute eine zentrale Rolle bei der Vermietung, Bewertung, Investition und Finanzierung von Immobilien. Wir wissen alle, dass diese Aufgabe erhebliche finanzielle Mittel erfordert. Die gute Nachricht ist jedoch, dass immer mehr Eigentümer und Investoren erkennen, dass es sinnvoll ist, auch ältere Immobilienbestände energetisch zu sanieren und die dezentrale Energieversorgung mit Strom und Wärme als neue Ertragsquelle in ihre Planungen einzubeziehen.
II: Warum halten Sie gerade die dezentrale Energieversorgung dafür geeignet?
Florek: Die dezentrale Energieversorgung vereint ökologische und wirtschaftliche Interessen. Und es geht dabei ein Stück weit auch um mehr Autarkie vom Energiemarkt. Nehmen wir als Beispiel grünen Strom, den wir heute klimafreundlich und günstig aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen können. Doch die Kosten für Netzentgelte, Steuern und Umlagen treiben den Preis für den Verbraucher wieder nach oben. Hinzu kommt, dass die Stromnetze in Deutschland überlastet sind. Dezentrale Energieanlagen haben den Vorteil, dass der Strom aus erneuerbaren Energien genau dort produziert wird, wo er gebraucht wird. Darüber sprechen wir mit Eigentümern, die nicht nur in die energetische Sanierung, sondern auch in die dezentrale Energieversorgung ihrer Immobilien investieren wollen. Diese werden selbst Energieversorger. Sie erzeugen Strom und Wärme, um beides selbst zu nutzen oder beispielsweise direkt an ihre Mieter zu verkaufen. Der Gesetzgeber hat alle Voraussetzungen dafür geschaffen und setzt durch staatliche Förderprogramme gezielt Anreize für Investitionen.
II: Über welche Immobiliensegmente sprechen wir hier?
Florek: Handlungsbedarf besteht mit Blick auf die Anforderungen an den Klimaschutz in nahezu allen Bereichen. Allein im Wohnsegment sind in Deutschland den Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) zufolge rund 24 Millionen Gebäude sanierungsbedürftig. Wir konzentrieren uns vor allem auf größere Immobilienbestände in den Bereichen Gewerbe, Logistik und Wohnen, und setzen dabei den klaren Fokus auf die Photovoltaik-Technologie.
II: Was ist im Hinblick auf den Energiemarkt und die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen?
Florek: Der Anteil von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse wächst stetig. Dabei spielt die dezentrale Energieversorgung eine wichtige Rolle. Ein aus Investorensicht entscheidender Faktor ist, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnungen beispielsweise bei der Stromerzeugung nicht mehr auf der Vereinnahmung von Einspeisevergütungen gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fußen. Vielmehr liegt das Augenmerk heute auf der selbst verbrauchten und der vermarkteten Energie. Nur wenn der ökonomische Nutzen für den Eigentümer und Investor gegeben ist, wird auch die Energiewende vorankommen.
II: Welche Risiken müssen Eigentümer und Investoren im Blick haben?
Florek: Als Immobilieneigentümer und ‑investor selbst zum Energieversorger zu werden, ist eine unternehmerische Entscheidung. Insofern sind hier vor allem technische sowie markt- und wetterbedingte Risiken zu benennen, die beispielsweise aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage resultieren können. Bei der professionellen Planung sind immer auch die Eigentumsverhältnisse und steuerrechtliche Überlegungen des Eigentümers und Investors der Immobilie zu berücksichtigen. Letztere geben den Ausschlag dafür, ob eine Anlage zur Selbstnutzung die geeignete Lösung ist oder ob der Eigentümer seine Dachflächen verpachtet, eine Anlage errichten und sich dann mit grünem Strom beliefern lässt.
II: Und wie sieht es mit den Ertragsperspektiven dieser Anlagen aus?
Florek: Der Projekt-Horizont einer Anlage zur dezentralen Energieversorgung liegt bei rund 20 Jahren. Je nachdem, wie sich in dieser Zeit der Energiemarkt und die Preise für Strom und Wärme entwickeln, erreicht ein Projekt den Return on Invest (ROI) nach fünf bis acht Jahren. Mehr als acht Jahre akzeptiert derzeit kaum jemand. Dabei ist eine energetische Sanierung in vielen Fällen alternativlos, wenn Eigentümer vermeiden wollen, dass ihre Immobilie durch weitere Abwertungen womöglich zum Stranded Asset wird. Im Bereich der Photovoltaik wirken sich aktuell die deutlich gesunkenen Beschaffungskosten positiv auf den ROI aus.
II: Welche übergreifende Bedeutung hat die Entwicklung der dezentralen Energieversorgung?
Florek: Für rund ein Drittel des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland ist der Gebäudesektor verantwortlich. Die Reduktion der CO2-Emissionen ist daher eine zentrale Aufgabe, die wir in unseren Unternehmenszielen verankert haben. Im Jahr 2023 haben wir durch unsere Projekte über 20.000 Tonnen CO2 eingespart. Dabei sorgt unser Fokus auf die dezentrale Energieversorgung größerer Immobilienbestände für den entsprechenden Hebel. Indem wir die gesamte Wertschöpfungskette von der Planung über den Bau bis hin zum Betrieb und zur Finanzierung abbilden, geben wir Eigentümern und Investoren in einem komplexen Energiemarkt die notwendige Orientierung und Sicherheit für ihre Investitionen.