Präsident Trump wird in den USA wohl durchregieren können. Der „red sweep“, also die Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses, zeichnet sich ab. Für die Kapitalmärkte hat sich dieses Ergebnis als Fanal erwiesen: Der Trump-Trade entfaltete sich in den letzten Tagen mit voller Wucht. Nicht nur notieren die US-amerikanischen Aktienmärkte an ihren Allzeithöchstständen, sondern auch Kryptowährungen erreichten Höchststände, allen voran der Bitcoin. Ist das jetzt das Zeichen, europäische Aktien im Portfolio weiter zu reduzieren?
Ziemlich klar ist, dass die Zeichen nun auf Protektionismus und stärkerer Abschottung der US-Wirtschaft über Zölle stehen. In der Energiepolitik dürften wir ein Comeback von Öl und Gas sehen – die Devise lautet nun wohl wieder „drill, Baby, drill“. Spiegelbildlich dazu wird die Klimapolitik wohl einmal auf links gedreht werden. Außerdem ist verstärkte Deregulierung der Wirtschaft zu erwarten, vor allem zugunsten von Banken. Zusammengenommen dürften diese Faktoren für eine Sonderkonjunktur für US-Unternehmen und ihre Aktien sorgen – und genau das antizipiert derzeit der US-Aktienmarkt. Die erwarteten Trump’schen Maßnahmen haben zu Kursgewinnen vor allem bei US-amerikanischen Tech‑, Industrie- und Ölunternehmen geführt.
Ob es zu mehr als einem riesigen Strohfeuer kommt, bleibt abzuwarten. Bereits im ersten Semester Wirtschaft lernt man, dass Zölle die Preise für Verbraucher erhöhen, den Wettbewerb verringern, Handelskonflikte verschärfen und letztlich das Wirtschaftswachstum hemmen können. Die Fokussierung auf inländische Produktion könnte kurzfristig Arbeitsplätze in den USA schaffen, jedoch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft gefährden. Zudem könnten steigende Zölle und Handelsbarrieren die Preise für Verbraucher erhöhen und die Inflation anheizen. Schließlich könnte eine unberechenbare Wirtschaftspolitik das Vertrauen von Investoren und Unternehmen untergraben, was zu einer erhöhten wirtschaftlichen Unsicherheit führen könnte.
Sofort spürbar war der neue Wind, der in den USA wohl wehen wird, derweil in Europa. Hier kam es direkt zu Kursverlusten gerade bei europäischen Industrieunternehmen. Sollte man die Veränderungen der Machtverhältnisse jenseits des Atlantiks zum Anlass nehmen, europäische Aktien abzustoßen? Zumindest ist es an der Zeit für eine sorgfältige Überprüfung. Zum einen ist eine noch höhere Diversifikation angeraten, um potenzielle Risiken durch protektionistische Maßnahmen und Handelskonflikte zu minimieren. Es könnte zudem sinnvoll sein, in Sektoren zu investieren, die von einer möglichen Deregulierung oder Steuererleichterung profitieren könnten, wie Technologie, Finanzwerte mit hohem Engagement in den USA oder Infrastruktur. Zudem sollten Anleger sich über die Auswirkungen von Zöllen und Handelsabkommen auf ihre bestehenden Investitionen informieren und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.
Ausdrücklich gewarnt sei aber vor zu einfachen Wahrheiten. Zwar mag die Klimapolitik unter Trump anders sein als die unter Biden. Doch auch ein Präsident Trump wird kein Interesse daran haben, die durch den Inflation Reduction Act angelaufenen Stimuli abzuwürgen. Besonders klar sieht man das an den großen Investitionen, die beispielsweise in riesige Wind- und Solarparks in den großen US-amerikanischen Flächenstaaten geflossen sind. Denn die meisten dieser Staaten sind von den Republikanern regiert. Man denke an Texas als prominentestes Beispiel. Und wenn hier weiter in erneuerbare Energien investiert wird, dann können davon auch europäische Unternehmen profitieren, wenn sie denn in den USA entsprechend produzieren.
Auch jenseits konkreter Einzeltitel gibt es gute Argumente, an einer signifikanten strategischen Allokation in Europaaktien festzuhalten. Der wichtigste Punkt sind die erheblichen Risiken, die mit der protektionistischen Wirtschaftspolitik Trumps einhergehen. Sollten diese schlagend werden, sind Anleger besser aufgestellt mit einem ausbalancierten Portfolio, das Europas Stärken zu seinem Vorteil nutzt. Denn auch in Europa gibt es eine Menge substanzstarker Titel mit erprobtem Geschäftsmodell, die auch in Krisenphasen ihre Erträge und Margen hoch halten können.