Ergreift die EZB neue Maßnahmen?

Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Wirtschaftslage und zunehmender Marktspannungen erwartet Franck Dixmier, Global Head of Fixed Income, keine neuen Maßnahmen von den Zentralbanken. Sowohl das FOMC als auch die EZB dürften ihre jeweiligen Sitzungen nutzen, die Auswirkungen der bisher ergriffenen Maßnahmen zu bewerten.
29. April 2020
Foto: © Martin Muniz - stock.adobe.com

Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden Wirtschaftslage und zunehmender Marktspannungen erwartet Franck Dixmier, Global Head of Fixed Income, keine neuen Maßnahmen von den Zentralbanken. Sowohl das FOMC als auch die EZB dürften ihre jeweiligen Sitzungen nutzen, die Auswirkungen der bisher ergriffenen Maßnahmen zu bewerten.

Ein außergewöhnlich hohes Maß an Unsicherheit dominiert die Situation. Das betrifft sowohl die weiteren Entwicklungen der Gesundheitskrise inklusive einer möglichen neuen Pandemiewelle als auch die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise. Die Zentralbanken — sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank (Fed) – haben bisher ihr Möglichstes getan. Innerhalb von zwei Monaten haben sie umfangreichere Maßnahmen ergriffen als während der globalen Finanzkrise (GFC) von 2008–2009. Sie haben bewiesen, dass “koste es, was es wolle” keine Grenzen kennt. Die EZB und die Fed verfolgen das gleiche strategische Ziel: die Gewährleistung einer reibungslosen Geldpolitik, damit Banken Unternehmen unterstützen können, ohne in Liquiditätsprobleme zu geraten. Waren die Banken während der globalen Finanzkrise das Problem, so sind sie jetzt Teil der Lösung.

 

Dazu haben die Zentralbanken weltweit in einer weiten Auslegung ihres Mandats und unter starkem politischen Einfluss massive Wertpapier-Kaufprogramme aufgelegt. Man kann den Grad ihrer Unabhängigkeit hinterfragen. Aber ihre Rolle als Kreditgeber der letzten Instanz führt dazu, dass sie den wachsenden Bedarf der Regierungen zu minimalen Kosten finanzieren, indem sie mit ihrem Druck auf die Märkte die Zinssätze niedrig halten. Die Unterscheidung zwischen Geld- und Fiskalpolitik war noch nie so verschwommen.

Wir gehen bei den bevorstehenden Treffen der EZB und der Fed im Umfeld schlechter Marktdaten und zunehmender Spannungen nicht von weiteren konkreten Ankündigungen aus. Aber die Krisendiagnose dürfte ebenso spannend werden wie die Analyse zur Wirksamkeit der bereits ergriffenen Maßnahmen.

Wir erwarten Christine Lagardes Ansichten über die Zuteilung von Asset-Käufen im Rahmen des 750 Milliarden Euro schweren Pandemie-Notkaufprogramms (PEPP) und Hinweise darauf, ob die  EZB in der Lage ist, noch weiter auf die Ausbreitung der Spannungen und die Probleme der fragilsten Staaten zu reagieren. Man darf nicht vergessen, dass die Krise die makroökonomischen Divergenzen in der Eurozone beschleunigt. Das Instrumentarium zur Bewältigung von Marktspannungen ist nach wie vor breit gefächert, und einige Ankündigungen zu Änderungen der PEPP-Parameter bezogen auf die Laufzeit — insbesondere seine Erneuerung im Jahr 2021 und eine mögliche Erhöhung des Finanzierungsniveaus – halten wir kurzfristig für wahrscheinlich.

Andere Maßnahmen, wie die aktive Kontrolle über die Renditekurve mit Zielvorgaben für 10-jährige Zinssätze — nach dem Beispiel der Bank von Japan — oder die stärkere Diversifizierung der Käufe unter Einbeziehung von Hochzinsanleihen, die über das erweiterte Spektrum mit sogenannten „Fallen Angels“ oder sogar Aktien hinausgehen, sind möglich, erscheinen uns aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht notwendig. Die Fed hat bereits neun Kreditprogramme aufgelegt. Es wird daher interessant sein, Jerome Powells Diagnose über die Wirksamkeit dieser allumfassenden Darlehen zu hören, mit denen verschiedene Segmente der Wirtschaft unterstützt werden sollen.

Die von den Zentralbanken Anfang März ergriffenen Maßnahmen sind bereits sichtbar. Nach einer beispiellosen Liquiditätskrise Mitte März, mit einem Volatilitätshöhepunkt und starken Spannungen auf dem Kreditmarkt, ist die Liquidität zurückgekehrt. Damit haben die Zentralbanken “tail”-Risiken an den Kreditmärkten neutralisiert und die Wiedereröffnung des Primärmarktes für Investment-Grade-Anlagen sowie eine Erholung des Hochzinsmarktes ermöglicht. Das gilt insbesondere in den USA, wo 70% der erlittenen Verluste schon wieder wettgemacht wurden. Auch der Risikoappetit ist zurück. Wir müssen aber vorsichtig bleiben. Während die Zentralbanken das kurzfristige Liquiditätsrisiko managen konnten, bleibt das Solvenzrisiko vor dem Hintergrund der steigenden Verschuldung sowohl bei Unternehmen als auch bei Staaten bestehen. (ah)

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