Der Zug der Nachhaltigkeitsregulierung rollt weiter voran

Im Jahr 2023 nimmt der europäische Regulierungszug im Bereich ESG (Environment, Social and Governance) weiter Fahrt auf. Die bestehende Architektur mit ihren Eckpfeilern EU-Taxonomie, Offenlegungs-Verordnung (Sustainability Financial Disclosure Regulation, SFDR) und Corporate Responsibility Directive (CSRD) nebst Annex- und Komplementärrechtsakten wird weiter ausgebaut, während sich am Horizont u. a. mit der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD oder CS3D) Umrisse von Erweiterungen in den Bereichen Soziales und Governance abzeichnen. Auch der Transformations- und Implementierungsprozess ist in vollem Gange und fordert nicht nur Branche und Investoren, sondern auch den Regulator selbst.
24. März 2023
Foto: © Bernd Meiseberg – stock.adobe.com

Strengere oder weitere Auslegung von LkSG und CS3D

Mit der Anwendbarkeit des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz seit Januar 2023 ist der deutsche Gesetzgeber bezüglich Sorgfaltspflichten nach vorne geprescht. Das verpflichtet Unternehmen, im Rahmen ihres Risikomanagements ihre gesamte Lieferkette auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu untersuchen. Das LkSG passiert die europäische Corporate Sustainability Due Dilligence Directive auf der Überholspur. Deren Entwurf ist von der Kommission zwar im Februar 2022 angenommen worden, wird seitdem jedoch im Parlament diskutiert, wobei zahlreiche Änderungsvorschläge diverser Ausschüsse eingingen. Strittig ist hier insbesondere, ob und in welchem Umfang Finanzunternehmen in den Anwendungsbereich einbezogen werden, denn diese unterliegen ja bereits den umfangreichen Anforderungen der Sustainable Finance Regulatorik. Nach der Abstimmung des EU- Parlaments im Mai 2023 werden die Gesetzgebungsorgane in den Trilog eintreten, bis zum Inkrafttreten dauert es somit noch eine ganze Weile. Im Vergleich zum LkSG soll die CS3D sowohl weiter als auch strenger ausfallen. Während das LkSG inländische Unternehmen ab einer Größe von 3.000, ab 2024 von 1.000 Mitarbeitern erfasst, sieht der Richtlinienvorschlag von vornherein einen Schwellenwert von 500 Mitarbeitern, kombiniert mit einem Umsatzerfordernis von 150 Mio. Euro vor, in Risikobrachen sind es sogar nur 250 Mitarbeiter. Neben der gesamten Lieferkette, also dem vorgelagerten Wertschöpfungsprozess, sollen auch Nutzer und Entsorger untersucht werden.

Ansonsten finden die ESG-Bereiche Soziales und Governance ihren Eingang in den Anforderungen zum Mindestschutz (minimum safeguards) der Taxonomie. Überdies ist die Kommission schon seit längerem vom EU-Parlament damit mandatiert, einen Bericht zur Erweiterung der Taxonomie um eine soziale Komponente vorzustellen. Dies ist bislang nicht erfolgt, was zuletzt im vergangenen September vom Sozialausschuss des EU-Parlaments (EESC) moniert wurde. Einer schriftlichen Anfrage aus Januar 2022 antwortete die zuständige EU-Kommissarin McGuinness, dass bisweilen keine „Timeline“ für einen Bericht über eine solche „sozialen Taxonomie“ bestehe.

Auch 2023 rollt der Zug der Nachhaltigkeitsregulierung somit weiter voran. Doch werden kritische Stimmen zum grundsätzlichen Transparenzansatz der Regulierung laut. Namhafte Klimaökonomen fordern statt ESG-Produkten volkswirtschaftliche Lösungen im großen Maßstab, etwa anhand eines globalen CO₂ ‑Preises. Insbesondere um eine hohe Akzeptanz des Green Deals auch für die Zukunft sicherzustellen, muss sowohl bestehende, als auch zukünftige ESG-Regulierung kritisch hinterfragt und weiterentwickelt werden.

Autor: Frank Dornseifer,
Geschäftsführer
Bundesverband Alternative Investments e.V. (BVAI)

 

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