Die unerwarteten Folgen der Inflation

Inflation ist in aller Munde. Einige mögliche Folgen der Inflation werden dabei jedoch häufig übersehen. Welche das sind und was sie für Anleger bedeuten, erklärt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, im folgenden Kommentar.
14. Dezember 2021
Sebastien Galy - Foto: © Nordea AM

Inflation ist in aller Munde. Einige mögliche Folgen der Inflation werden dabei jedoch häufig übersehen. Welche das sind und was sie für Anleger bedeuten, erklärt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, im folgenden Kommentar.

1. Die Inflation könnte politische Instabilität zur Folge haben.
Steigende Inflation ist kein allzu großes Problem, solange private Haushalte über ausreichend große Ersparnisse verfügen. Sobald diese finanziellen Polster jedoch schwinden, reagieren die Menschen weniger entspannt. Sie beginnen sich zu fragen, wie sie ihre Transportkosten, Lebensmittel oder die Aktivitäten ihrer Kinder bezahlen können, wenn die Preise weiter steigen. Da das Lohnwachstum oft kaum mit der Inflation Schritt hält, wächst langsam, aber sicher die Verärgerung. Dies wirkt sich auch auf die politische Landschaft aus. Einige Menschen fordern dann eine restriktivere Geldpolitik und weniger Steuerausgaben. In den USA könnte bei den Parlamentswahlen im Herbst, den sogenannten „Midterms“, die Mehrheit im Kongress an die Republikaner fallen, was mit großer Wahrscheinlichkeit Haushaltskürzungen zur Folge hätte. In einer Wirtschaft, die aktuell auf Hochtouren läuft, sind solche Kürzungen nicht unbedingt ein Problem. Sie würden zudem den Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve zur Straffung der Geldpolitik mindern. In Europa spielt die Europäische Zentralbank (EZB) hingegen ein gefährliches Spiel. Sie setzt darauf, dass die Menschen ihr weiterhin vertrauen, und dies, obwohl beispielsweise der Immobilienmarkt extrem teuer ist, weil er mit billiger Liquidität überschwemmt ist.

2. Die Inflation könnte die Gewinne gefährden.
Die Sell-Side-Analysten gehen in ihren Gewinnerwartungen davon aus, dass deren Wachstum im nächsten Jahr weltweit, und insbesondere in den Schwellenländern, unter die 10-Prozent-Marke fallen wird. Diese Annahme gilt jedoch nur, solange die Verbraucher keinen Inflationsschock erleiden. Letzteres scheint in den Vereinigten Staaten allerdings bereits der Fall zu sein, wie eine aktuelle Umfrage des Wall Street Journal zeigt, in der die Inflation als Hauptsorge genannt wird. Da die Ersparnisse nach wie vor hoch sind, wirkt sich die Inflation noch nicht stark auf den Verbrauch aus. Sobald jedoch die Ersparnisse schwinden, dürften die Verbraucher zunehmend preisempfindlich reagieren, insbesondere wenn ihre Löhne nicht mithalten können. Dies dürfte für viele Beschäftigte in reifen Sektoren der Fall sein. Umgekehrt werden die Unternehmen immer weniger bereit sein, Löhne zu erhöhen, wenn sie von den Verbrauchern nicht länger den erwarteten Zuspruch in Form höherer Preise erhalten können. Es ist ein klassisches Henne-Ei-Problem: Wer hat die Preismacht? Die Verbraucher oder die Arbeitgeber? Die Antwort hängt weitgehend davon ab, wie angespannt der Arbeitsmarkt ist. Je länger wir warten und die Fed nicht handelt, desto mehr werden die Verbraucher höhere Löhne fordern, was zu einer Lohn-/Inflationsspirale führen wird.

3. Die Inflation könnte zu Übermut bei Unternehmen führen.
Eine weitere mögliche Folge der Inflation: Angesichts der noch immer starken Nachfrage und der Leichtigkeit, mit der sich die Preise nach oben anpassen lassen, könnten Unternehmen übermütig werden und Kredite für Investitionen aufnehmen, die sich möglicherweise nicht auszahlen. Denn die Nachfrage dürfte sich in den kommenden Jahren strukturell abschwächen. Gründe dafür sich die Überalterung der Gesellschaft, aber auch die Tatsache, dass viele Menschen wirtschaftlich am Rande stehen. Sie werden nicht ausreichend bezahlt, und das liegt zum Teil daran, dass die Produktivität nicht schnell genug steigt. Selbstüberschätzung ist ein Problem, bei dem die Unternehmensführer nicht alle verfügbaren Ressourcen nutzen, um zu einer rationalen Entscheidung zu gelangen. In diesem Fall sehen wir drei Möglichkeiten, wie Unternehmen den wirtschaftlichen Wandel, den wir gerade durchlaufen, falsch einschätzen könnten: 1. Sie gehen davon aus, dass wir in die Vor-Corona-Welt zurückkehren werden. 2. Sie missverstehen die Machtverschiebung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. 3. Sie schätzen die Zukunft falsch ein, weil diese, offen gesagt, ziemlich schwer einzuschätzen ist und sie möglicherweise die sich abzeichnenden strukturellen Kräfte wie ESG oder disruptive Technologien (z. B. Künstliche Intelligenz) nicht erkennen.

Was bedeutet das für Investoren?
Das „Gesetz der unbeabsichtigten Folgen“ und der Schwarzen Schwäne, wie wir es bei der Omikron-Variante gesehen haben, legt nahe, einige Vermögenswerte als sichere Häfen gegen das Unbekannte zu halten. Dafür eignen sich beispielsweise kurzlaufende, fremdfinanzierte Pfandbriefe.

Zudem gilt ganz grundsätzlich: Steigende Produktivität bedeutet theoretisch höhere Reallöhne, aber Produktivitätsgewinne begünstigen im Allgemeinen Aktienbesitzer. Es sei denn, der Arbeitsmarkt ist angespannt. Dann holen die Arbeitskosten manchmal auf. Die Produktivität dürfte in den kommenden Jahrzehnten rasch ansteigen, da sich der ineffiziente Dienstleistungssektor durch Automatisierung, Outsourcing, künstliche Intelligenz usw. ebenso wandelt wie einst das verarbeitende Gewerbe. Dieser Prozess, der durch neue Unternehmen und den Umbau bestehender Unternehmen vorangetrieben wird, beschleunigt sich stetig. Und auch wenn der Aktienmarkt aufgrund von übermäßigem Optimismus plötzliche Einbrüche erleiden kann, ist dies einer der säkularen Trends, auf den es sich zu setzen lohnt: Disruptive Technologien sind eine der wichtigsten Säulen der Zukunft.

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