Gegenwind für die Märkte ist immens

Im Vorfeld unseres INTELLIGENT INVESTORS ESG-Thementalks sprachen wir Mitte Mai mit Felix Herrmann, Chefvolkswirt ARAMEA Asset Management AG, zur Inflationsthematik, der weltwirtschaftlichen Situation und den Auswirkungen auf die Rentenmärkte.
20. Juni 2022
Felix Herrmann, Chefvolkswirt ARAMEA Asset Management AG / Foto: © ARAMEA

II: Bleiben wir kurz beim Inflationsthema. Wie stellt sich die gegenwärtige Lage in den USA im Vergleich zu Europa dar?
Herrmann: Sowohl in den USA als auch in Europa wurde die steigende Inflation im Wesentlichen zunächst durch die Angebotsseite getrieben. Der Inflationstrend gewinnt jedoch zunehmend an Breite, wobei die USA der Eurozone einige Schritte voraus sind. Im Unterschied zum europäischen Kontinent sehen wir in den USA neben den steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen bereits jetzt einen sehr engen Arbeitsmarkt, der wiederum den Lohndruck forciert und die Notenbank zusätzlich unter argen Zugzwang bringt. Die US-Notenbank hat als Reaktion einen neuen Zinsanhebungszyklus eingeleitet, der einen steilen Verlauf nehmen dürfte. Bislang gewinnt man dennoch den Eindruck, dass die Notenbank mit ihrer klaren Kommunikation ihre Glaubwürdigkeit stärkt; im Gegensatz zur EZB, die eher unglücklich und zu zögerlich agiert. Für beide Zentralbanken dürfte am Ende gelten: Im Zweifel wird man wohl bereit sein, etwas mehr Inflation zuzulassen anstatt eine handfeste Rezession zu verursachen. Ohne Bremsspuren wird es aber natürlich nicht gehen.

II: Mit Zinserhöhungen könnte auch die EZB gegen die hohe Inflation ankämpfen. Handelt sie zu spät?
Herrmann: Ja. Es stimmt zwar wie gesagt, dass der Inflationsdruck in der Eurozone noch nicht so hoch ist wie in den USA. Aber man muss schon festhalten, dass die EZB zu lange am Narrativ festgehalten hat, wonach die rasante Inflation nur vorübergehend sei. Wie wir sehen, ist das auch in Europa nicht der Fall. Die Lieferketten-Problematik besteht weiter, der Krieg in der Ukraine und die Lockdowns in China kamen hinzu und machten letztlich einen Strich durch diese Rechnung. Nunmehr hat die europäische Zentralbank eine Kehrtwende vollzogen und bereitet die Finanzmärkte mittlerweile auf eine baldige Zinswende vor.

II: Dennoch, bleibt es bei einer „langfristigen Rückkehr“ der Inflation?
Herrmann: Nicht in der Höhe, wie wir sie aktuell erleben. Aber wir müssen uns verabschieden von Zeiten, in denen das Preissteigerungsniveau so gering wie in den Jahren nach der Finanzkrise gewesen ist. Das hat auch zentral etwas mit diversen strukturellen Faktoren wie der alternden Gesellschaft sowie einer Neuausrichtung der Globalisierung und von Wertschöpfungsketten zu tun, die ihrerseits langfristige Auswirkungen auf das Preisniveau haben.

II: Was bedeutet der Inflationsanstieg generell für die Anleihemärkte?
Herrmann: Der Zinsanstieg ist Fluch und Segen zugleich. Anleihen verzeichnen in diesem Jahr eine ihrer schlechtesten Wertentwicklungen seit Jahrzehnten. Das ist schmerzhaft, zumal auch die Aktienmärkte auf der anderen Seite fallen. Dennoch gilt es, die Chancen auf positive Realrenditen zu erkennen und Anleihe-Positionen aufzubauen. Deutsche Staatsanleihen hatten lange Zeit keine Daseinsberechtigung, auch unter Diversifikationsaspekten. Das sollte sich nunmehr ändern. Hochzinsanleihen könnten eine interessante Anlageklasse sein, aber auch Nachranganleihen, in denen die ARAMEA AG eine besondere Expertise aufweist.

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