Die EZB muss ihre neue Strategie umsetzen

Kommentar von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, im Vorfeld der EZB-Sitzung am 22. Juli 2021.
21. Juli 2021
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Kommentar von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, im Vorfeld der EZB-Sitzung am 22. Juli 2021.

Die geldpolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 22. Juli bietet Präsidentin Christine Lagarde die Gelegenheit, erneut die extrem vorsichtige Einstellung der Notenbank und die Absicht zu bekräftigen, die akkommodierende Geldpolitik beizubehalten. Trotz einer Lockerung der finanziellen Bedingungen im Mai infolge gesunkener Langfristzinsen stellt das Wiederaufflammen der Corona-Pandemie eine Bedrohung für die Wachstumsaussichten im Euroraum dar.

Die EZB-Sitzung ist aber auch mit Blick auf die am 8. Juli verkündeten Ergebnisse der Strategieüberprüfung wichtig, da die Bank nun ihren Fahrplan erläutern muss. Das Inflationsziel, das 2003 als „unter, aber nahe 2 Prozent“ definiert wurde, soll sich mittelfristig zu einem symmetrischen Inflationsziel von 2 Prozent entwickeln. Laut Christine Lagarde erfordert dies „energische und anhaltende geldpolitische Maßnahmen“, wobei es der Inflationsrate erlaubt ist, für eine „Übergangszeit moderat“ über dem Ziel zu liegen.

Da die EZB bisher nicht in der Lage war, ihrem Inflationsmandat gerecht zu werden, sind die noch anzukündigenden Detailinformationen ein Test für ihre Glaubwürdigkeit. Die einstimmige Verabschiedung der Strategieüberprüfung erklärt sich vermutlich durch die vagen Formulierungen, welche wiederum notwendig waren, um Differenzen innerhalb des EZB-Rates zu überbrücken. Indem sie in ihrer Strategieüberprüfung weiter geht als erwartet, tritt Christine Lagarde in die Fußstapfen von Mario Draghi. Aber sie wird bezüglich der umzusetzenden Maßnahmen voraussichtlich auf internen Widerstand stoßen. Daher werden Christine Lagardes Äußerungen zur Art und Weise, wie die Bank das neue Inflationsziel in der Praxis erreichen will, interessant sein. Folgende drei Schlüsselfragen sind hierbei zu beantworten:

  • Was bedeutet „beständige Geldpolitik“ („persistent monetary policy“)? Viele Instrumente, die zum Zeitpunkt ihrer Einführung als unkonventionell dargestellt wurden (Ankäufe von Vermögenswerten, TLTROs), sind mittlerweile fester Bestandteil des Instrumentariums der Zentralbank, und das PEPP läuft im März 2022 aus.  Werden neuen Programme aufgelegt, in welcher Höhe und für welche Dauer?
  • Wie groß ist der tatsächliche geldpolitische Handlungsspielraum bei einer Inflation von über 2 Prozent?
  • Was heißt „Übergangszeit“ konkret?

Die EZB-Politik wird sich zunehmend von der der US-Notenbank unterscheiden, die voraussichtlich Ende des Sommers ein Tapering ankündigen wird – also eine Rückführung des Anleihenkaufprogramme ab 2022. Sie befindet sich aber in völliger Interessengleichheit mit den Mitgliedsstaaten der Eurozone. Sehr niedriger Refinanzierungssätze in Verbindung mit mittelfristig höheren Inflationsaussichten, wenn die EZB ihr Ziel erreicht, sollten es den Staaten ermöglichen, ihre Schuldentragfähigkeit zu erhalten und die notwendigen Strukturreformen zur Steigerung des Potenzialwachstums in Angriff zu nehmen.

Die Marktreaktion auf die EZB-Strategieüberprüfung war moderat. Es scheint Konsens darüber zu bestehen, dass die Zinsen länger als erwartet sehr niedrig bleiben werden.

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