ESG ist kein Kippschalter

Mit Schwung wurde ins neue Jahr gestartet. Das erfreute die Gemüter, denn 2022 war miserabel. Zumindest für die meisten Investoren. Im Vorfeld des 2. INTELLIGENT INVESTORS-Thementalks sprachen wir mit Dr. Frank Ulbricht, Vorstand BCA AG/Vorstandsvorsitzender Bank für Vermögen AG, über die jüngsten Entwicklungen am Kapitalmarkt, dem Megatrend ESG und den Produktlösungen seines Hauses.
21. März 2023
Dr. Frank Ulbricht, Vorstand BCA AG/Vorstandsvorsitzender Bank für Vermögen AG Foto: © Bank für Vermögen

II: Lassen Sie uns auf das Megathema ESG zu sprechen kommen. Die Einhaltung von ESG-Kriterien ist unverzichtbar. Dennoch, wird ESG bei Anlegern und auch in der Asset-Management-Branche insgesamt noch zu wenig als Chance aufgefasst?
Dr. Ulbricht: ESG ist kein Kippschalter. Es ist nicht so, dass irgendwo in Brüssel jemand auf den Knopf drückt und dann ist alles ESG. Im Gegenteil, die Finanzströme in nachhaltige Bahnen zu lenken, ist ein Prozess, der Umdenken erfordert. Außerdem auch Aufklärung und Engagement. Wenn Sie heute jemanden auf der Straße nach „PAI“, „Ökologisch Nachhaltig“ und „ESG“ fragen – nach dem kleinen Einmaleins der Nachhaltigkeitsprofilierung – werden Sie im besten Fall müde belächelt. Somit bleibt es Aufgabe der Finanzberatung, den Kunden zu informieren und im besten Sinne zu beraten. Dass dieser Aufklärungsauftrag, der zunächst als unbezahlter Mehraufwand daherkommt, nicht von allen Marktteilnehmern euphorisch aufgenommen worden ist, ist klar. Trotzdem gaben in einer internen, nicht repräsentativen Umfrage 73 % der Befragten an, ihre Kunden regelmäßig oder im Bedarfsfall auf das Thema ESG anzusprechen. Fakt ist zudem: Nachhaltige Geldanlageprodukte werden künftig immer vielseitiger und wirkungsvoller. Wenn sich Berater mit dem Thema beschäftigen, stoßen sie über kurz oder lang auf zentrale Themen wie ELTIF oder Impact Investments.

II: Sie erwähnten das Thema ELTIF. Wie schätzen Sie diese Entwicklung samt ihrer Möglichkeiten ein?
Dr. Ulbricht: Prinzipiell sind diese Fonds der EU als Finanzierungsmotor für die nachhaltige Transformation und den digitalen Wandel konzipiert. Das Finanzinstrument ist seit 2015 am Markt, fristete bislang aber aufgrund verschiedener Einschränkungen und Auflagen eher ein Nischendasein. Die jüngsten Reformen zielen darauf ab, den Zugang für Privatanleger zu erleichtern, Vertriebshemmnisse abzubauen und gleichzeitig den Verbraucherschutz für Investitionen in ELTIFs innerhalb der privaten Märkte zu verbessern. Demzufolge haben sich die Bedingungen in der Form verändert, dass eine stärkere Nachfrage erwartet wird.

II: Was sind die Hauptmerkmale eines ELTIF?
Dr. Ulbricht: Zunächst sind ELTIFs für Anleger interessant, die nicht auf kurzfristige Liquidität angewiesen sind und die mittel- bis langfristige Chancen außerhalb des normalen Börsenge- schäfts wahrnehmen möchten. Hinzu kommt, dass Anleger über ELTIFs sehr zielgenau in Unternehmen und Projekte investiert werden können. Wir werden zunehmend ELTIFs mit einem starken ESG-Fokus in Form von Impact Investments sehen (Artikel 9‑Fonds nach EU-Offenlegungsverordnung). Diese Anlageform verbindet Rendite mit konkreten sozialen und ökologischen Wirkungen. Das ist besonders für Kunden interessant, die mit ihrem Investment einen Mehrwert über die bloße Rendite hinaus erzielen wollen, die also dazu beitragen, dass mehr Kapital in nachhaltige Projekte fließt und so die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung in Europa fördern.

II: Zu guter Letzt – „Zahl der Aktionäre auf Rekordstand“ hieß es unlängst. Glauben Sie, dass dieser positive Trend anhält? Was bedarf es dafür?
Dr. Ulbricht: Absolut, ja. Es benötigt weiterhin eine gute und unabhängige Finanzberatung!

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