Die Hochzinsphase liegt noch nicht ganz hinter uns. Dennoch klart der Himmel etwas auf und eröffnet Möglichkeiten. Das gilt im Besonderen für die Immobilienbranche. In Wiesbaden nahm sich der Vorstandsvorsitzende der Commerz Real AG, Henning Koch, Zeit für ein Gespräch zu vielfältigen Themenaspekten.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Koch, die Zinserhöhungen der Vergangenheit haben insbesondere der Immobilienbranche zugesetzt. Nun haben sich die Rahmenbedingungen leicht zum Positiven verändert. Mit Blick auf Real Estate, hat sich das bereits positiv ausgewirkt?
Henning Koch: Gestatten Sie zunächst einen kurzen Blick zurück. Lange Zeit waren die Treiber für weiter steigende Preise intakt. Die niedrigen Zinsen, die Finanzierungen billig machten, sowie eine Vielzahl an Menschen, die keine Inflationsanstiege fürchten mussten und in Immobilien investierten. Der Ansturm auf Sachwerte war also sehr stark getrieben durch äußere Faktoren. Dann kam die Kehrtwende mit dem rasanten Zinsanstieg und den bekannten Folgen. Doch seit einigen Monaten springt der Transaktionsmarkt wieder an, und auch bei den Zinsen erkennen wir Licht am Ende des Tunnels. Ich würde daher, mit Blick auf die Deals in allen Segmenten, von einer nach langer Zeit wieder leicht zuversichtlichen Stimmung sprechen.
II: Sie sprachen gerade die Deals an. Können Sie uns das etwas erläutern?
Koch: Gerne. Nach dem jahrelangen Boom haben wir eine Konsolidierung und teilweise Neuordnung des Markts gesehen. Nicht wenige Marktteilnehmer verspüren einen hohen Verkaufsdruck, benötigen zusätzliche Liquidität und müssen Transaktionen tätigen, die in der Konsequenz die Immobilienpreise deutlich sinken lassen. Im gesamten Jahresverlauf sehen wir zunehmend auch wieder großvolumige Deals und das über alle Nutzungsklassen hinweg. Insbesondere Family Offices und High Net Worth Individuals (HNWI) nutzen die Gunst der Stunde und kaufen hinzu.
II: Nun hat die EZB die Zinsen erstmalig gesenkt. Was könnten weitere Zinsschritte bewirken?
Koch: In einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld ist die Senkung der Zinsen ein Signal an Märkte und Konsumenten, dass die Zentralbank bereit ist, unterstützende Maßnahmen zu ergreifen. Sie sendet damit ein Zeichen des Vertrauens in die Märkte. In der Folge wächst die Zuversicht und erleichtert die kurz- bis mittelfristige Planung. Eine weitere Zinssenkung könnte dazu führen, dass die Zinsen für Kredite, wie zum Beispiel Hypotheken, sinken. Die Immobilie als nachhaltige Wertanlage erscheint damit wieder attraktiver. Allerdings sehen wir die Auswirkungen dieser Maßnahmen immer erst nachgelagert, d. h. unser Optimismus ist noch eher zaghaft.
II: Welche Immobiliensegmente profitieren davon?
Koch: Opportunitäten gibt es über alle Segmente hinweg. Ich glaube, am Ende entscheidet wie immer Qualität und Lage. Premiumobjekte in Top-Lagen verkaufen sich immer. Randlagen haben es eher schwer, gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten.
II: In der Pandemie und der Zeit danach wurde viel über die Zukunft von Bürogebäuden diskutiert. Sind diese als Kapitalanlage eher „out“?
Koch: Das erkennen wir nicht. Natürlich gilt: Büro ist nicht gleich Büro.Als Investor muss man daher genau hinschauen und sich auf die Top-Lagen konzentrieren. In unserem hausInvest-Portfolio gehörten Büros in den vergangenen drei Jahren zu den Bestperformern. Dies liegt an der Lage- und Objektqualität in unserem Portfolio und dem Mietwachstum, welches wir für solche Objekte für unsere Anleger nutzen konnten. Natürlich haben sich die Bedingungen geändert. Themen wie New Work, ESG sowie Flexibilisierung der Bürowelt verändern Nutzeransprüche und Nachfragestruktur. Damit müssen Assetmanager umgehen. Es schmälert aber nicht grundsätzlich die potenzielle Attraktivität dieser Nutzungsart.
II: Sie haben das Kriterium ESG gerade erwähnt. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in der Immobilienwelt?
Koch: Die energetische Transformation ist unabdingbar und treibt viele Marktteilnehmer um. Wenn Sie heute eine Immobilie verkaufen wollen, schaut sich die Käuferseite die energetische Qualität genau an. Wir müssen uns immerhin vor Augen halten, dass der Gebäudesektor hierzulande für etwa 30 % der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Allerdings übersteigt die Nachfrage für erstklassige ESG-konforme Flächen das Angebot bei weitem.
II: Stichwort Renewables: Ein immer größerer Anteil des Stroms in Deutschland wird durch Erneuerbare Energien gedeckt. Wie nehmen Sie die Lage wahr?
Koch: Grundsätzlich befinden wir uns auf dem richtigen Weg. Der erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien stieg auf einen Anteil von mehr als 50% an der insgesamt eingespeisten Strommenge. Die Richtung stimmt, allein das Tempo des Fortschritts ist mitunter verbesserungswürdig. Das liegt unter anderem an den vielen bürokratischen Hürden. Wir sind der Meinung, dass Immobilien und erneuerbare Energien wirklich zusammengehören und erhoffen uns in diesem Zusammenhang vereinfachte Regularien. Die politischen Entscheidungsträger sind am Drücker, um der Klimawende zusätzlichen Rückenwind zu verleihen. Wir würden es daher auch ausdrücklich begrüßen, wenn offene Immobilienfonds endlich entsprechende Investments tätigen dürften.
II: Können Sie uns einige Details zum bisherigen Geschäftsverlauf 2024 mitteilen? Wie läuft Ihr Flaggschiffprodukt hausInvest bzw. klimaVest?
Koch: Natürlich ist das Marktumfeld herausfordernd, gerade für Immobilien. Dennoch sind wir mit dem Geschäftsverlauf zufrieden. Immerhin gab es in den mehr als 5 Jahrzehnten seit Auflage bereits mehrere Phasen, in denen es unser Flaggschiff hausInvest mit einem unsicheren, volatilen Umfeld zu tun hatte. Der Fonds hat eine offene Struktur; das bedingt Zu- und auch Abflüsse. Wichtig ist, dass er in Top-Standorten investiert ist, die von einer Abwärtsbewegung weniger oder gar nicht betroffen sind. Auf der anderen Seite entwickelt sich der klimaVest ausgesprochen gut, gerade weil er den Zugang zu einer zukunftsstarken Assetklasse ermöglicht. Der ELTIF ist breit gestreut und verspricht eine attraktive Rendite. Mittlerweile belaufen sich die AuM auf mehr als 1,5 Mrd. Euro.
II: Zum Abschluss: Sie haben Ihr Amt als CEO im Mai 2021 angetreten. Wie fällt Ihr Fazit nach 3,5 Jahren aus?
Koch: Ich habe das Ruder in turbulenten gesamtwirtschaftlichen Zeiten übernommen: die Pandemie, der Schreckenskrieg in der Ukraine und die gestiegenen Zinsen. In der Summe war das schon sehr herausfordernd. Doch auch diese Unwägbarkeiten haben wir im gesamten Team der Commerz Real mit Bravour gemeistert. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie resilient ein Haus organisiert ist. Mein Anspruch ist und bleibt, die Commerz Real zu einem führenden Anbieter für Immobilien und Infrastruktur zu entwickeln.