Homeoffice bringt mehr Insolvenzen

6. Oktober 2020
Woman holding a business report working at home having a video conference with colleagues. Over the shoulder view of a businesswoman having online business meeting from home.

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Zahl der Homeoffice-Stunden weltweit rapide gestiegen. Das erste Fazit vom „neuen Arbeiten“ fällt nach rund sieben Monaten bei vielen Unternehmen überwiegend positiv aus. So zeigten Umfragen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des ifo instituts, dass zahlreiche Firmen es sich vorstellen können, auch nach der Corona-Krise an einer Ausweitung der Arbeit von zu Hause festzuhalten. Doch wenn Homeoffice tatsächlich das Arbeiten der Zukunft wird und Millionen Menschen hierfür nicht mehr jeden Tag in die Metropolen pendeln, was hieße das für das Forderungsrisiko von Lieferanten und Dienstleistern? Wo steigen dann die Insolvenzen? Der internationale Kreditversicherer Atradius hat sich diese Fragen in einer internen Analyse gestellt und dabei die Branchen identifiziert, in denen sich das Forderungsrisiko am stärksten erhöhen würde. 

„Nur wenige Unternehmen dürften nach der Pandemie zum alten Präsenzmodell zurückkehren“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe & Russia/CIS von Atradius. „Die vergangenen Monate haben vielen Firmen verdeutlicht, dass Homeoffice für sie besser und für mehr Aufgaben funktioniert, als sie vor der Covid-19-Pandemie dachten. Kaum ein Unternehmen erlitt hierdurch ernsthafte Produktivitätseinbußen. Durch die Zunahme des mobilen Arbeitens werden sich die Geschäftsaktivitäten aber örtlich verschieben. Das führt vor allem in den Branchen zu zunehmenden Unsicherheiten, deren Umsätze von den zahlreichen Pendlern in die Städte und den Büroarbeitern abhängen. Wie stark das Forderungsrisiko bei Geschäften mit ihnen steigt, ist von Abnehmer zu Abnehmer unterschiedlich. Langfristig wird der Prozess den Druck in mehreren Branchen jedoch insgesamt erheblich erhöhen.“

Homeoffice für alle – was passiert mit den leeren Büros? 

Die seit Monaten verwaisten Schreibtische haben in vielen Unternehmen das Controlling auf den Plan gerufen, um zu analysieren, ob es in Zukunft überhaupt noch notwendig ist, für jeden Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz bereitzustellen und hierfür Flächen anzumieten. In vielen Fällen werden sich die Kosten als zu hoch erweisen, gerade bei großen Unternehmen belaufen sich die jährlichen Mietausgaben häufig auf mehrere Millionen Euro. In der Folge dürften zahlreiche Firmen ihre bestehenden Mietverträge in den kommenden Jahren nicht verlängern. Das wiederum wird – sofern kein profitables Nachnutzungskonzept für die leeren Flächen vorliegt – die Erträge von Büroimmobilienfonds erheblich schmelzen lassen. Leidtragende dieser Entwicklung sind außer Privatanlegern auch zahlreiche institutionelle Investoren, die auf die Anlagegewinne angewiesen sind. Zu ihnen zählen unter anderem Banken, Pensionskassen, Investment- und Kapitalgesellschaften, Versorgungswerke, Sozialversicherungsträger, Krankenkassen, Vermögensverwaltungen, Kirchen, Vereine und Stiftungen. Bei ihnen könnten teilweise erhebliche Liquiditätslücken entstehen.

Dauerhaft leere Büros hieße auch dauerhaft geringere Umsätze für Kantinenbetreiber, vor allem, weil sie dann deutlich weniger Mittagsgerichte verkaufen. Ihr Insolvenzrisiko dürfte sich bei einem solchen Szenario in relativ kurzer Zeit stark erhöhen. Auch viele Gaststätten werden dann erhebliche Liquiditätsmängel erleiden und ein hohes Forderungsrisiko darstellen.

Weiterhin würden die Unsicherheiten bei Geschäften mit der Papierindustrie zunehmen. Das Homeoffice hat auch die Digitalisierung von Büroprozessen weiter beschleunigt, vor allem Druckerpapier wird in geringeren Mengen benötigt. Dadurch verstärkt sich der Druck in dem Sektor weiter, bei dem Atradius bereits im vergangenen Jahr auf beträchtliche Insolvenzrisiken hingewiesen hatte.

Welche weiteren Folgen das Ende des Büros hätte, lesen Sie auf Seite 2

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