Frankreich sticht Deutschland aus

Die französische Präsidentschaftswahl ist vorbei. Macron bleibt an der Spitze des Staates. Doch in Kürze sind die Franzosen aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. INTELLIGENT INVESTORS im Gespräch mit Guillaume Brisset, CEO und Fondsmanager bei Clartan Associés.
5. Mai 2022
Guillaume Brisset - Foto: © Clartan Associés

Die französische Präsidentschaftswahl ist vorbei. Macron bleibt an der Spitze des Staates. Doch in Kürze sind die Franzosen aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. INTELLIGENT INVESTORS im Gespräch mit Guillaume Brisset, CEO und Fondsmanager bei Clartan Associés.

INTELLIGENT INVESTORS: Erleichterung in Europa und bei vielen Franzosen. Was bedeutet der Sieg Macrons?
Brisset: Zunächst einmal ist das Ergebnis eine wichtige Voraussetzung für fünf weitere stabile Jahre der EU. Zugleich macht es aber deutlich, mit welchen Herausforderungen Macron während seiner zweiten Amtszeit konfrontiert sein wird. Denn die extremen Parteien links und rechts haben zugelegt – zu Lasten der Mitte, die Macron eigentlich festigen wollte. Sein Augenmerk dürfte daher verstärkt auf dem zunehmenden sozioökonomischen Stadt-Land-Gefälle liegen, das heißt, er muss sich für die strukturelle Förderung ländlicher Räume einsetzen, um die dort unzufriedene Bevölkerung wieder einzufangen.

II: Mitte Juni stehen die Parlamentswahlen an. 2017 feierte die „La République en Marche“ einen überwältigenden Sieg. Welche Szenarien sind jetzt am wahrscheinlichsten?
Brisset: Auf regionaler Ebene sind die etablierten Parteien zwar etwas besser organisiert, dennoch ist es wahrscheinlich, dass Macron dieses Mal eine Koalition bilden muss – oder eine „Cohabitation“, wie man in Frankreich sagt. Mit wem das sein wird, das ist momentan noch der große unbekannte Faktor in der zukünftigen Regierungsformation. Doch wer auch immer es sein wird, ein „Durchregieren“ wird für Macron damit ungleich herausfordernder.

II: Wie steht Frankreich Mitte 2022 wirtschaftlich im europäischen Konzert dar?
Brisset: Das erwartete Wirtschaftswachstum Frankreichs für 2022 liegt auch nach den Korrekturen des IWF im April immer noch bei 3,5 Prozent, trotz Ukraine-Krieg. Deutschland steht im Vergleich dazu bei 2,2 Prozent, Italien liegt nur leicht darüber. Im Konzert der großen Drei wird Frankreich also das stärkste Land der Eurozone sein, auch wegen seiner geringeren Abhängigkeit von russischen Energieimporten.

II: Welche Branchen/Sektoren stechen bei der Analyse hervor?
Brisset: Die Analyse ist momentan stark von den Faktoren Rohstoffpreise, Inflation und Zinsanstieg geprägt. Die aktuellen Auswüchse sind natürlich Folgen des Ukraine-Krieges, das Fundament wurde allerdings schon vorher gelegt. Beispielsweise hat in der Post-Pandemie die anziehende Nachfrage im Reise-Sektor bereits für steigende Rohstoffpreise gesorgt, die Unsicherheit und das Embargo gegen Russland hat diese Effekte lediglich verstärkt. Frankreich hat in den Sektoren, die jetzt profitieren, viele führende Unternehmen. TotalEnergies hat jüngst in einem Umfeld, in dem der Brent-Preis im Vergleich zum Vorquartal um 28 Prozent nach oben schoss, einen laufenden Nettogewinn von neun Mrd. US-Dollar vermeldet – ein Anstieg um 32 Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2021. Der Netto-Gewinn lag damit um 12 Prozent über den Erwartungen. Das Management bestätigte eine um fünf Prozent höhere Dividende im Jahr 2022 sowie Aktienrückkäufe in Höhe von drei Mrd. US-Dollar in der ersten Jahreshälfte. Ein Blick in den Bankensektor lohnt sich ebenfalls: Französische Banken wie die BNP Paribas oder die Credit Agricole sind seit vielen Jahren rentabel, ganz im Gegensatz zu deutschen Instituten. Das Umfeld steigender Zinsen wird für solche Häuser eine attraktive Margensteigerung darstellen. Auch im Bankensektor hat der Ukraine-Krieg kurzzeitig für starke Kurskorrekturen gesorgt, diese sind aus unserer Sicht nach Analyse der Situation bei sehr kalkulierbaren Kreditausfallrisiken in Russland aber übertrieben. Vorsichtig betrachten sollte man inflationssensible Branchen, z.B. aus dem Konsumbereich. (ah)

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