Europäische Aktien: Das Comeback des Jahres?

Europäische Aktien litten in den vergangenen Jahren unter schwacher Nachfrage und einem Bewertungsabschlag von 40 Prozent gegenüber den USA, bedingt durch die Dominanz der „Glorreichen Sieben“ und Europas geringem Gewicht im MSCI ACWI. Trotz negativer Stimmung und geopolitischer Unsicherheiten zeigen sich 2025 erste positive Signale: Zuflüsse nach Europa, verbesserte Konjunkturdaten, steigende Unternehmensgewinne und mögliche Zinssenkungen. Wie die Herausforderung für Anleger gelingen kann, widerstandsfähige europäische Unternehmen mit starker Marktposition und Preismacht zu identifizieren, erklärt Marcus Morris-Eyton in seinem Marktkommentar.
4. März 2025
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Europäische Aktien litten in den vergangenen Jahren unter schwacher Nachfrage und einem Bewertungsabschlag von 40 Prozent gegenüber den USA, bedingt durch die Dominanz der „Glorreichen Sieben“ und Europas geringem Gewicht im MSCI ACWI. Trotz negativer Stimmung und geopolitischer Unsicherheiten zeigen sich 2025 erste positive Signale: Zuflüsse nach Europa, verbesserte Konjunkturdaten, steigende Unternehmensgewinne und mögliche Zinssenkungen. Wie die Herausforderung für Anleger gelingen kann, widerstandsfähige europäische Unternehmen mit starker Marktposition und Preismacht zu identifizieren, erklärt Marcus Morris-Eyton in seinem Marktkommentar.

Anleger in Europa hatten in den vergangenen Jahren wenig Grund zur Freude, da sich die Marktrallye stark auf die USA und hier insbesondere die „Glorreichen Sieben“ konzentrierte. Das spiegelt sich in einem Rekord-Bewertungsabschlag von 40 Prozent zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Aktienmarkt wider. Vermögensverwalter zu finden, die nicht in den USA übergewichtet und in Europa untergewichtet sind, ist (zu Recht) zu einer Seltenheit geworden. Die Gewichtung europäischer Aktien ist mittlerweile auf fünf Prozent gesunken (im Vergleich zu einer Benchmark von 14 Prozent im MSCI ACWI). Diese negative Stimmung wurde durch die Spekulationen über neue Zölle der Trump-Regierung nicht gerade verbessert. Europäische Aktien sind jedoch stark in das Jahr 2025 gestartet. Angesichts solch extremer Positionierungen, in Kombination mit einer allmählichen Erholung der zyklischen Daten und einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine, könnte Europa nun endlich auf einen Aufschwung zusteuern.

Europa fehlen Impulse, um Bewertungslücke zu schließen
Die Bewertung war oft das Hauptargument für Europa. Zweifellos gibt Europa im Vergleich zu den USA ein sehr attraktives Bild bezüglich der Bewertung ab, wobei der oben erwähnte Abschlag von 40 Prozent zwischen dem MSCI Europe und dem S&P 500 doppelt so hoch ist wie der langfristige Durchschnitt. Der regelmäßige und berechtigte Einwand dagegen ist, dass die Marktstruktur sehr unterschiedlich ist. Die USA sind viel stärker im Technologiesektor engagiert, während Europa eine stärkere Position bei Banken und Rohstoffen hat. Doch selbst nach Bereinigung dieser Unterschiede in der Sektorzusammensetzung wird Europa im Vergleich zu den USA immer noch mit einem Abschlag von 20 Prozent gehandelt. Das Problem bei bewertungsbasierten Argumenten ist jedoch, dass ein Auslöser nötig ist, um die Lücke zu schließen. Dieser hat in Europa gefehlt – bislang!

Im Januar 2025 kam es erstmals seit Beginn des Russland-Ukraine-Krieges zu Zuflüssen nach Europa. Eine aktuelle Umfrage der Bank of America unter Fondsmanagern zeigte die zweitgrößte positive Stimmungsänderung gegenüber europäischen Aktien in der Geschichte. Ist das also der lang erwartete positive Auslöser? Die Makrodaten sprechen dafür. Sowohl die Konjunkturdaten als auch die Gewinne in Europa halten sich viel besser als von vielen befürchtet. Während der Gewinnsaison im vierten Quartal übertrafen europäische Unternehmen durchschnittlich die Konsenserwartungen um drei Prozent. Europäische Unternehmen verzeichnen nun auch mehr Gewinnsteigerungen als ihre US-amerikanischen Pendants, wobei sich das Gewinnwachstum bis 2025 voraussichtlich beschleunigen wird. Der schwächere Euro wirkt für viele Unternehmen als willkommener Rückenwind, insbesondere für diejenigen, die auch außerhalb der Eurozone Umsätze generieren. Da die Inflation gedämpft ist, scheint der Weg zu weiteren Zinssenkungen in der Eurozone vielleicht klarer zu sein als in den USA, wobei der Markt bis zum Herbst mit Zinssätzen von zwei Prozent rechnet.

Qualitätsunternehmen resilienter gegenüber dem Makroumfeld
Eine der großen Freuden, die man als langfristiger Bottom-up-Investor in Qualitätsunternehmen hat, ist, dass die Makrodebatten oft viel weniger wichtig sind, als viele Menschen annehmen. In den vergangenen fünf Jahren war das Wirtschaftswachstum in Europa mit einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von weniger als einem Prozent zweifellos schwach. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich auf dem Markt kein Wachstum finden lässt. Unternehmen mit marktführenden Produkten oder Dienstleistungen, starken Managementteams, guter Preissetzungsmacht und etablierten Eintrittsbarrieren haben in der Regel ihr Schicksal selbst in der Hand und sind nicht schutzlos dem Makroumfeld und der Politik ausgeliefert. Tatsächlich profitieren viele Unternehmen, in die wir investieren, trotz Notierung in Europa von ihrer marktführenden Position. Sie können ihr Wachstum dorthin verlagern, wo die Nachfrage ist, wobei sie häufig den Großteil ihres Umsatzes außerhalb Europas generieren.

Zolldiskussion muss differenziert geführt werden
Der Vorteil dieses Anlageprozesses wird durch die Debatte über die Zölle in den USA sehr gut veranschaulicht. Europäische Unternehmen stehen, wie alle Regionen, vor einer Reihe neuer Herausforderungen, die sich aus der politischen Ausrichtung der neuen Trump-Regierung ergeben. Wir sind jedoch der Meinung, dass ausgewählte europäische Unternehmen mit den richtigen Geschäftsmodellen unter der neuen Regierung gut abschneiden werden. Europäische Unternehmen erwirtschaften im Durchschnitt 20 Prozent ihres Umsatzes in den USA. Davon machen aber schätzungsweise nur ein Viertel Waren aus, die in die USA exportiert werden. Der Rest verteilt sich auf Dienstleistungen oder auf Produkte, die in den USA für die USA hergestellt wurden. Die Exposition variiert je nach Sektor erheblich, wobei Sektoren wie die Automobilindustrie, die Medizintechnik und die Luxusgüterindustrie Entscheidungen aus den USA am stärksten ausgesetzt sind.

Zwar werden viele Unternehmen unter der Einführung von Zöllen leiden. Wir sind jedoch  der Meinung, dass die Debatte differenzierter ist, als sie in den Medien dargestellt wird. Wobei sich die genauen Auswirkungen von Unternehmen zu Unternehmen grundlegend unterschieden. Für Anleger in Europa besteht die Herausforderung darin, Unternehmen zu identifizieren, die trotz der höheren Hürden wettbewerbsfähig bleiben. Unternehmen mit starker Preissetzungsmacht und lokalen Standorten sind weit weniger anfällig für potenzielle Zölle und können Handelskriege sogar als Chance nutzen, um ihren Marktanteil gegenüber anderen internationalen Wettbewerbern zu erhöhen. Wir sind der Meinung, dass Anleger anhand klarer Kriterien hochwertige Wachstumsunternehmen identifizieren können, die in der Lage sind, politische Hindernisse zu überwinden und dem Pessimismus über die europäischen Märkte zu trotzen.

Marcus Morris-Eyton — Foto: Copyright AllianceBernstein

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