ESG in Trade Finance: Nachhaltige Lieferketten unterstützen

Die industriellen und technologischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte haben die Welt verändert. Sie haben den Lebensstandard verbessert und den wissenschaftlichen Fortschritt gefördert. Gleichzeitig haben nicht nachhaltige Konsumgewohnheiten zu einer Umweltkrise geführt, die, wenn sie nicht bekämpft wird, den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten bedroht.
25. Juli 2022
Suresh Hegde - Foto: © NN IP

Die industriellen und technologischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte haben die Welt verändert. Sie haben den Lebensstandard verbessert und den wissenschaftlichen Fortschritt gefördert. Gleichzeitig haben nicht nachhaltige Konsumgewohnheiten zu einer Umweltkrise geführt, die, wenn sie nicht bekämpft wird, den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten bedroht.

Handel und Finanzen sind grundlegend mit den guten und schlechten Seiten dieser Prozesse verwoben. Bestimmte Aspekte des internationalen Handels, darunter viele, die mit der Rohstofffinanzierung zusammenhängen, sind mit einer nachhaltigen Entwicklung unvereinbar. Zahlreiche Handelsfinanzierungsbanken und ‑fonds haben ein erhebliches Exposure in Rohöl und anderen umweltverschmutzenden Rohstoffen sowie in Unternehmen, deren Produktionsabläufe mit wichtigen Umwelt‑, Sozial- und Governance-Risiken (ESG) wie Kinderarbeit, Abholzung und Wasserverschmutzung verbunden sin

Handel im Allgemeinen und die Verwendung von Agrar- und Metallrohstoffen im Besonderen sind eindeutig von entscheidender Bedeutung für die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs), wie die Verringerung der Armut, die Beseitigung des Hungers und der Übergang zu nachhaltiger Energie. Handelsfinanzierungen, die gut geprüft und solide strukturiert sind, bieten Investoren eine attraktive Anlageklasse und ein positives Mittel für einen nachhaltigen Wandel.

Was versteht man unter Trade Finance? 

Handelsfinanzierung bezeichnet verschiedene ökonomische Methoden, die Produktion, Transport und Verkauf von Waren fördern, sichern und ermöglichen sollen. Dieser jahrhundertealte globale Kreditmarkt wurde in der Vergangenheit von Geschäftsbanken dominiert. Jüngste regulatorische Änderungen schränken jedoch die Möglichkeiten der Banken ein, Kredite in ausreichender Höhe zu vergeben, um das rasche Wachstum zu unterstützen, das sich aus den langfristigen Bevölkerungswachstums- und Wohlstandsentwicklungen ergeben hat. Als investierbare Assetklasse hat die Handelsfinanzierung viele attraktive Eigenschaften: Sie ist in der Regel kurzfristig und selbstliquidierend und hat durchweg eine sehr geringe Korrelation, niedrige Ausfallraten und hohe Rückzahlungen gezeigt (ICC, 2021). Der Handelssektor ist ein Markt mit einem Volumen von mehreren Billionen US-Dollar und hat sich in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs stets als robust erwiesen. Da er auch die Finanzierung von Rohstoffen einschließen kann, ist er auch ein Markt, der in inflationären Phasen wächst.

Aufgrund der besonderen Merkmale handelsbezogener Kredite – kurze Laufzeiten, Wiederholbarkeit und klar definierte Verkäufer, Käufer und Waren – schneiden sie oft besser ab als Unternehmensanleihen mit ähnlichem Rating. Unternehmen sind oft besser in der Lage, regelmäßige kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen als Schulden zurückzuzahlen, die in fünf bis zehn Jahren fällig werden. Sie neigen auch dazu, das Betriebskapital zu schützen, das das reibungslose Funktionieren ihres Kerngeschäfts unterstützt. Ein Kaffeehersteller zum Beispiel ist eher in der Lage, seine Bohnen innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen, als seine langfristigen Schulden zu bedienen, da erstere für die Erfüllung der letzteren entscheidend sind.

Trade Finance eignet sich für klare ESG-Analyse

Als Anlageklasse, die sich ausschließlich auf die Finanzierung konkreter Verkäufe konkreter Waren an und von bekannten Gegenparteien konzentriert, bietet Trade Finance eine hohe Transparenz. Dies wiederum kann eine strikte ESG-Integration in den Investmentprozess ermöglichen. Es erleichtert auch eine mögliche Ausrichtung auf die SDGs der Vereinten Nationen und kann dazu beitragen, dass sowohl die immer strengeren Regularien für nachhaltige Finanzen als auch die Anforderungen der Investoren an eine klarere ESG-Berichterstattung über Themen wie Treibhausgasemissionen eingehalten werden. Die Transparenz der Beteiligten, der Standorte und des Zwecks ermöglicht auch eine detailliertere Bewertung der Bonität, des Geschäftsablaufs, der Rechtslage und der Compliance, als dies bei der Kreditvergabe an Unternehmen über Aktien oder Anleihen möglich wäre.

Unser Ansatz bei der ESG-Analyse stützt sich auf vier Grundprinzipien: Transparenz, Integration, Engagement und Ausschluss.

Transparenz: Die Eindeutigkeit des Zwecks, des Prozesses und der erwarteten Ergebnisse ist entscheidend. Wir stellen den Investoren so viele Informationen wie möglich zur Verfügung, damit sie unseren Investmentprozess im Rahmen ihrer ESG-Ziele bewerten und ihre eigenen Berichtspflichten erfüllen können.

Integration: Die Analyse der ESG-Aspekte muss mehr sein als nur ein automatisiertes Ergebnis des analytischen Prozesses. Sie muss den Kern des Investmentprozesses ab Beginn einer Transaktion darstellen und eine Rückkopplung zwischen Risikobereitschaft und Impact ermöglichen.

Engagement: Aktives Engagement mit den Akteuren ist entscheidend für das Benchmarking, das Verständnis und die Verbesserung bewährter Praktiken in der Branche sowie die Förderung realisierbarer, positiver Veränderungen. Die derzeitige Performance, das Momentum und der Wandel sollten klar definiert und durch Verträge unterstützt werden. Wir engagieren uns nicht nur mit einzelnen Gegenparteien bei konkreten Transaktionen und Lieferketten, sondern nehmen auch aktiv an verschiedenen Arbeitsgruppen teil, sowohl auf Produkt- als auch auf Finanzindustrieebene.

Ausschluss: Wir schließen wir bestimmte Waren und Länder aus, glauben aber an einen Investmentprozess, der eine praktische, gewissenhafte Bewertung spezifischer Kreditsituationen ermöglicht. Wir sind uns zum Beispiel darüber im Klaren, dass es keine nachhaltige Energiewende geben kann, wenn die Finanzindustrie alle Risiken in Schwellenländern scheut und ganze Sektoren wie Bergbau pauschal verbietet.

Analytischer Schwerpunkt

Entscheidend für eine richtige Analyse ist das Verständnis der gesamten Transaktion. Um diese Bewertung vornehmen zu können, müssen die Investmentprozesse der Fonds entsprechend gestaltet und ausgerichtet werden. Unser analytischer Schwerpunkt liegt auf drei Kriterien: Gegenparteien, Länder und Rohstoffe/Waren/Sektoren. Bei jeder Transaktion ist eine kritische ESG-Analyse erforderlich.

Um die Finanzierung der gesamten Produktion von Lebensmitteln bis hin zu Batterien für Elektroautos zu ermöglichen, müssen wir über oberflächliche Bedenken hinsichtlich des Länderrisikos und vermeintlich problematischer Sektoren hinausblicken. Für alle Güter werden Rohstoffe benötigt, die aus der Erde gewonnen werden und möglicherweise aus Dritte-Welt-Ländern stammen oder an diese gekoppelt sind. Fondsmanager müssen den Investoren helfen, das gesamte ESG-Paket zu sehen, indem sie sowohl die Verwendung der Güter als auch ihre Produktion bewerten. Es ist auch wichtig zu beachten, dass nicht alle Waren in jedem Land auf die gleiche Weise hergestellt werden und dass es länderspezifische Risiken geben kann, die in einem Produktionszyklus zu berücksichtigen sind. So ist beispielsweise die Abholzung von Wäldern für die Nickelproduktion in Indonesien ein weitaus größeres Problem als in Australien.

 

Produktions- und Verwendungsschwerpunkte einiger Güter

Quelle: NN Investment Partners

Daten

Trade Finance ist ein Privatmarkt mit sehr begrenzten öffentlich zugänglichen Datenmengen. Daher ist die Nutzung spezialisierter Datenquellen entscheidend. Investmentmanager sollten klar kommunizieren, welche ESG-Aspekte ihre Strategie zu steigern versucht und wie sie die Integration dieser Aspekte messen. Sie müssen auf diese Ziele ausgerichtet sein und klar über ihre Performance berichten.

Wir nutzen hoch entwickelte Datensätze wie Maplecroft, die es uns ermöglichen, das ESG-Risiko von Rohstoffen sehr detailliert zu bewerten. Neben der Prüfung der ESG-Richtlinien der Gegenparteien können wir beispielsweise spezifische ESG-Aspekte aufschlüsseln und eine Transaktion anhand einer Rohstoff-/Ländermatrix einstufen. Die Daten stammen aus verschiedenen Quellen, einschließlich eigener lokaler Analysen, und ermöglichen ein Screening über verschiedene geografische Regionen je Produkt. Die Daten können auf der Grundlage einer breiten Palette von E‑, S- und G‑Indikatoren bewertet werden.

Bewertung & Ergebnis

Diese Daten sind wichtig für die ESG TF Scorecard, ein proprietäres Instrument, das wir speziell für Trade Finance entwickelt haben und einsetzen. Es ermöglicht uns die Eingabe eines breiten Spektrums quantitativer und qualitativer Daten und die Einstufung von Transaktionen anhand einer klaren, wiederholbaren Methodik und des spezifischen Faktenmusters jeder Transaktion. Auf diese Weise können wir über bloße Restriktionen hinausblicken und den Handel unterstützen, der eine positive Dynamik und positive Ergebnisse aufweist. So können wir sowohl die Grauzonen als auch das Schwarz-Weiß erkennen. Wir möchten unsere Daten und Analysen auch künftig ständig optimieren – die Scorecard wird derzeit überarbeitet, um die Sektorspezifität bestimmter Fragen zu verbessern und sie noch stärker an bewährte Verfahren wie die internationalen Rechnungslegungsstandards anzupassen.

ESG-Scorecard

 

Schlussfolgerungen

Handel, eine der ältesten Formen der Wirtschaftstätigkeit, hat sowohl positiv als auch negativ zum Fortschritt beigetragen. Im gegenwärtigen Umfeld hoher Inflation, steigender Zinssätze und der Volatilität traditioneller Kredite ist Trade Finance für Investoren besonders attraktiv geworden. Der Kern dieser Anlageklasse – die Finanzierung eines konkreten Kaufs und Verkaufs konkreter Güter – führt zu sehr hoher Transparenz. Für Vermögensverwalter erfordert die ordnungsgemäße Analyse von Handelsströmen eine erhebliche, aber lohnende Investition in Prozesse und Ressourcen. Der Handel ist von zentraler Bedeutung für zahlreiche SDGs der Vereinten Nationen. Die Unterstützung der verantwortungsvollen Gewinnung von Rohstoffen wie Agrargütern und Metallen ist eine absolute Notwendigkeit für die Energiewende und Wachstum.

Beitrag von Suresh Hegde, Head of Structured Private Debt bei NN Investment Partners

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