Droht eine Wiederholung des Taper tantrums von 2013?

In der Vergangenheit haben Erhöhungen des US-Leitzinses die Volkswirtschaften der Schwellenländer meist unter Druck gesetzt. Zuletzt sorgten sie für Volatilität bei Schwellenländeranleihen in lokaler Währung. Im Folgenden erklärt Peter Becker, Investment Director für Fixed Income bei Capital Group, warum das so ist und worin sich die Situation heute von der im Jahr 2013 unterscheidet.
5. Juli 2022
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In der Vergangenheit haben Erhöhungen des US-Leitzinses die Volkswirtschaften der Schwellenländer meist unter Druck gesetzt. Zuletzt sorgten sie für Volatilität bei Schwellenländeranleihen in lokaler Währung. Im Folgenden erklärt Peter Becker, Investment Director für Fixed Income bei Capital Group, warum das so ist und worin sich die Situation heute von der im Jahr 2013 unterscheidet.

Warum führen steigende US-Zinsen häufig dazu, dass Schwellenländeranleihen nachgeben?

„Das liegt daran, dass steigende Zinsen in den USA häufig mit einem stärkeren Dollar und schwächeren Schwellenländerwährungen einhergehen. Zudem sorgen höhere Zinsen in den USA in der Regel für eine geringere Zinsdifferenz zu den Schwellenländern, wodurch Anleger weniger Kompensation für das Risiko erhalten, das mit einem Schwellenländerinvestment einhergeht.

Auf der Grundlage unseres Modells zur fundamentalen Bewertung von Wechselkursen ist der US-Dollar derzeit überbewertet, und in Anbetracht der unterschiedlichen Wachstumsaussichten und Realzinsdifferenzen zwischen den USA und dem Rest der Welt wird dies wahrscheinlich noch einige Zeit so bleiben. Die Währungen der Schwellenländer hingegen sind aus unserer Sicht derzeit unterbewertet, wobei es bei einigen schnell wachsenden Volkswirtschaften zu einer gewissen Aufwertung ihres Wechselkurses gegenüber dem US-Dollar kommen könnte.

Allerdings sind die Zinsunterschiede zwischen den Schwellenländern und den Industrieländern nach wie vor vergleichsweise hoch. Die Zinsdifferenzen fielen 2020 zwar auf den niedrigsten Wert seit einem Jahrzehnt, stiegen jedoch 2021 wieder, als die Zentralbanken der Schwellenländer mit der Anhebung der Zinssätze begannen – entweder weil die Inflation aufgrund angespannter Arbeitsmärkte anzog (z. B. in Osteuropa und Russland) oder weil das Vertrauen in die Politik und die öffentlichen Finanzen unter Druck standen (z. B. in Lateinamerika). Sowohl die nominalen als auch die realen Zinssätze in den Schwellenländern sind seitdem gestiegen, insbesondere in den Ländern mit höheren Renditen, die in der Regel am anfälligsten für eine Straffung durch die Fed sind.“

Ein Großteil der Schwäche der Schwellenländeranleihen trat jedoch bereits vor den jüngsten Zinserhöhungen durch die Fed auf. Wie lässt sich das erklären?

„Schwellenländeranleihen in Lokalwährung neigen zu einem Abverkauf, sobald mögliche Zinserhöhungen der Fed vom Markt antizipiert und eingepreist werden, bleiben aber oft relativ stabil oder steigen sogar, wenn die Zinserhöhungen dann tatsächlich vorgenommen werden. Betrachtet man beispielsweise die Situation im Jahr 2013, dann zeigt sich, dass die meisten negativen Renditen für Schwellenländeranleihen in Zeiträume fielen, in denen eine restriktivere US-Geldpolitik diskutiert wurde, und nicht in die Zeit, in der die Leitzinsen dann auch wirklich angehoben wurden. So war die Rendite von EM-Anleihen in lokaler Währung während des Zeitraums der eigentlichen Zinserhöhungen von Dezember 2013 bis Oktober 2014 positiv und dies, obwohl das Wechselkurselement die Renditen nach unten drückte.“

Sind die Schwellenländer heute besser aufgestellt als 2013? 

„Grundsätzlich gilt: Die Anleihen von Ländern mit niedrigerem Rating und höheren Renditen reagieren in der Regel stärker auf steigende US-Zinssätze als die Anleihen von Ländern mit höherem Rating. Die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung der Schwellenländer sind heute höher als früher. Insgesamt liegt ihre Staatsverschuldung allerdings immer noch weit unter dem Niveau der Industrieländer und bleibt überschaubar. Zudem sind die Schwellenländer im Vergleich zu 2013 weniger auf ausländische Kredite angewiesen. Viele Schwellenländer haben die Laufzeiten ihrer Anleihen verlängert und zugleich sind weniger Lokalwährungsanleihen in der Hand ausländischer Investoren. Entsprechend ist das Risiko einer plötzlichen Umkehrung der Kapitalströme heute geringer.

Die Inflation in den Schwellenländern ist aktuell deutlich höher als 2013. Der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise hat die Beschleunigung der Teuerungsrate noch weiter verstärkt, die in den Unterbrechungen der globalen Lieferketten infolge der Pandemie ihren Ursprung hatte. Interessant ist, dass die Kerninflation in den Schwellenländern im Vergleich zu den Industrieländern moderat ausfällt. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Schwellenländer derzeit eine schwächere wirtschaftliche Erholung erleben, aber auch darauf, dass die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinssätze schon früher angehoben haben.

Die Außenbilanzen vieler Schwellenländer haben sich verbessert. Die coronabedingten Beschränkungen wirkten sich in den Schwellenländern stärker auf die Inlandsnachfrage aus als in den Industrieländern, wobei letztere in der Lage waren, umfangreiche Entlastungspakete zu schnüren, während unterbewertete Wechselkurse auch die Wettbewerbsposition der Schwellenländer verbesserten. Dies dürfte sich 2022 für Importeure von Rohstoffen aus Schwellenländern ändern, da sich die Inlandsnachfrage erholt und die Corona-Beschränkungen gelockert werden. Dennoch dürften die Leistungsbilanzdefizite kein großes politisches Problem darstellen, da die wirtschaftsstärkeren Schwellenländer ihre Importdefizite deutlich unter dem Niveau von 2013 (und dem Niveau von vor der Pandemie) halten werden und der erwartete Aufschwung des Tourismus die Lage der Schwellenländer verbessern dürfte.“

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