Die stürmischen Zeiten an den Märkten sind noch nicht vorbei – doch es gibt auch Chancen

Das Jahr 2022 war dadurch gekennzeichnet, dass der Paradigmenwechsel – von einem deflationären zu einem inflationären Marktumfeld und von einer Ära des billigen Geldes zu einer Zeit mit höheren Zinsen – der bereits gegen Ende des Jahres 2020 eingesetzt hatte, sich weiter fortsetzte. Dies resultierte in einem der schlechtesten Jahre für die kombinierte Performance von Aktien und Anleihen seit einhundert Jahren. Historisch gesehen waren die Jahre 1931, 1937 und 2008 noch viel schlechtere Jahre für die Aktienmärkte, aber wenigstens wiesen Anleihen in diesen Jahren eine bessere Performance auf. Über die allgemeinen Marktverwerfungen hinweg haben spezielle Bereiche wie SPACs, Börsengänge, der Wachstums- und der Kryptomarkt geradezu einen Crash erlebt, der an das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 erinnert.
14. Februar 2023
Christopher Crawford - Foto: © Eric Sturdza Investments

Das Jahr 2022 war dadurch gekennzeichnet, dass der Paradigmenwechsel – von einem deflationären zu einem inflationären Marktumfeld und von einer Ära des billigen Geldes zu einer Zeit mit höheren Zinsen – der bereits gegen Ende des Jahres 2020 eingesetzt hatte, sich weiter fortsetzte. Dies resultierte in einem der schlechtesten Jahre für die kombinierte Performance von Aktien und Anleihen seit einhundert Jahren. Historisch gesehen waren die Jahre 1931, 1937 und 2008 noch viel schlechtere Jahre für die Aktienmärkte, aber wenigstens wiesen Anleihen in diesen Jahren eine bessere Performance auf. Über die allgemeinen Marktverwerfungen hinweg haben spezielle Bereiche wie SPACs, Börsengänge, der Wachstums- und der Kryptomarkt geradezu einen Crash erlebt, der an das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 erinnert.

Auch für das Jahr 2023 sind wir hinsichtlich der Wachstumsaussichten eher skeptisch eingestellt. Die hartnäckig hohen Inflationsraten und hohen Zinsniveaus wirken sich belastend auf Konsumenten und Unternehmen aus, vor allem auf kleinere Unternehmen und Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen, bei denen essentielle Ausgaben einen größeren Anteil des Budgets ausmachen. Wir gehen davon aus, dass die Inflation nicht so schnell sinken wird, da es sowohl strukturelle als auch verhaltensökonomische Ursachen dafür gibt. Es ist vorstellbar, dass die Zinssätze weiter signifikant angehoben werden müssen, um die Märkte wieder zu einem stabilen Gleichgewicht zurückzubringen. Es wäre keine Überraschung, wenn die langfristigen Anleiherenditen sich nach oben, in Richtung ihres historischen Durchschnitts, der bei rd. 6 Prozent liegt, bewegen, oder wenn die kurzfristigen Zinssätze auf ein Level angehoben werden müssen, das über der Inflationsrate liegt, um die Inflation in den Griff zu kriegen. Obwohl die Leitzinsen mehrmals angehoben worden sind, sind die realen Zinsraten noch immer negativ.

Viele Branchen sind im Stresstest

Das veränderte Marktumfeld mit höheren Zinsen setzt viele Unternehmen und Branchen unter Druck. Zum Beispiel könnten Unternehmen mit einem hohen Anteil an Fremdfinanzierung unter die Räder geraten. Der hohe Anstieg der Kreditkosten dürfte zu einer Abkühlung in der Autoindustrie und der damit verbundenen Zuliefererbranche führen. Auch der Immobilienbranche weht ein rauer Wind entgegen. Die toxische Kombination aus höheren Kosten für die Immobilienfinanzierung und die gestiegenen Wohnimmobilienpreise – letzteres ist bedingt durch eine Angebotsknappheit und spekulative Kapitalzuflüsse – hat dazu geführt, dass sich Menschen kaum noch den Kauf einer eigenen Immobilie leisten können.

Personalentlassungen in großem Stil sind das nächste heraufziehende Problem. Wir gehen davon aus, dass vor allem hoch bezahlte und qualifizierte Angestellte davon betroffen sein werden – so wie es sich gerade schon in der Tech-Branche abzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden aufgrund des billigen Geldes tausende von öffentlichen und privaten Ventures mit Investitionsvolumen in Höhe von hunderten Milliarden Euro aus der Taufe gehoben und weitere Billionen in deren Aktien investiert, was zum Teil von der Staatsseite unterstützt, aber auch von der Angst der Investoren, etwas zu verpassen (FOMO- Fear of Missing Out) getrieben wurde. Die inhärenten Erwartungen des Marktes trieben die neugegründeten Unternehmen dazu an, weiterhin spektakuläre Wachstumsraten anzustreben, um den eigenen Börsenwert zu untermauern. Um die eigene Wachstumsstory weiter zu füttern, wurde das Umsatzpotenzial immer höher angesetzt und Menschen mit atemberaubender Geschwindigkeit neu eingestellt. Macht und Einfluss eines Unternehmensteams wurden nicht mehr am Cashflow, sondern an der Teamgröße gemessen. Eine über den Techsektor hinausgehende Entlassungswelle würde sich dämpfend auf die Konsumlaune auswirken. Vor allem die Entlassung qualifizierter Arbeitskräfte, deren aggregiertes Kaufvolumen einen signifikanten Anteil am gesamten inländischen Konsum ausmacht, würde negative Konsequenzen für den Handel haben.

Schwieriges Marktumfeld generiert neue Anlageideen

Ein Marktumfeld mit verhaltenem Konsum und einer langwierigen Rezession würde wohl einen zweiten Bärenmarkt einläuten. Die Risikoaufschläge von Krediten würden sich ausweiten und Aktien könnten zu einem Verlustgeschäft werden, was für die Emittenten schlimmstenfalls zu einem Delisting an der Börse führen würde. Jedoch sehen wir in diesem schwierigen Umfeld auch Chancen. In unserem Portfolio halten wir Aktien von der auf Restrukturierungberatung spezialisierten Investmentbank Houlihan Lokey, deren Geschäft in einer Rezession Rückenwind erhält. Auch OTC Capital Markets, das den Hauptbörsenplatz für Micro Cap-Aktien betreibt, sehen wir als Gewinner. Bei attraktiven Unternehmen, die einen Geschäftseinbruch und Aktienbewertungsverlust erlitten haben könnten, verorten wir ebenso Chancen. Einige dieser Unternehmen haben Geschäftsmodelle mit Wachstumspotenzial und sind viel attraktiver, wenn sie mit dem 1- bis 3‑fachen Unternehmenswert/Umsatz gehandelt werden und nicht mit dem 20- bis 30-fachen. Bei einigen dieser Aktien könnte der Pessimismus seinen Höhepunkt erreicht haben und es könnte die richtige Zeit dafür sein, dass fokussierte Aktionäre und ein neues Management die Kosten senken und die Ressourcen neu ausrichten, um hohe Renditen bei den heute gedrückten Preisen zu erzielen.

Allgemein verfolgen wir bei der Aktienauswahl ein paar Grundprinzipien. Zum Beispiel halten wir nach Unternehmen Ausschau, die profitabel sind und Cash generieren. Auch solide Bilanzen, die finanzielle Flexibilität erlauben, sind ein gutes Zeichen. Unternehmen, bei denen das Top-Management und der Vorstand ihre Belohnung eher aus den Unternehmensaktien, die sie besitzen, als von ihrem Gehalt beziehen, was unserer Ansicht nach ein Anreiz für eine gute Geschäftsführung ist, halten wir ebenso gerne in unserem Long-Portfolio. Unternehmen hingegen, die keine Gewinne generieren und zur Finanzierung ihres Geschäfts vom Kapitalmarkt abhängen, hohe Schulden und ein wenig tragfähiges Geschäftsmodell aufweisen, sind potenzielle Short-Kandidaten.

Kommentar von Christopher Crawford, Fondsmanager des Strategic Long Short Fund bei Eric Sturdza Investments

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