Gefallene Engel sorgen für Chancen

Hochverzinsliche Schuldtitel (High Yield) wurden von der Corona-Krise schwer getroffen. Insbesondere litt der Energiesektor, allen voran der US-Öl-Sektor, unter den Folgen. Die Auswirkungen der Flut von Herabstufungen, die Emittenten mit Investment-Grade-Rating in das High-Yield-Segment beförderten, sind von beachtlichem Ausmaß. „Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Größe und Struktur des Marktes haben und Kaufgelegenheiten mit sich bringen“, sagt James Gledhill, Portfolio Manager bei AXA Investment Managers (AXA IM).
5. Juni 2020
High Yield

Hochverzinsliche Schuldtitel (High Yield) wurden von der Corona-Krise schwer getroffen. Insbesondere litt der Energiesektor, allen voran der US-Öl-Sektor, unter den Folgen. Die Auswirkungen der Flut von Herabstufungen, die Emittenten mit Investment-Grade-Rating in das High-Yield-Segment beförderten, sind von beachtlichem Ausmaß. „Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Größe und Struktur des Marktes haben und Kaufgelegenheiten mit sich bringen“, sagt James Gledhill, Portfolio Manager bei AXA Investment Managers (AXA IM).

Dennoch rät der Experte davon ab, sich in blinder Eile auf die „gefallenen Engel“ (eng. Fallen Angels) zu stürzen. „Das gilt insbesondere für die schwächeren Sektoren. Fundamentalanalyse und Bewertung bleiben der Ausgangspunkt für jeden einzelnen Handel“, konstatiert Gledhill.  Dies ist zum einen durch das rasant gestiegene Angebot im High-Yield-Bereich begründet. Die Auswirkungen der Krise bewog Rating-Agenturen dazu, Emittenten überraschend schnell und energisch herabzustufen. Dies hat eine regelrechte Welle von “gefallenen Engeln” ausgelöst, da einige große Emittenten ihr Investment-Grade-Rating verloren. Im März erreichte das Volumen der Fallen Angels einen Wert von 91,5 Milliarden US-Dollar – so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren. Das steigende Angebot verbessert die durchschnittliche Kreditqualität des High-Yield-Universums, während die Herabstufung bestehender High-Yield-Emittenten diese schwächen. 

Hinzu kommt, dass die Zahlungsausfälle im globalen High-Yield-Bereich trotz aller Maßnahmen der Zentralbanken und Regierungen wahrscheinlich zunehmen werden. „Unserer Meinung nach könnte dies in zwei Phasen eintreten: Die erste Welle würde in den nächsten Monaten eintreffen und höchstwahrscheinlich diejenigen Unternehmen betreffen, die ohnehin am Abgrund stehen oder sehr stark von den Folgen der Corona-Krise betroffen sind. Eine weitere Reihe von Zahlungsausfällen wäre 2021 denkbar, wenn die Wirkung des Stimulus nachlässt und die tatsächlichen Auswirkungen durch COVID-19 auf verschiedene Sektoren deutlich werden“, sagt Gledhill.

Ein Grund mehr für den Experten, die Emittenten einer ausführlichen Analyse zu unterziehen, um Risiken und Chancen zu identifizieren: „Value ist möglich, da Investment Grade-Investoren möglicherweise zu Verkäufen gezwungen sind und die betroffenen Unternehmen wahrscheinlich größer und widerstandsfähiger sind. Ebenso bieten die Emissionen, die auf der High-Yield-Ratingskala nach unten fallen, nicht unbedingt gute Gründe für einen Verkauf“, so der Experte.

Gespaltener Markt

Für den Experten setzt sich der aktuelle High-Yield-Markt aus drei unterschiedlichen Gruppen zusammen. Da wären jene Emittenten, deren Fundament am meisten zu bröckeln scheint – einer übermäßigen Verschuldung, den Auswirkungen des Corona-Virus oder eine Kombination aus beidem geschuldet. „Die Nachfrage dieser Anleihen sind stark rückläufig, aber die Liquidität an diesem Ende des Marktes hält an – es gab viel Kapital an den Seitenlinien, das auf günstige Kaufgelegenheiten im notleidenden Anleihesegment wartet“, erläutert Gledhill. 

Am anderen Ende stehen die Unternehmen, die sich gegenüber den Auswirkungen des Virus als robust erwiesen und diese Periode mit konservativen Bilanzen begonnen haben. Hier wäre gar eine positive Krisengeschichte denkbar, zum Beispiel im Gesundheitswesen. „Diese Gruppe macht einen relativ großen Teil des High-Yield-Marktes in Europa aus. Einige dieser Unternehmen handeln nicht weit unter ihrem vorigen Niveau. Es könnten sich hier Kaufgelegenheiten finden lassen, da das Ausfallrisiko nach wie vor gering ist. Die Nachfrage bleibt robust und der Markt liquide“, so Gledhill weiter.

Dazwischen tummeln sich Unternehmen, deren Aussichten schwer einzuschätzen sind. Die Liquidität in diesem Bereich ist schwächer, die Preise litten schon zu Beginn der Krise. „Unserer Ansicht nach ist das Risiko- aber auch das Value-Potenzial hier wahrscheinlich am höchsten. Eine gute Kreditanalyse wird in diesem Bereich den größten Mehrwert schaffen können, auch wenn die Positionierung der Portfolios aufgrund der geringeren Liquidität einige Zeit in Anspruch nehmen kann“, sagt Gledhill.

Trotz Volatilität: Value rückt in den Fokus

Das neue Angebot schien zu Beginn für den Hochzinsmarkt nur schwer zu schlucken. Doch es gab auch gute Nachrichten für Investoren: Die Federal Reserve beabsichtigt, jene Titel, die am 22. März ein Investment-Grade-Rating vorwiesen, weiterhin für ihr Anleihekaufprogramm in Erwägung zu ziehen, sofern ihr neues Rating bei BB- oder darüber liegt. „Wir glauben, dass dies eine sehr hilfreiche Atempause für Unternehmen und eine gute Nachricht für High-Yield-Investoren darstellt“, so der Experte. Auf Nachdruck könnte die Europäische Zentralbank diesem Beispiel folgen. Derzeit gilt die Richtlinie, von Investment-Grade herabgestufte Titel zu halten, die Ratingschwellen in den eigenen Kaufprogramm im Unternehmenssektor werden jedoch möglicherweise noch gelockert. „Dies wäre ein bedeutender Schritt: Wir sind der Meinung, dass die Investment-Grade-Unternehmen in Europa, die in das Hochzinsuniversum fallen, das Potenzial haben, 75 Milliarden Euro oder mehr zu erreichen“, fährt Gledhill fort. Auch wenn die Volatilität anhält, gehen wir davon aus, dass höherwertige Hochzinsanleihen in den Fokus rücken. „Wir sehen gute Gründe dafür, die Duration und die Risikopositionierung in den kommenden Wochen und Monaten gegebenenfalls zu erhöhen und gleichzeitig das Risiko für möglicherweise auftretende, stärker belastete Situationen kontrolliert im Blick zu behalten. Die Spreads sind erhöht, aber nicht katastrophal. Die Intervention der Fed ist willkommen und entscheidend. Historisch betrachtet kann der Einstieg in den High-Yield-Markt bei den aktuellen Spreads mit hoher Wahrscheinlichkeit eine starke Rendite über einen Zeitraum von einem Jahr bieten. Doch natürlich gibt es dafür keine Garantie“, schließt Gledhill. (ah)

Foto: © vectorfusionart — stock.adobe.com

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