Durchaus noch Luft nach oben

Institutionelle Investoren haben schon längst den Nutzen von ETFs für sich und die Portfolioallokation entdeckt. Über die allgemeinen Marktaussichten und den mitunter harten Wettbewerb sprach INTELLIGENT INVESTORS exklsuiv mit Chris Hofmann, Senior ETF- Spezialistin für Deutschland und Österreich bei Vanguard.
29. Juli 2020
Chris Hofmann - Foto: Vanguard

Institutionelle Investoren haben schon längst den Nutzen von ETFs für sich und die Portfolioallokation entdeckt. Über die allgemeinen Marktaussichten und den mitunter harten Wettbewerb sprach INTELLIGENT INVESTORS exklusiv mit Chris Hofmann, Senior ETF-Spezialistin für Deutschland und Österreich bei Vanguard.

 

INTELLIGENT INVESTORS: Mit Blick auf das 20-jährige Jubiläum von ETFs in Deutschland. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus? Wie hat sich diese Assetklasse, auch im Vergleich zur ETF-Geschichte in den USA, entwickelt?

Chris Hofmann: Der ETF ist einfach ein tolles Instrument, der dem Privatanleger ermöglicht, transparent, kostengünstig und vor allem breit diversifiziert im Kapitalmarkt teilzunehmen. Der ETF bietet inzwischen einen solchen Zugang zu Preisen, die vormals nur großen institutionellen Investoren vorbehalten waren. Grundsätzlich muss der Sparer ein Gefühl für Kosten in der Geldanlage entwickeln, denn dies ist der einzige für ihn kontrollierbare Faktor. In Deutschland sind wir sicherlich noch etwas hinter den USA, aber ich bin optimistisch: Direktbanken zum Beispiel sind unglaublich spannende Vertriebskanäle und ein gutes Beispiel für den wachsenden Erfolg von ETFs. Das ETF-Wachstum bei Direktbanken lag zuletzt bei 68%. Die Zahl der ETF-Sparpläne wächst rasant, denn immer mehr Deutsche beginnen, diszipliniert langfristig in die Kapitalmärkte für ihre Altersvorsorge zu sparen und so die Chance zu erkennen, langfristig am weltweiten Wachstum der Wirtschaft teilzunehmen und von der Rendite zu profitieren.

INTELLIGENT INVESTORS: Im Gegensatz zu privaten Investoren haben institutionelle Anleger schon früh ETFs für sich entdeckt. Welche Gründe lassen sich hierfür anführen?

Hofmann: Gründe gibt es viele. Nicht zuletzt die hohen strukturellen Kosten. Deswegen lastet ein enormer Kostendruck auf der Industrie, der mehr und mehr Transparenz einfordert. Als Folge dessen wird insbesondere das Thema Indexing im institutionellen Markt weiter an Bedeutung gewinnen. Das bedeutet, dass institutionelle Investoren, wie sie richtig sagen, die Vorteile von ETFs früh erkannt haben.

Durch die Änderungen in der Regulatorik, so zum Beispiel Mifid II, wurde der ETF auf der Kostenebene wesentlich transparenter, gerade auch für den Privatanleger. Daher bestand ein zeitlicher Unterschied in der Annahme des ETF Angebots von Institutionen und Privatanlegern, aber heute kann man erfreulicherweise sagen, dass Privatanleger die Vorteile der ETFs voll nutzen können. Denn eins haben Institutionelle und Privatkunden gleich: Wenn Asset Manager, Vermögensverwalter oder Privatkunden heute eine wirklich saubere, günstige Ausrichtung benötigen, nutzen sie ETFs.

INTELLIGENT INVESTORS: Mittlerweile werden neue ETFs in rasantem Tempo begeben. Welche Bereiche sind derzeit unter den Investoren stark nachgefragt (z.B. Anleihen-ETFs, ESG)?

Hofmann: Natürlich ist das Thema ESG in aller Munde, und auch zurecht. Auch wir haben bereits drei Produkte am Markt – und die basieren alle auf dem Prinzip der Ausschlusskriterien. Wenn wir auf Statistiken schauen oder bei den Direktbanken nachsehen, wie viel Geld in Nachhaltigkeitslösungen investiert wird, ist das noch überschaubar. Desweiteren sehen wir große Nachfrage nach unseren breit diversifizierten Produkten wie unserem FTSE All World, der mit knapp 4000 Werten die Welt, also Industrie- und Schwellenländer, abdeckt. Auch auf der Anleihenseite sehen wir großes Interesse, so zum Beispiel an unserem Global Agregate Bond ETF, der fast 26000 Rentenpapiere abbildet. Die Kombination aus breit diversifizierten und langfristig orientierten Aktien- und Anleiheprodukten passt perfekt in unsere Vanguard-Denkweise.

Wichtig ist aber etwas anderes: Es werden natürlich immer neue Produkte kommen, ob sinnvoll oder nicht. Ich wünsche mir allerdings Disziplin industrieweit: Wir brauchen Produkte, die wirklich langfristig für Anleger sinnvoll sind. Nischenprodukte, die gegebenenfalls Liquiditätsengpässe mit sich bringen sind nicht zweckdienlich, und schaden dem Ruf des ETFs.

INTELLIGENT INVESTORS: Der Wettbewerb um Marktanteile wird energisch geführt. Glauben Sie, dass wir in den kommenden Jahren eine Konzentration unter den Anbietern sehen könnten?

Hofmann: Eine Konsolidierung im Asset Management Bereich können sie schon seit längerem in Europa und weltweit verfolgen. Das hängt damit zusammen, dass regulatorisch und auch kostentechnisch weiterhin ein großer Druck auf dieser Industrie lastet. Letztlich wird es entweder starke Nischenplayer geben, oder auf der anderen Seite große Player mit unheimlichem Skaleneffekten. Eine weitere Konsequenz daraus wird sein, dass der Anteil der passiven Player weiter wachsen wird.

INTELLIGENT INVESTORS: In die Zukunft geschaut – rechnen Sie mit weiterem Wachstum in den kommenden Jahren?

Hofmann: Absolut. Schauen Sie sich den prozentualen Wertanteil aller weltweit investierbaren Wertpapiere, die sich im Besitz registrierter Indexfonds befinden, an: da reden wir von circa 10%. Also ist da durchaus noch Luft nach oben. Gerade auch im deutschen Markt, mit weiterer Adoption von ETF-Sparplänen!

INTELLIGENT INVESTORS: Planen Sie, Ihre ETF-Palette weiter auszubauen?

Hofmann: Natürlich beobachten wir den Markt genau und schauen, welche Produkte für unsere Investoren passen. Aber schauen sie sich unsere Produktpalette an: wo Wettbewerber 300 haben, haben wir ein Zehntel davon – eben aus Überzeugung, dass unsere breit diversifizierten, langfristig orientierten, transparenten und auch kostengünstigen Bausteine die ideale Kernstrategie ist. Schlicht gesagt sind wir der festen Überzeugung, dass es zu viele Produkte im Markt gibt, und der Endanleger vielleicht sogar überfordert ist, eine für ihn passende Entscheidung zu treffen. Wie sagt man: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, und so bleiben wir unserer Kernbausteinphilosophie treu. (ah)

Foto: Chris Hofmann — © Vanguard

 

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