Der Studentenzeit entwachsen: Mikroapartments

Gewohnt wird immer. Die Frage lautet nach dem „Wie“. Denn der demografische und der gesellschaftliche Wandel gehen mit veränderten Erwartungen an die eigenen vier Wände einher. Gestiegene räumliche Mobilität, die anhaltende Tendenz zu kleinerer Haushaltsgröße und veränderte Erwartungen von Arbeitgebern betreffend Flexibilität sind nur einige der Faktoren, die dazu beitragen, dass sich neue Wohnformen etablieren. Das eröffnet auch Immobilieninvestoren neue Perspektiven.
13. Februar 2023
Barkha Mehmedagic (li.) und Christoph Bachem (re.) - Foto: © Commerz Real

Gewohnt wird immer. Die Frage lautet nach dem „Wie“. Denn der demografische und der gesellschaftliche Wandel gehen mit veränderten Erwartungen an die eigenen vier Wände einher. Gestiegene räumliche Mobilität, die anhaltende Tendenz zu kleinerer Haushaltsgröße und veränderte Erwartungen von Arbeitgebern betreffend Flexibilität sind nur einige der Faktoren, die dazu beitragen, dass sich neue Wohnformen etablieren. Das eröffnet auch Immobilieninvestoren neue Perspektiven.

Denn die Folge ist eine stetig steigende Nachfrage nach alternativen und flexiblen Wohnangeboten. Mikroliving-Konzepte decken diesen Bedarf und haben sich als neue Wohnform etabliert – nicht nur bei Studierenden. Auch Wochenendpendler, Monteure, Berater, Berufseinsteiger und alleinstehende „Best Ager“ schätzen temporäre, flexible und oft (teil-)möblierte Optionen am Wohnungsmarkt. Im Ergebnis ist inzwischen eine eigene kleine Subasset-Klasse entstanden, die sich in der „Initiative Micro-Living“ organisiert hat und sich auch unter Investoren zunehmender Bekanntheit und Beliebtheit erfreut.

Dem jüngsten Marktreport dieser Initiative von Ende 2022 zufolge sind Studierende mit rund 35 Prozent aller Mieter immer noch eine wesentliche Zielgruppe für Apartments, aber bei Weitem nicht mehr die einzige. Im Vergleich zum Herbst 2021 ist ihr Anteil unter den Mietern sogar um acht Prozentpunkte zurückgegangen; spiegelbildlich wächst die Bedeutung der anderen Mietergruppen – auch zahlungskräftigerer, wie der Marktreport mit Blick auf die Zunahme hochpreisiger Angebote feststellt.[1]

Energiepreisentwicklung und fallende Reallöhne beleben Nachfrage

Für entsprechend flexible Angebote sind diese Zielgruppen dazu bereit, Preisaufschläge zu bezahlen. Höhere Renditen als bei klassischen Wohnimmobilien machen das Segment aus Investorensicht attraktiv. Die Nachfrage nach kompakten Wohnungen werde sich aufgrund hoher Energiepreiskosten und fallender Reallöhne sogar noch verstärken, schreiben Ökonomen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in einer im August 2022 veröffentlichten Studie.[2]

Mitte 2022 erzielten Investoren im Mikroliving-Segment in den deutschen Top-7-Städten Spitzenrenditen von 3,46 Prozent, wie Marktdaten des Maklers CBRE zeigen.[3] Zum Vergleich: Beim herkömmlichen Wohnen lag die Spitzenrendite in den Top‑7 zu diesem Zeitpunkt bei lediglich 2,4 Prozent. Allerdings haben sich seither das Zins- und das Renditeumfeld deutlich verändert, die Renditeniveaus sind Nutzungsarten-übergreifend gestiegen. Bereits im ersten Halbjahr 2022 berichtete CBRE von einem leichten Anstieg um zehn Basispunkte beim Mikroliving.

Bandbreite der Konzepte

Mikroapartments haben in der Regel eine Wohnfläche von 15 bis 35 Quadratmetern. Dabei reicht die Bandbreite von eher hotelähnlichen bis hin zu wohnungstypischen Konzepten. So steht bei sogenannten Serviced Apartments häufig der gewerbliche Charakter im Vordergrund. Die Mietdauer reicht von wenigen Tagen bis hin zu maximal sechs Monaten. Serviced oder Furnished Accomodation nennt sich die wohnungstypische Alternative. Theoretisch ist die Mietdauer unbegrenzt, in der Praxis werden Serviced Accomodations in der Regel für einige Monate bis hin zu wenigen Jahren angemietet. Die Übergänge zwischen beiden Konzepten sind fließend.

Dafür müssen bei den entsprechenden Investitionen aber auch mehr Aspekte berücksichtigt werden. Folgende Kriterien stellen das Fundament für ein erfolgreiches Investment dar.

Die Lage muss zur Zielklientel passen

Nach wie vor unabdingbar ist eine fundierte Standort- und Lageanalyse. Mikroapartments funktionieren nur an Orten, die auf die Bedürfnisse des Zielpublikums abgestimmt sind: Eine erstklassige Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist besonders für Studierende von Bedeutung, ebenso wie die Nähe zur Universität. Arbeitnehmer sind dagegen weniger auf den ÖPNV angewiesen als vielmehr auf einen direkten Anschluss an Autobahn oder Flughafen. Beide Gruppen eint ihre Erwartung, Besorgungen des täglichen Bedarfs rasch erledigen zu können.

Investoren müssen daher klar definieren, auf welche Zielgruppe sie setzen: Steht die gewerbliche oder die wohnungsähnliche Nutzung im Vordergrund? Danach richtet sich die Bereitstellung entsprechender Service-Angebote: Fitnessbereich, Lounge, Concierge-Dienste, Stellplätze inklusive E‑Ladesäulen und abrufbarer Reinigungsservice dürfen bei der gewerblichen Nutzung nicht fehlen.

Digitalisierung hilft bei der Bewältigung der Fluktuation

Zudem müssen Investoren entscheiden, ob sie ein Betreibermodell wählen oder den laufenden Betrieb in Eigenregie übernehmen. Bei dieser Frage darf man den Aufwand, der durch Vermietung und Betrieb anfällt, nicht unterschätzen. Auf der anderen Seite steht dann das Betreiberrisiko.

Noch stärker als bei klassischen Wohnformen ist schließlich die Digitalisierung ein entscheidender Wettbewerbs- und Renditefaktor. Mit den anvisierten Zielgruppen geht eine höhere Fluktuation einher, wodurch der verwaltungstechnische Aufwand größer ist als im klassischen Wohnsegment. Deshalb müssen die Prozesse im Backoffice weitestgehend digitalisiert ablaufen – ein wichtiger Faktor, denn die häufigen Neuvermietungen mit kurzen Zeiträumen erlauben keine Verzögerungen im Ablauf. Je größer die Objekte, desto größer ist der Effizienzhebel, der mit digitalen Lösungen bewegt werden kann. Einige Anbieter nutzen bereits eigens entwickelte Apps, um die Kommunikation mit den Mietern zu erleichtern. Das spart Zeit, erhöht die Flexibilität und kann bei den Mietern zudem ein positives Nutzererlebnis erzeugen.

Fazit: Assetklasse mit Wachstumsperspektiven

Investoren erkennen, dass bei fundierter Standort‑, Wettbewerbs- und Zielgruppenanalyse Mikroapartments eine Assetklasse mit großem Potenzial darstellen. Das gilt übrigens auch für die soziale Komponente im ESG-Kontext: Schließlich werden besondere Wohnkonzepte für bestimmte Lebensabschnitte und Situationen bereitgestellt, beispielsweise für das Wohnen im Alter, während des Studiums oder für berufsbedingte Einsätze, die eine persönliche Anwesenheit unabdingbar machen. Bei entsprechender Positionierung können Anbieter gleichzeitig Communitys schaffen und den konventionellen Wohnungsmarkt entsprechend entlasten.

Die Corona-Pandemie, die im Mikroliving-Segment durchaus zu spüren war, bereitet den Betreibern keine Sorgen mehr; inzwischen habe sich die Lage weitgehend entspannt, berichtet der aktuelle IML-Marktreport. Die Auslastung liege wieder bei mehr als 90 Prozent und die Mieten seien im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 3,5 Prozent gestiegen – was etwa dem langjährigen Durchschnitt entspricht. Die nächste Herausforderung, vor der das Segment steht, sind dem Report zufolge die gestiegenen Nebenkosten, denn in der Regel bezahlen die Mieter einen festen „All-in“-Betrag, in dem die Nebenkosten durch einen Fixbetrag abgegolten werden. In der Regel dürften dauerhaft höhere Nebenkosten jedoch über kurz oder lang an die Mieter durchgereicht werden. Die hohe und weiterhin steigende Nachfrage nach Mikroliving-Angeboten spricht auf Dauer für eine vielversprechende Sub-Assetklasse.

Barkha Mehmedagic, Global Head of Institutional Sales and Group Treasury, Commerz Real

Christoph Bachem, Senior Investment Manager bei der Commerz Real

[1] https://initiative.bulwiengesa.de/micro-living/

[2] https://www.iwkoeln.de/studien/christian-oberst-iw-cube-compact-living-report-2022.html

[3] https://news.cbre.de/investmentmarkt-fuer-studentisches-wohnen-und-mikroapartments-trotzt-der-geopolitischen-lage/

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