ESG Standards: Artikel 9 und EU Green Deal zusammen denken

Am 26. Januar 2022 hielt Wirtschaftsminister Robert Habeck eine bemerkenswerte Grafik in die Kameras der versammelten Medienvertreter der Bundespressekonferenz. Sie ist im Jahreswirtschaftsbericht 2022 zu finden und zeigt zwei Kurven: Zum einen die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands zwischen 1990 und 2020, zum anderen die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im selben Zeitraum. Die beiden Kurven laufen keilförmig auseinander – während das BIP steigt, sinken die Emissionen Stück für Stück.
28. Juni 2022

Am 26. Januar 2022 hielt Wirtschaftsminister Robert Habeck eine bemerkenswerte Grafik in die Kameras der versammelten Medienvertreter der Bundespressekonferenz. Sie ist im Jahreswirtschaftsbericht 2022 zu finden und zeigt zwei Kurven: Zum einen die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands zwischen 1990 und 2020, zum anderen die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im selben Zeitraum. Die beiden Kurven laufen keilförmig auseinander – während das BIP steigt, sinken die Emissionen Stück für Stück.

Dazu sagte Habeck: „Wir dürfen kein Wirtschaften mehr fördern, das zu fossilem Energieverbrauch, Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit beiträgt. Umgekehrt ist die Aufgabe, Wachstum von Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen zu entkoppeln.“

Dieses Prinzip der Entkopplung stammt nicht etwa aus der Feder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima. Vielmehr ist es die grundlegende Logik des „Green Deal“ der Europäischen Union. Dieser kann als Fahrplan verstanden werden, mit dem die EU ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele von Paris leisten möchte. Standards und regulatorische Vorgaben wie etwa die EU-Taxonomie sind unter diesem grünen Dach eingeordnet, das ausdrücklich beschrieben wird als „Wachstumsstrategie, mit der […] das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt“ werden soll.

Blick für das übergeordnete Ziel

Das ist eine entscheidende, jedoch gerade im Finanzmarkt noch viel zu wenig beachtete Logik. Denn während beispielsweise die EU-Taxonomie für sich allein genommen eher eine Art Checkliste darstellt, die binär in „nachhaltig“ und „nicht nachhaltig“ unterteilt, so steht sie doch im Kontext dieser übergeordneten Zielsetzung der Entkopplung und der noch eine Stufe darüber angesiedelten Einhaltung der Pariser Klimaziele. Wer vorausschauend agieren und investieren möchte, sollte diesen Blick für das übergeordnete Ziel nicht verlieren. Eben dieser Weitblick hilft auch dabei, die Stoßrichtung der EU-Offenlegungsverordnung, speziell der vielbeschworenen Artikel 8 und 9, besser zu verstehen. In Artikel 9 Abs. 3 ist zu lesen: „Wird mit einem Finanzprodukt eine Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt, so enthalten die […] offenzulegenden Informationen eine ausführliche Erklärung dazu, wie die Ziele geringer CO2-Emissionen zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris gewährleistet werden.“

Aber geht es bei dem 1,5‑Grad-Ziel des Pariser Abkommens nicht schlicht um Emissionsreduktion? Wozu dann also dieser Fokus auf Entkopplung? Hier hat die Coronakrise ein sehr klares Bild gezeichnet: Im Jahr 2020 erreichten wir erstmalig (und bisher auch einmalig) die rund 7,6 % Emissionsreduktion, die wir Jahr für Jahr erbringen müssten, um das angestrebte Ziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung noch zu schaffen. Möglich war das allerdings nur über einen weltweiten Beinahe-Stillstand der Wirtschaft. Das globale BIP brach um ‑3,3 % ein. So stark ist die Kopplung unserer Wirtschaftsleistung an Emissionen. Auch das aktuelle Beispiel der Energieversorgungskrise im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg verdeutlicht das noch einmal eindrucksvoll.

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