Die NEO Economy: Eine neue Kategorisierung von Immobilieninvestments

Der Immobiliensektor wurde im vergangenen Jahrzehnt von tiefgreifenden demografischen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt. Dabei haben sich auch die Bedeutungen von Core- und Nischensegmenten verschoben. Während sich Logistikimmobilien zur beliebten Assetklasse mit stabilen Erträgen entwickelten, werden ehemals beliebte Sektoren wie Büro und Einzelhandel kritischer hinterfragt. Wie sollen Immobilieninvestoren mit der sich verändernden Landschaft Schritt halten?
13. Januar 2023
Foto: © Dr. N. Lange – stock.adobe.com

Der Immobiliensektor wurde im vergangenen Jahrzehnt von tiefgreifenden demografischen, technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt. Dabei haben sich auch die Bedeutungen von Core- und Nischensegmenten verschoben. Während sich Logistikimmobilien zur beliebten Assetklasse mit stabilen Erträgen entwickelten, werden ehemals beliebte Sektoren wie Büro und Einzelhandel kritischer hinterfragt. Wie sollen Immobilieninvestoren mit der sich verändernden Landschaft Schritt halten?

Es ist eine neue Kategorisierung von Assetklassen erforderlich, die über die Standardunterscheidung von klassischen und alternativen Nutzungsarten hinausgeht. Wir haben daher einen ganzheitlichen Ansatz entwickelt, der sich an den als New Economy, Essential Economy und Original Economy bezeichneten Anlagekategorien orientiert – kurz der NEO Economy.

New Economy – Urbane Logistik, Rechenzentren und Life Science

Die New Economy steht für Branchen, die von Technologien und sich verändernden Verbraucherbedürfnissen getrieben werden. Die urbane Logistik ist eine tragende Säule der New Economy und wird voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen. Der Online-Handel, dessen Wachstum durch die Pandemie nochmals beschleunigt wurde, sorgt für eine hohe Nachfrage nach urban gelegenen Logistikflächen. Der Wettbewerb um Marktanteile unter den E‑Commerce-Anbietern wird über Geschwindigkeit entschieden, was eine Verlagerung der Lieferketten näher an den Endverbraucher erfordert. In dicht besiedelten Städten ist der Wettbewerb um Bauland eine zentrale Herausforderung. Dies führt wiederum zu Wertsteigerungen und Mietwachstum. Außerdem werden sich mehrstöckige Lager- und Logistikgebäu‑de zunehmend durchsetzen. Diese sind in Asien bereits üblich, werden aber auch in Europa und den USA immer beliebter.

Digitalisierung und Technologie gewinnen immer mehr an Bedeutung. In diesem Zusammenhang sind Datenzentren sicherlich das wichtigste Segment. Fast 90 % der weltweit transferierten Daten wurden allein in den letzten drei Jahren generiert. Der Bedarf wächst aufgrund der beschleunigten Digitalisierung durch Cloud Computing, Remote Working und 5G-Technologie rasant. Früher als Infrastrukturinvestments eingestuft, wecken Rechenzentren heute auch das Interesse von Immobilieninvestoren.

Investitionen in Life-Sciences-Immobilien in den USA haben sich im Vergleich zu 2018 verdoppelt. Der Sektor gewinnt auch in Europa und Asien an Bedeutung. Die Pandemie hat das Interesse von institutionellen Investoren am Potenzial von Biomedizin, Forschung und Entwicklung (F&E) geweckt. Außerdem sind die Mieter in diesem Bereich in der Regel kapitalkräftig und bevorzugen längere Mietverträge. Für Immobilieninvestoren ergeben diese Faktoren eine robuste und defensive Ertragsquelle. Allerdings ist der Life-Sciences-Sektor oftmals stark reguliert und kostenintensiv in Bau und Unterhalt.

Als Teil der New Economy betrachten wir auch technologiebezogene Anlageformen wie F&E‑Parks und neu entstehende Einzelhandelsformate wie Dark Kitchens – also Küchen ohne Sitzplätze und Service, die für Lieferdienste produzieren. Aufgrund der schnell voranschreitenden Entwicklung ist für Immobilien der New Economy über den gesamten Lebenszyklus ein weitaus intensiveres Monitoring erforderlich. Strukturelle Treiber wie die Digitalisierung verändern sich zwar nicht über Nacht, Trends entwickeln sich jedoch weitaus schneller als in der Immobilienbranche üblich.

Essential Economy – Wohnen und Gesundheit sind Grundbedürfnisse

Zur Essential Economy zählen unverzichtbare, nicht-diskretionäre Nutzungsarten, die sich über mehrere Zyklen hinweg als besonders widerstandsfähig erwiesen haben. Wesentliche Wachstumstreiber sind häufig demografische Trends wie die Überalterung, der Aufstieg der Mittelschicht oder die Urbanisierung.

So erwies sich der Wohnimmobilienmarkt im Rahmen der Pandemie als besonders widerstandsfähig. Da Wohnraum zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählt, haben weder Pandemien noch technologische Entwicklungen oder die Globalisierung größeren Einfluss auf die Nachfrage nach Wohnflächen. Soziodemografische Faktoren wie schrumpfende Haushaltsgrößen und ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum sind in den meisten Städten der Welt schon lange ein Thema. Die Pandemie hat hier lediglich einen bestehenden Mangel aufgezeigt, der durch Private Real Estate behoben werden könnte. Ein gutes Beispiel hierfür ist Japan, das den größten institutionellen Markt für Mehrfamilienhäuser im Raum Asien-Pazifik aufweist. Obwohl die Bevölkerung des Landes schrumpft, sehen wir eine starke Nachfrage in wichtigen Metropolen wie Tokio und Osaka, die sich dem Trend des Bevölkerungsrückgangs widersetzen. Arbeitsstellen und hohe Lebensqualität sorgen dort für einen anhaltend hohen Zuzug.

Auch Assetklassen wie Fachmarktzentren, Convenience Einzelhandel, Gesundheitsimmobilien und Kühllager zählen wir zur Essential Economy. Die alternde Bevölkerung und die Liberalisierung des Privatversicherungswesens stellen wesentliche Wachstumstreiber für den Healthcare-Sektor (u. a. Krankenhäuser und Seniorenwohnanlagen) dar. Die Urbanisierung sorgt für eine hohe Nachfrage nach frischen Lebensmitteln und Medikamenten in Städten, für die wiederum eine lückenlose Kühlkette erforderlich ist.

Original Economy – Bewährte Sektoren mit Aufwertungspotenzialen

Zur Original Economy zählen klassische Marktsegmente wie Büro und Einzelhandel, die über eine hohe Liquidität verfügen und gute Wertsteigerungspotenziale aufweisen. Sie bieten Skaleneffekte und einfache Transaktionsprozesse. Durch die große Bestandsverfügbarkeit gibt es geringere Liquiditätsrisiken.

Der Abgesang auf die Büromärkte hat sich als verfrüht erwiesen. Insgesamt zeichnet sich jedoch ein struktureller Wandel hin zu hybriden Arbeitsmodellen ab. Büromieter legen immer größeren Wert auf erstklassige Immobilien, die ein attraktives Arbeitsumfeld für ihre Mitarbeiter bieten. Die Gebäudequalität wird zunehmend als genauso wichtig wie die Lage eingestuft. Wir beobachten diesen Fokus auf Qualität vermehrt.

Auch die Modernisierung älterer Objekte der Original Economy, insbesondere hinsichtlich Energieeffizienz und weiterer ESG-Merkmale, bietet große Potenziale. Wir schätzen, dass etwa die Hälfte der Investmentobjekte der Original Economy im asiatisch-pazifischen Raum mindestens zwanzig Jahre alt sind, insbesondere in Märkten wie Japan und Hongkong. Auch in anderen Regionen und Märkten gibt es einen hohen Anteil älterer Gebäude. Die Mieten in älteren Gebäuden liegen teilweise ein Drittel unter dem Mietniveau in Spitzenobjekten, so dass sich hier ein großes Wertsteigerungspotenzial bietet. Zudem trägt die Steigerung der Energieeffizienz von älteren Bestandsobjekten entscheidend zur Erreichung der Net-Zero-Ziele bei.

Investments in der NEO-Economy

Aufgrund der sich im Wandel befindlichen Branche ist die Verlockung groß, neuen Trends zu folgen und klassische Assetklassen aus dem Blick zu verlieren. Gleichzeitig entgeht Investoren das Wachstumspotenzial der New Economy, wenn sie diese als Nischenprodukte mit zu schwierigem Marktzugang abtun. Umfassende Kenntnisse der einzelnen Assetklassen und ihrer Merkmale sind entscheidend, um Chancen und Risiken in einem sich ständig wandelnden Umfeld abwägen zu können. Wir sind davon überzeugt, dass die NEO Economy in einigen Kategorien attraktive Investmentopportunitäten bietet.

 

Autor: Shaowei Toh
Head of Research and Strategy
Asia Pacific, Savills IM

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