DLT Pilot Regime: Regulierter Wertpapierhandel auf der Blockchain

Die Entwicklung digitaler Kapitalmärkte hat einen neuen Meilenstein erreicht: Mit dem DLT Pilot Regime hat die EU eine „regulatorische Sandbox“ für den dezentralen Handel mit Krypto-Wertpapieren geschaffen. Das eröffnet Investoren und Vermögensverwaltern in Zukunft neue Möglichkeiten. Welche das sind und wie sich Finanzunter- nehmen jetzt darauf einstellen müssen, erläutert Jens Siebert, Partner im Bereich Financial Services bei KPMG.
22. Dezember 2022
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Wandel beim Wertpapierhandel

Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick auf den Krypto-Markt. Wer dort in Assets wie beispielsweise Bitcoin investieren möchte, geht dafür direkt an den Handelsplatz, zu Marktplätzen wie Coinbase, Kraken oder Etoro, und tätigt seine Geschäfte – ganz ohne Zwischenhändler. Was auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse also ein unerfüllter Traum bleibt, ist an dieser Stelle bereits Realität. Der Grund: Es gibt dort keine Vermittlerpflicht, wie sie am klassischen Finanzmarkt gilt. Gleiches wird mit dem Pilot Regime für DLT-Finanzinstrumente möglich, denn für den Handel solcher Wertpapiere wird es ebenfalls keine Vermittlerpflicht geben. Damit können Privatanleger zukünftig direkt an sogenannten DLT-Handeslplätzen (DLT-MTF) tokenisierte Wertpapiere kaufen und verkaufen.

Was für Privatpersonen und Retail-Kunden gilt, trifft natürlich auch auf Vermögensverwalter und institutionelle Investoren zu. Sie werden durch das DLT Pilot Regime die Möglichkeit bekommen, DLT-basierte Wertpapiere ihrer Kunden und Anleger direkt zu handeln. Sie können folglich aus eigener Hand ihrer Best-Execution-Pflicht nachkommen, ohne auf einen Broker angewiesen zu sein. Damit könnten sich durch den Wegfall der Vermittlerpflicht die Beziehungen zwischen Vermittlern, Depotbanken und Kunden fundamental verändern, inklusive der Frage der zukünftigen Hoheit über die Kundenschnittstelle.

Anlagestrategie als Programmcode auf der Blockchain

Für Vermögensverwalter und Asset Manager bieten DLT-basierte Wertpapiere weitere Chancen. Hintergrund ist auch hier die Tatsache, dass DLT-Wertpapiere programmierbar ausgestaltet werden können. Das bedeutet, Investoren und Vermögensverwalter könnten zukünftig “smarte Produkte” anbieten, die sich weitgehend automatisiert abwickeln. So sparen sie Zeit, Geld und Verwaltungsarbeit. Auf diese Weise ließen sich zum Beispiel ganze Anlagestrategien als sogenannte Smart Contracts abbilden, also als Programmcode auf der Blockchain.

Für individuelle Modelle mit optimierten Portfoliostrategien kommt diese Technologie zwar weniger in Frage. Demgegenüber könnten passive Investmentstrategien wie beispielsweise ETF-basierte Robo-Modelle auf der Blockchain relativ einfach nachgebaut und abgewickelt werden. Dank dezentraler Strukturen würde das nicht nur zu mehr Effizienz, sondern auch zu mehr Transparenz führen. In solchen dezentralen Investment-Strategien könnten Verwalter, Investoren oder Kunden jederzeit transparent und eindeutig die Performance nachvollziehen und würden eine vollständige Durchschau auf die zugrundeliegenden Assets erhalten.

Vermögensverwalter als Berater

Wertpapiere werden also zukünftig auch auf Blockchains gehandelt. Aber was bedeutet das für die Rolle von Vermögensverwaltern? Im ersten Schritt vor allem neue Möglichkeiten und potenziell neue Investmentlösungen für ihre Kunden. Vermögensverwalter sind daher gut beraten, sich für das Thema bereitzumachen. Schließlich geht es für sie auch immer darum, ihren Kunden ein möglichst breites Investitionsuniversum anzubieten – und das bedeutet, zukünftig auch Krypto-Wertpapiere in die Anlagestrategien zu integrieren. Darüber hinaus sind Vermögensverwalter auf einem automatisierten Finanzmarkt noch stärker als Berater gefragt. Nicht jeder Anleger liest sich in die Blockchain- und Krypto-Welt ein. Dennoch möchte er verstehen, was mit seinem Geld passiert.

Diese Lücke sollten Vermögensverwalter für ihre Kunden schließen. Neben der Technologie stehen aber auch zukünftig vor allem die Produkte und Anlagemöglichkeiten im Mittelpunkt – ganz egal, wo und wie sie begeben werden. Schlechte Wertpapiere bleiben schlechte Wertpapiere, egal ob klassisch verbrieft in einer Urkunde oder als Token digital begeben auf der Blockchain. Gleichzeitig ist ein gutes Asset auch weiterhin ein gutes Asset. Das zu erkennen und die Leistung, dahingehend zu beraten, steht auch zukünftig im Zentrum einer guten Vermögensverwaltung, unabhängig davon, ob die Wertpapiere ihrer Kunden über eine dezentrale Infrastruktur gehandelt werden – oder direkt an der Frankfurter Wertpapierbörse.

Autor: Jens Siebert
Partner im Bereich Financial Services
KPMG

Pages: 12

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