Erneuerbare Energien am Wendepunkt

Die Aktien des Sektors erneuerbare Energien haben im Jahr 2020 und seit Beginn dieses Jahres eine ihrer stärksten Zunahmen verzeichnet. Der S&P Global Clean Energy hat seit Ende 2019 um rund 160 Prozent zugelegt, während der MSCI World um lediglich 22 Prozent gestiegen und der Energiesektor um mehr als 20 Prozent eingebrochen ist.
1. März 2021
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Die Aktien des Sektors erneuerbare Energien haben im Jahr 2020 und seit Beginn dieses Jahres eine ihrer stärksten Zunahmen verzeichnet. Der S&P Global Clean Energy hat seit Ende 2019 um rund 160 Prozent zugelegt, während der MSCI World um lediglich 22 Prozent gestiegen und der Energiesektor um mehr als 20 Prozent eingebrochen ist.

Ein solcher Höhenflug war schwer vorhersehbar, zumal es bei Windkraftanlagen, Solarpanels und anderen Technologien keine bahnbrechenden Neuerungen gab. Doch irgendetwas muss sich in der Wahrnehmung der Anleger geändert haben, um ein solches Kursfeuerwerk auszulösen. Aber was?

Zunächst gilt es festzuhalten, dass gemäß der Internationalen Energieagentur die Strommenge aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr um ungefähr 7 Prozent zugenommen hat. Dies mag wenig erscheinen, ist aber bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die weltweite Energienachfrage um 5 Prozent zurückgegangen ist. Der Marktanteil der erneuerbaren Energien ist somit also deutlich gewachsen.

Viel entscheidender aber ist, dass sich der Rückgang der Produktionskosten für Strom aus Solar- und Windenergie beschleunigt hat, sodass die Branche gegenüber fossilen Energieträgern konkurrenzfähiger wurde. In der Vergangenheit konnte die Rentabilität dieser Anlagen nur durch Subventionen sichergestellt werden. Doch dies ändert sich gerade, insbesondere bei der Solarenergie, deren Produktionskosten in den letzten zehn Jahren um mehr als 80 Prozent gefallen sind. Sie kann nun an gewissen Standorten im Wettbewerb mit fossilen Energieträgern auch ohne Subventionen bestehen und ist damit langfristig überlebensfähig.

Diese Veränderung der Marktdynamik wurde auch durch bestimmte Maßnahmen der Regierungen gefördert. So sieht der Wiederaufbauplan der Europäischen Union (EU) einen beträchtlichen Teil des Gesamtbetrags für grüne Energien vor. Zudem hat die EU die Vorgaben für die Senkung der Treibhausgasemissionen angehoben. Diese sollen bis 2030 neu um 55 Prozent gesenkt werden.

Erstaunlicher aber ist, dass China, das mit über einem Viertel des weltweiten Ausstoßes der größte Emittent von Treibhausgasen ist, bis 2060 klimaneutral sein will, wie Xi Jinping im letzten September verkündete. Ob dieses Ziel realistisch ist, sei dahingestellt, doch markiert diese simple Aussage einen Wendepunkt in der Einstellung Pekings zu dem Thema. Obwohl das Land weiter Kohlekraftwerke baut, lässt dieses beispiellose Versprechen ein neues Gleichgewicht in der chinesischen Energiepolitik erwarten, von dem die erneuerbaren Energiequellen profitieren dürften.

Und schließlich hat die Wahl von Joe Biden zur Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen geführt und lässt auf ambitionierte Maßnahmen hoffen. Die Rede ist von einem mehr als USD 2–000 Milliarden schweren Programm für die Energiewende. Erklärte Ziele sind die Klimaneutralität der Stromproduktion bis 2035, die Senkung der Verkehrsabgase und den Ausbau neuer Technologien wie der Wasserstoffenergie, die mittelfristig durch Bundeszuschüsse in Höhe von mehr als USD 400 Milliarden unterstützt werden dürfte.

Angesichts dieser Entwicklungen erstaunt es kaum, dass der Sektor der erneuerbaren Energien an der Börse so hervorragend abgeschnitten hat. Auch die Fundamentaldaten lassen sich sehen: Bei den Unternehmen, die wir in diesem Sektor verfolgen, lag das durchschnittliche Umsatzwachstum im Jahr 2020 bei 29 Prozent und dürfte den aktuellen Konsensschätzungen zufolge im Jahr 2021 24 Prozent betragen. Auch mit höheren Margen wird gerechnet.

Anleger mit einem guten Langzeitgedächtnis werden sich noch daran erinnern, wie die Solarenergie im vorhergehenden Konjunkturzyklus gebeutelt wurde. Nach einer Konkurswelle haftete dem gesamten Bereich jahrelang der Makel des Risikos an. Seither hat sich einiges geändert. Die Bekämpfung des Klimawandels hat für viele politische Entscheidungsträger mittlerweile Priorität. Die Branchenkonzentration hat zugenommen, sodass die marktführenden Unternehmen heute solider aufgestellt sind. Andere Dinge wiederum sind gleichgeblieben: Der Zyklus in diesem Industriezweig ist nach wie vor volatil und die Markteintrittsschranken sind – vor allem angesichts des erwarteten Wachstums – keineswegs unüberwindlich.

Wie dem auch sei, es lässt sich nicht bestreiten, dass das Jahr 2020 einen Wendepunkt markiert hat. Es ist der Anfang eines neuen Zyklus, vielleicht wird man sich aber auch allmählich gewahr, dass sich die Energieproduktion tiefgreifend wandeln kann. Die Energiewende hat endlich die technischen und wirtschaftlichen Hindernisse des letzten Jahrzehnts hinter sich gelassen.

Beitrag von Mathieu Nègre, Portfoliomanager, Leiter Schwellenländeraktien, Union Bancaire Privée

Mathieu Nègre — Foto: © Union Bancaire Privée

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