Hinter den Kulissen der Robo-Advisor-Industrie: Studie beleuchtet Anspruch und Wirklichkeit

In der Finanzbranche gelten Robo-Advisor als Innovation und günstige Form der Vermögensverwaltung, aber was haben die digitalen Vermögensverwalter mit professionellem Asset Management zu tun? Paradebeispiele für die Trennung von passiver Vermögensverwaltung mittels ETF und aktivem Asset Management sind der Robo-Advisor der Deutschen Bank, Robin, oder der Quirin Privatbank, quirion. Beides sind etablierte Finanzinstitute mit eigener Expertise im Asset Management, im Falle der Deutschen Bank ausgelagert an die DWS. Die hauseigenen Robo-Advisor dagegen vertreiben ausschließlich passive ETF-Portfolios an Privatanleger:innen, um ihr Stück Kuchen vom wachsenden Markt für ETF Produkte abzubekommen. Aber gilt das für alle Robo-Advisor?
18. Februar 2022
Iven Kurz - Foto: © EVERGREEN

In der Finanzbranche gelten Robo-Advisor als Innovation und günstige Form der Vermögensverwaltung, aber was haben die digitalen Vermögensverwalter mit professionellem Asset Management zu tun? Paradebeispiele für die Trennung von passiver Vermögensverwaltung mittels ETF und aktivem Asset Management sind der Robo-Advisor der Deutschen Bank, Robin, oder der Quirin Privatbank, quirion. Beides sind etablierte Finanzinstitute mit eigener Expertise im Asset Management, im Falle der Deutschen Bank ausgelagert an die DWS. Die hauseigenen Robo-Advisor dagegen vertreiben ausschließlich passive ETF-Portfolios an Privatanleger:innen, um ihr Stück Kuchen vom wachsenden Markt für ETF Produkte abzubekommen. Aber gilt das für alle Robo-Advisor?

Die „Asset Management im Robo-Advisory Studie 2022“, die im Auftrag von Evergreen durchgeführt wurde, beleuchtet die angewandten Asset Management Modelle im deutschen Robo-Advisory Markt. Was dabei auffällt ist, dass tatsächlich nur eine Hand voll Anbieter eigene Asset Management Methoden fokussieren. Stattdessen erweitern die meisten Robo-Advisor hierzulande als digitales Interface lediglich bestehende Wertschöpfungsketten.

In der Studie wird deutlich, dass es grob drei Kategorien von digitalen Vermögensverwaltern gibt. Der überwiegende Teil der Anbieter stellt für Anleger:innen statische ETF Portfolios unter Berücksichtigung einer strategischer Asset Allokationen zusammen. Daneben gibt es Robo-Advisor die hauptsächlich als Anlagevermittler für Investmentprodukte traditioneller Finanzdienstleiter auftreten und solche Anbieter, die unabhängige Finanzprodukte mit eigenen Asset Management Methoden anbieten.

Die letztere der drei Kategorien stellt sowohl gemessen an den Assets under Management als auch an der Anzahl der Anbieter die kleinste der drei Gruppen dar. Stattdessen dominieren Robo-Advisor, die nur begrenzten Mehrwert gegenüber einem ETF-Vertrieb eines Neo-Brokers oder traditionellen Fondsvertriebs bieten, aber zusätzliche Kosten generieren. Auch ein Blick auf die Geschäftsmodelle der hiesigen Robo-Advisor offenbart fehlende Alleinstellungsmerkmale, abseits der Servicegebühren. Der Druck an dieser Stelle wird noch einmal deutlich im Lichte der jüngsten Ankündigungen von Vanguard und J.P. Morgan Chase, noch im Jahr 2022 mit eigenen digitalen Vermögensverwaltern auf dem deutschen Markt starten zu wollen, voraussichtlich ebenfalls mit passiven ETF-Portfolios.

Auch unter den Anbietern mit eigenen Ansätzen im Asset Management werden hauptsächlich ETFs oder Fremdfonds zu Umsetzung dieser verwendet. Hintergrund sind die fehlende Expertise im Asset Management sowie die fehlende Erfahrung im Umgang mit Risikomanagement-Strategien, um eigene taktische oder strategische Elemente in die Vermögensverwaltung zu integrieren. Unter den Robo-Advisor mit eigenen Asset Management Methoden finden sich hauptsächlich solche, die mithilfe von ETFs versuchen Risikomanagement zu betreiben, zumeist über eine dynamische Anpassung der Asset Allokationen. ETFs sind aufgrund der Spreads und inhärenten Kosten jedoch schlecht geeignet als Instrumente für ein effizientes Risikomanagement. Für Privatanleger:innen bieten sie einen einfachen Einstieg in das passive Investieren, für eine allzu dynamische Asset Allokation sind sie jedoch häufig zu teuer und zu illiquide. Im Performancevergleich zeigt sich zudem, auch abseits der erzeugten Kosten, dass die Ergebnisse der digitalen Vermögensverwaltungen mit Risikomanagement erheblich divergieren. Von einer deutlichen Reduzierung der Schwankungsbreite bis hin zu höheren Schwankungen gegenüber statischen Ansätzen ist alles vertreten. Allein deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf die unterschiedlichen Methoden. Und nach der Pflicht folgt die Kür. Dann geht es nach erfolgreicher Absicherung im Crash um eine gute Partizipation in Erholungsphasen. Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen.

Robo-Advisor mit eigenen Asset Management Methoden, die Mehrwert im Sinne von Kosten, Rendite, Risiko oder Nachhaltigkeit schaffen wollen, sind unter anderem Anbieter mit Alpha-Strategien, die Privatanleger:innen eine kleine Auswahl von Einzeltiteln bereitstellen. Hier besteht dann ein erhöhtes unsystematisches Risiko, welches nur selten durch höhere Renditen gerechtfertigt werden kann. Besonders komplex wird es im Bereich der Nachhaltigkeit. Fast alle Anbieter offerieren grüne Portfolios, welche häufig zu höheren Gebühren angeboten werden. Die Umsetzung von eigenen Nachhaltigkeitskriterien ist dabei naturgemäß kaum in passiven Strategien umsetzbar, da eine Abhängigkeit zu den Nachhaltigkeitskriterien der ETF-Anbieter besteht. Echte Nachhaltigkeitsansätze finden sich daher meist nur in aktiven oder teil aktiven Strategien.

Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass sich die fehlende Eigenständigkeit der digitalen Vermögensverwalter auch abseits der Asset Management Methoden ungünstig auf Privatanleger:innen auswirken kann. Nur wenige digitale Vermögensverwalter erreichen das Niveau professioneller Anlageberater wie Family Offices oder gar institutioneller Asset Manager. Damit lässt die Demokratisierung professioneller Vermögensverwaltung zu institutionellen Konditionen, die Robo-Advisor mitunter für sich proklamieren, wohl noch auf sich warten. Über 75 Prozent der Robo-Advisor nutzen fremd-gemangte Fonds und verlangen für die Portfoliozusammenstellung eine Servicegebühr. Die meisten digitalen Vermögensverwalter sind noch nicht über den Status der digitalen Benutzeroberfläche hinausgekommen und greifen, wie auch nicht digitale Anbieter, auf die bestehende Wertschöpfungskette zurück. Die Wertschöpfungskette wird damit möglicherweise unnötig verlängert und erzeugt weitere Kosten für Privatanleger:innen – der Vorteil von „billigem Beta“ in Form von ETFs geht verloren.

Dennoch bieten Robo-Advisor vielen Privatanlerger:innen, die bisher keinen Kontakt zu der Welt der Kapitalmärte hatten, einen einfachen und bequemen Einstieg in ebenjene. Bisher ist der deutsche Robo-Advisor-Markt geprägt von einer Vielzahl von Anbieter, die jeweils meist zwei- oder niedrige dreistellige Millionenbeträge verwalten. In den kommenden vier bis fünf Jahren wird sich der Markt in Deutschland sicherlich weiter dynamisch entwickeln, sowohl hinsichtlich der Assets als auch der Geschäfts- und Preismodelle. Vorbilder könnten hier die Entwicklungen in den USA bieten. Auch der Eintritt der Branchengrößen Vanguard und JP Morgan Chase in das Robo-Advisory wird die Preisdynamik befeuern. Der Zwang zur Differenzierung steigt, um die bestehenden Gebührenmodelle zu rechtfertigen.

Gastbeitrag von Iven Kurz, CEO EVERGREEN 

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