“Die Opportunitäten im Markt haben sich im vergangenen Jahr erweitert”

Der Hochsommer neigt sich dem Ende zu. Ähnlich das Geschehen an den Kapitalmärkten? Wird es nun unruhiger und geht es mit den Kursen eher seitwärts oder nachhaltig abwärts? Welche Rolle spielt ESG heutzutage noch? Wie fällt der Blick auf die großen Regionen der Welt aus? Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria, Capital Group im Gespräch.
2. September 2024
Matthias Mohr - Foto: Copyright Capital Group

Der Hochsommer neigt sich dem Ende zu. Ähnlich das Geschehen an den Kapitalmärkten? Wird es nun unruhiger und geht es mit den Kursen eher seitwärts oder nachhaltig abwärts? Welche Rolle spielt ESG heutzutage noch? Wie fällt der Blick auf die großen Regionen der Welt aus? Matthias Mohr, Managing Director Financial Intermediaries Germany & Austria, Capital Group im Gespräch.

INTELLIGENT INVESTORS: Herr Mohr, angesichts der multiplen Krisen und schwächelnder Konjunktur, welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten?

Matthias Mohr: Trotz des jüngsten Wiederanstiegs der Volatilität bei Risikoanlagen erwarten wir weiterhin einen positiven Trend an den Aktienmärkten. Eine Kombination aus technologischer Innovation, Produktivitätssteigerungen und positivem BIP-Wachstum sollte dies unterstützen.

II: In den USA hat sich die Inflation im Juli leicht abgeschwächt. Eine Zinssenkung im September gilt als ausgemacht. Erwarten Sie kurzfristig mehrere Zinsschritte der Fed?

Mohr: Die weltweiten Zentralbanken haben den Inflationsschub weitgehend erfolgreich eingedämmt, das ist korrekt. Dennoch wird die Inflation wahrscheinlich auch weiterhin ein zentrales Thema der Geldpolitik in den USA und einigen anderen großen Volkswirtschaften sein. Die Zentralbanken haben aber bereits signalisiert, dass der Höhepunkt bei den Leitzinsen erreicht wurde.

II: Ob IWF, ifo oder ZEW – die deutsche Konjunktur lahmt und wir bilden Europas Schlusslicht. Wie ist es um Deutschlands Lage realistischerweise bestellt?

Mohr: Der konjunkturelle Abschwung hat Deutschland auf breiter Front getroffen, das steht ausser Frage. Dennoch sind wir der Meinung, dass manche Zahlen den tatsächlichen Zustand der deutschen Industrie etwas zu schwarzmalen. Das verarbeitende Gewerbe, weiterhin eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft, musste weniger zurückstecken als andere Branchen wie zum Beispiel das Baugewerbe oder der Einzelhandel. Jüngste Anstiege im Ifo-Geschäftsklimaindex lassen sogar die Vermutung zu, dass binnen der nächsten Monate die Produktion ansteigen könnte. Die aktuellen Lagerbestände deuten in diese Richtung.

Ein Risiko sehen wir in der Abhängigkeit Deutschlands vom Welthandel. Chinas schwache Konjunktur in Kombination mit den weiterhin hohen Zinsen ergibt ein kompliziertes Umfeld. Zwar nimmt die Abhängigkeit der deutschen Unternehmen von China ab, die Produktion ist aber weiterhin auf chinesische Importe angewiesen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Deutschland ohne Zweifel von entscheidender Bedeutung für die europäische Wirtschaft ist. Technologische Innovation, Handel und eine solide geopolitische Präsenz sind für das Gedeihen der EU unerlässlich – alles Aspekte für die Deutschland steht.

II: Endet die Tech-Ära? Wie nachhaltig erscheint die Rotation zu Substanzaktien?

Mohr: Die „Magnificent Seven“ (die sieben größten Technologie- und technologieverwandten Aktien in den US-Aktienindizes) haben weiterhin einen bedeutenden Einfluss auf die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) eines Index.

Der Unterschied besteht heute darin, dass Technologiewerte nicht mehr die einzige Dominante sind. Die Opportunitäten im Markt haben sich im vergangenen Jahr erweitert und umfassen nun auch Energie‑, Gesundheits- und Industriewerte sowie traditionelle wertorientierte und dividendenstarke Aktien.

Im Gegensatz zu den sechs Jahren davor, hat die Marktbreite seit Ende 2021 stark zugenommen. Auch die Renditen werden nun weniger von einer Handvoll US-Unternehmen dominiert, sondern sind gleichmäßiger über die ganze Welt verteilt. Es gibt also viele starke, langfristige säkulare Themen in Sektoren jenseits der Technologie.

II: Welche Anleihesegmente sehen Sie chancenreich?

Mohr: Die Kreditmärkte sind heute grundsätzlich investierbar, wobei sich die attraktivsten Möglichkeiten bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen und verbrieften Krediten bieten. Da die Zentralbanken die Zinssätze senken, dürften hochwertige Anleihen aufgrund von zwei positiven Kräften hohe Renditen erzielen.

Hochwertige festverzinsliche Wertpapiere bieten Anlegern in der Regel eine höhere Rendite als bargeldähnliche Anlagen. Über mehrere Jahre hinweg summiert sich dieser Renditevorteil zu einem erheblichen Vermögensunterschied für die Anleger.

Festverzinsliche Instrumente profitieren dagegen von Kursgewinnen wenn die Zentralbanken von Zinserhöhungen zu Zinssenkungen übergehen.

Indem sie auf dem Höhepunkt eines Zinszyklus investieren, können sich Anleiheinvestoren also attraktive Renditeniveaus sichern, die in der Regel über Jahre hinweg für hohe Erträge sorgen. Das derzeitige Umfeld bietet eine seltene Renditechance für Anleiheinvestoren. Die Anleiherenditen befinden sich nach wie vor in der Nähe der Höchststände des letzten Jahrzehnts; wer heute investiert, kann sich diese Renditen für die nächsten Jahre sichern. Wenn die Zentralbanken in den nächsten Jahren die Zinsen senken, würde dies den Anleiherenditen zusätzlichen (und wahrscheinlich erheblichen) Rückenwind verleihen. Im Gegensatz dazu ist ein fallendes Zinsumfeld negativ für Bargeldallokationen, da Zinssenkungen sofort auf eine sinkende Bargeldrendite durchschlagen.

II: Sind Hochzinsanleihen immer noch eine gute Wahl?

Mohr: Hochzinsanleihen bergen zwar ein gewisses Risiko, aber es besteht nicht wirklich die Sorge um die Fundamentaldaten, sondern eher die Sorge, dass die Bewertungen im Vergleich zu anderen Sektoren zu hoch geworden sind. Es stimmt, dass sich die Spreads verengt haben, aber sie bleiben in einem normalen Bereich für einen Zeitraum ohne Krise.

II: Wie lautet Ihr Rat an Investoren, um das Portfolio gegen Verluste und eine nachhaltige Abwärtsbewegung abzusichern?

Mohr: Die Botschaft an unsere Kunden lautet, dass sie eine Umschichtung aus den Barmitteln in Betracht ziehen sollten. Dieses Umfeld bietet immer noch Chancen für langfristig orientierte Anleger, die sich auf die Fundamentaldaten konzentrieren. Zeit im Markt und nicht Timing des Marktes ist der Schlüssel.

II: Welche Produkte werden bei Ihnen verstärkt nachgefragt bzw. stehen im Fokus?

Mohr: Der Wunsch nach langfristigen Ergebnissen ist nach wie vor ein wichtiger Punkt für die Kunden. Die Kunden wollen Zugang zu bewährten globalen und flexiblen Instrumenten, die sich an ein schwieriges Marktumfeld anpassen können. Unsere bekannte globale Aktienstrategie New Perspective, die letztes Jahr 50 Jahre alt wurde, ist ein gutes Beispiel für eine bewährte flexible globale Aktienstrategie, die seit über 50 Jahren relevant ist und ihre Benchmark im Durchschnitt um über drei Prozent pro Jahr nach Gebühren übertrifft.

Angesichts eines unsicheren Umfelds mit erhöhten Risiken kann eine aktive, defensive Strategie den Anlegern helfen. Der Capital Group Multi-Sector Income Fund (LUX) (MSI) beispielsweise kombiniert die Stärke von vier festverzinslichen Kreditsektoren — US-Investment-Grade- und US-High-Yield-Unternehmensanleihe sowie Schwellenländeranleihen und verbriefte Kredite- Der Fonds ist damit diversifiziert, flexibel und ausgewogen. Ein flexibler Multisektor-Ansatz kann Anlegern helfen, sich in einem komplexen Umfeld zurechtzufinden und gleichzeitig ein attraktives Ertragsniveau zu erzielen. Letztlich dürfte sich der Capital Group Multi Sector Income als attraktiv für Anleger erweisen, die einen stabilen Einkommensstrom aus den wichtigsten festverzinslichen Sektoren suchen, ohne übermäßige Risiken in einem einzelnen Sektor einzugehen.

II: Überall hört man, das vielschichtige Thema ESG sei deutlich in den Hintergrund gedrängt worden. Deckt sich das mit Ihren Eindrücken?

Mohr: In den letzten drei Jahren haben wir eine globale ESG-Umfrage durchgeführt. Die globalen Anleger bevorzugen weiterhin einen aktiven Ansatz mit Grundlagenforschung. Dies hilft bei der Identifizierung von Unternehmen mit glaubwürdigen Übergangsplänen, die für die weitere Einführung von ESG entscheidend sind.

Unsere Umfrage zeugt von einem wachsenden Interesse an themenübergreifenden Fonds, die eine breitere ESG-Abdeckung bieten und dazu beitragen, die Volatilität von Stilrichtungen zu neutralisieren. Darüber hinaus steigt das Interesse an ESG-Rentenfonds, da die Inflation zurückgeht und die Zinssätze ihren Höchststand erreichen. Es ist ermutigend zu sehen, dass langjährige Hindernisse für die Annahme von ESG, wie Daten und Definitionen, allmählich abgebaut werden. In dem Maße, wie die Anleger mehr über ESG erfahren, finden sie auch proaktive Wege, um die damit verbundenen Herausforderungen anzugehen.

II: Was dürfen wir in den kommenden Monaten Spannendes von Ihrem Hause erwarten?

Mohr: Unser Ziel bleibt der Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen mit dem Ziel, der weltweit aktive Investmentmanager zu werden, den Kunden bevorzugen. Der Schlüssel dazu ist eine kontinuierliche Investition in unsere Mitarbeiter, Produkte sowie unsere Marke.

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