Fast parallel zu einigen Aktienindizes (wie dem DAX oder S&P 500) hat der Goldkurs Ende September mit 2.685 US-Dollar ein neues Allzeithoch erreicht. Das Edelmetall liegt mit einer Wertentwicklung von rund 28 Prozent im laufenden Jahr deutlich vor den meisten Aktienindizes. Die Hintergründe für diese Kursrallye sind vielfältig:
- Einerseits gilt Gold als „sicherer Hafen“ der Kapitalanlage, ist also immer dann gefragt, wenn das Kapitalmarktumfeld besonders unsicher ist.
- Dieser Zusammenhang funktioniert nicht immer, denn Anleger können in größeren Korrekturphasen auch in Liquidität – insbesondere in den US-Dollar flüchten.
- Allerdings starteten sowohl während der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 und der darauffolgenden Euro-Vertrauenskrise als auch während dem Beginn der Corona-Pandemie jeweils größere Aufwärtsbewegungen des Goldpreises. Die jüngste Hausse begann im Herbst 2022 bei einem Goldpreis von 1.622 Dollar. Nicht zufällig ist seit November 2022 nach Angaben des World Gold Council eine stark erhöhte Nachfrage von Zentralbanken zu verzeichnen – vor allem aus Schwellenländern und insbesondere aus China. Der Hintergrund dürften Bemühungen sein, die zumeist sehr großen Anteile von US-Dollar an den nationalen Währungsreserven zu reduzieren. Dabei geht es einerseits um eine stärkere Diversifizierung, andererseits kann eine zu große Abhängigkeit von der US-Währung aber auch die Wirtschaft eines Landes empfindlich treffen, wenn die USA durch Dollarsanktionen versuchen, eigene Interessen durchzusetzen. Der besonders steile Anstieg im laufenden Jahr dürfte wohl auch mit der Eskalation des Israel-Konflikts zusammenhängen. Weiterhin ist eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft eine stärkere Beteiligung des Iran und damit mögliche Produktionsausfälle sowie drastische Preisanstiege am Rohölmarkt. Doch seit dem Sommer zeigt sich eine Veränderung auf der Nachfrageseite. Während die Goldimporte Chinas einbrachen, steigerten anders als im ersten Halbjahr durch Goldbestände gedeckte Fonds ihre Nachfrage deutlich, vor allem aus Nordamerika und Europa. Für diese Nachfragekomponente sind – neben dem Argument des Krisenschutzes – die Zinserwartungen besonders ausschlaggebend.
Mittlerweile haben viele Notenbanken weltweit den Leitzinsgipfel hinter sich gelassen und es zeichnen sich – angesichts einer überwiegend schwachen Konjunkturdynamik und weiter sinkender Inflationsraten – nachgebende Zinsen ab. Damit werden verzinsliche Anlagen unattraktiver bzw. die Opportunitätskosten der Goldhaltung ohne laufenden Ertrag sinken. Doch ein anderes Kalkül könnte für private und institutionelle Anleger wichtiger werden. So dürften die Staatsschulden weltweit in den kommenden Jahren weiter ansteigen und damit das Fundament stabiler staatlicher Währungen sukzessive unterminieren. Da es im Bereich der klassischen Währungen kaum eine Alternative zum US-Dollar mit dem global größten und liquidesten Kapitalmarkt gibt, rücken reale Anlagen, unter anderem Edelmetalle, in den Vordergrund – sowohl für private und institutionelle Anleger als auch für Notenbanken. Gerade nach deutlichen Kurssteigerungen sind kurzzeitige Rücksetzer nicht auszuschließen, die langfristigen Perspektiven sprechen jedoch weiterhin für eine Beimischung von Gold in einem breit diversifizierten Portfolio.
Autor: Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL