ETHENEA: Turbulente Zeiten für Anleihen

Der Kupon ist wieder da! Und die Anleiheninvestoren kehren reihenweise zurück. Doch die aktuelle Situation mit steigenden Kupons nach mehreren Jahren mit äußerst geringen Kupons hat ihre Tücken. Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A., erklärt, worauf Anleger achten sollten. 
27. Februar 2023
Dr. Volker Schmidt - Foto: © ETHENEA Independent Investors S.A

Der Kupon ist wieder da! Und die Anleiheninvestoren kehren reihenweise zurück. Doch die aktuelle Situation mit steigenden Kupons nach mehreren Jahren mit äußerst geringen Kupons hat ihre Tücken. Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A., erklärt, worauf Anleger achten sollten. 

Euro-Anleihen mit Qualitätsrating – zum Beispiel deutsche Staatsanleihen – haben wieder einen Kupon von zwei Prozent. Auf drei Prozent bringen es Pfandbriefe und Anleihen sehr gut gerateter Unternehmen. Sogar vier Prozent und mehr winken bei BBB-gerateten Unternehmen. „Des Investors Freud ist des Schuldners Leid, könnte man auch sagen“, kommentiert Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A. „Noch vor wenigen Jahren verhielt es sich umgekehrt: gute Zeiten für Schuldner und schlechte für Anleger, mit Exzessen negativer Renditen.“

Nun wollen viele Anleger, die sich in Zeiten negativer Renditen aus dem Markt verabschiedet haben, wieder einsteigen. „Neu emittierte Anleihen werden wieder mit einem nennenswerten Kupon ausgestattet sein – nach der Zeitenwende im Jahr 2022, der Rückkehr der Inflation und dem verzweifelten Gegensteuern der Zentralbanken in Form von Rekordzinserhöhungen in kürzester Zeit“, erläutert der ETHENEA-Experte. „Aber können alle Schuldner die höhere Belastung tragen? Und was ist mit den Anleihen, die deutlich unter 100 Prozent handeln, aber nur einen Mini-Kupon tragen – sind sie alle ausfallgefährdet?“

Der Anleihenkurs lässt keinen verlässlichen Rückschluss auf Emittenten-Bonität zu

Spätestens mit der ersten Zinsanhebung der US-Zentralbank im März 2022 wurde die heiße Phase der Zinserhöhungen eingeläutet – damals lag die US-Inflation bereits bei mehr als sieben Prozent. Von da an stiegen die Zentralbankzinsen 2022 im Rekordtempo. Damit wurde auch der Berg negativ rentierender Anleihen vollständig abgebaut, der Anfang 2022 noch bei acht Billionen US-Dollar und in der Spitze 2021 bei 18 Billionen US-Dollar gelegen hatte.

„Die Zinserhöhungen spiegelten sich auch in den Rekordkursverlusten von Anleihen im Jahr 2022 wider. Der breit gefasste Bloomberg Euro Aggregate Index, der alle auf Euro lautenden Anleihen mit guter Bonität (Investment-Grade) abbildet, verlor im Jahr 2022 mehr als 17 Prozent. Die durchschnittliche Rendite aller im Index enthaltenen Anleihen stieg im gleichen Zeitraum von 0,2 Prozent auf 3,42 Prozent“, erläutert Schmidt. „Das bedeutet aber auch, dass viele Anleihen, die im Jahr 2021 emittiert wurden, inzwischen mit Kursen deutlich unter 100 Prozent gehandelt werden.“ Er nennt als Beispiel die deutsche Staatsanleihe mit Fälligkeit im August 2031 und einem Kupon von null Prozent, die Ende 2022 bei knapp 80 Prozent notierte. „Diese Anleihe hat offensichtlich die gleiche Ausfallwahrscheinlichkeit wie jeder andere Bond desselben Emittenten, und kürzlich emittierte Anleihen mit einem angemessenen Kupon werden zu 100 Prozent gehandelt. Daher ist der Kurs einer Anleihe kein eindeutiges Signal für ihre Kreditwürdigkeit“, führt der Senior Portfolio Manager aus. „Natürlich kann aber ein Kurs von deutlich unter 100 Prozent auf eine sinkende Bonität hindeuten: Ein Beispiel hierfür ist die Anleihe von Wirecard.“

Erklärbeispiel: Sind Kupons die Lösung?

Grundsätzlich ist die beste Kennzahl zur Berechnung des zu erwartenden Ertrags einer Anleihe die Rendite. Diese berechnet den erwarteten Jahresertrag einer Anleiheinvestition und spiegelt somit die zukünftigen Kuponeinnahmen sowie die Kursgewinne oder ‑verluste vom aktuellen Marktkurs zum Rückzahlungskurs von 100 Prozent wider. „Eine Investition in eine Anleihe mit einem hohen oder einem niedrigen Kupon ist also gleich erfolgversprechend, solange sie die gleiche Rendite, die gleiche Restlaufzeit und das gleiche Kreditrisiko aufweisen“, erläutert Schmidt.

Etwas anders verhält es sich jedoch, wenn das Ausfallrisiko der Anleihe berücksichtigt wird. Das verdeutlicht die Betrachtung von zwei fiktiven Anleihen desselben Emittenten mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren: Die eine Anleihe wird zu 90 Prozent gehandelt und zahlt keinen Kupon, die andere Anleihe wird zu 100 Prozent gehandelt und zahlt einen Kupon von fünf Prozent. Die Anleihen haben also jeweils eine Rendite von circa fünf Prozent. Wenn der Anleger in beide Anleihen 1.000 Euro investiert und beide Anleihen kurz vor Fälligkeit ausfallen, dann hat er bei der Anleihe mit Kupon bereits eine Zinszahlung (jährlicher Kupon) oder sogar drei Zinszahlungen (halbjährlicher Kupon) erhalten, bei der Anleihe ohne Kupon hingegen noch keine Zahlung. Je mehr Kupons also bereits gezahlt wurden, desto besser für den Anleiheinvestor. Auf der anderen Seite hat er beim Kauf der Anleihe ohne Kupon eine höhere Nominalforderung, da er mit den 1.000 Euro und einem Kurs von 90 Prozent Anleihen im Nominalwert von rund 1.111 Euro erworben hat. Die höhere Nominalforderung ist umso mehr wert, je höher die Rückzahlungsquote ist.

„Hohe Kupons sind also nicht unbedingt besser als Anleihen mit niedrigen Kupons, aber niedrigen Kursen. Für den Investor sollte es unerheblich sein, ob seine Rendite aus Kupons oder Kursgewinnen besteht“, resümiert ETHENEA-Experte Volker Schmidt. „Aktuell bieten die bereits erreichten Renditeniveaus von über drei Prozent einen gewissen Schutz, grundsätzlich können aber weitere Kursverluste in Erwartung zukünftig steigender Zentralbankzinsen nicht ausgeschlossen werden. Es ist beruhigend, dass es wieder Kupons zu verdienen gibt, wohl wissend, dass Kupons nicht die einzige Lösung sind.“

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