Lange war es eher ruhig in der Herzforschung. Viele Entwicklungen der letzten Jahrzehnte richteten sich weniger auf die Heilung schwerwiegender Herzkrankheiten als auf die Optimierung bestehender Therapien. Dr. Andreas Bergmann und seine Partner vom deutschen BioTech-Unternehmen 4TEEN4 Pharmaceuticals möchten das mit einem neuen Wirkstoff gegen kardiogene Schocks ändern.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Dr. Bergmann, was ist DPP3 und welchen Einfluss hat es auf unsere Herzgesundheit?
Dr. Andreas Bergmann: DPP3 ist die Abkürzung für Dipeptidyl Peptidase 3, ein körpereigenes Enzym. Wir haben es in der Zusammenarbeit mit Universitäten als Schockursache identifiziert, welche von absterbenden Zellen freigesetzt wird. Reichert es sich im Blut an, zerstört es das Hormonsystem, welches für die Kreislauffunktion vital ist und führt ultimativ zum Schock. Die Folge: Organe werden nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, Organversagen, Multiorganversagen und Tod drohen. Mithilfe des Gegenmittels Procizumab, welches wir entwickeln, wollen wir die negative Wirkung von DPP3 neutralisieren.
II: Sie sind kein Unbekannter in der medizinischen Forschung, mit Ihrer ersten Firma Brahms haben Sie schon einen Bluttest zur Früherkennung von Sepsis entwickelt. Wie kamen Sie auf den kardiogenen Schock als nächste Aufgabe?
Bergmann: Man könnte sagen, dass die Früherkennungsforschung beim septischen Schock mich an diesen Punkt gebracht hat, da der Verlauf beider Krankheiten ähnlich ist. DPP3 spielt auch bei der Sepsis eine wichtige Rolle, weswegen wir hoffen, mit Procizumab den septischen Schock ebenfalls behandeln zu können. Außerdem geht es um eine große Gruppe, die von diesen Krankheiten betroffen sind. Jedes Jahr erleiden über 200.000 Menschen allein in den USA und Europa einen kardiogenen Schock, der bei mehr als der Hälfte tödlich endet. In Deutschland sterben jährlich etwa 100.000 Menschen an einem septischen Schock. Die Behandlungsmethoden führen selten zu einer Heilung und sind sehr invasiv. Der kardiogene Schock erfordert neue Ansätze – es ist unser Ziel, das Leben vieler zu retten und dafür neue Standards in der Intensivmedizin zu setzen.
II: Wie würde sich die Therapie mit dem neuen Wirkstoff von bisherigen Behandlungsansätzen abheben?
Bergmann: Das Herz-Kreislauf-System ist höchst komplex und der Respekt vor seiner Fragilität hat in der Vergangenheit zu wenigen revolutionären Innovationen geführt. Besonders in der Früherkennung und der frühzeitigen Behandlung gab es Durchbrüche, die Behandlungsmöglichkeiten wiederum blieben weitestgehend gleich. Man versucht die Herzfunktion mechanisch zu unterstützen, sprich, man verwendet intraortale Pumpen oder Herz-Lungen-Maschinen, damit der Kreislauf aufrechterhalten bleibt. Die Sterberate verringert man dadurch aber nicht. Sollte Procizumab so wirksam sein, wie erhofft – und momentan sehen wir dafür gute Hinweise – würde die Zufuhr des Wirkstoffs reichen, um den Kreislauf zu stabilisieren und die verheerende Wirkung von DPP3 im Blut auszusetzen.
II: Das klingt mehr als vielversprechend. Wie weit sind sie in der Entwicklung?
Bergmann: Wir haben unsere präklinischen Studien außerordentlich erfolgreich abgeschlossen, bei denen Procizumab erfolgreich zur Neutralisierung der DPP3 eingesetzt werden konnte. Darüber hinaus konnten wir bei drei Patienten mit schwerstem kardiogenen Schock erfolgreich behandeln. Kürzlich haben wir unsere Phase 1a klinische Studie mit gesunden Menschen erfolgreich abgeschlossen und die Sicherheit und Verträglichkeit des Wirkstoffs nachgewiesen. Im kommenden Schritt werden wir eine Studie mit bis zu 500 Patienten, die an einem kardiogenen oder septischen Schock leiden, durchführen, um die Wirksamkeit beim Patienten nachzuweisen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. In diesem Kontext bin ich froh, dass wir mit der Görlich-Familie einen starken Partner an unserer Seite haben, der die Realisierung unseres Vorhabens unterstützt und vorantreibt.
II: Herr Görlich, Sie haben Ihren Hintergrund eigentlich in der Immobilienwelt und haben dort im In- und Ausland investiert. Wie kam Ihr Familienunternehmen darauf, Herr Dr. Bergmanns Forschung finanziell zu unterstützen?
Hendrik Görlich: Wir haben Herrn Dr. Bergmann und das Potenzial seines Wirkstoffs auf einer Fachkonferenz in Berlin kennengelernt, wo beide auf große Begeisterung bei den anwesenden Kardiologen stießen. Die positive Einschätzung international anerkannter Experten brachte uns dazu, dass wir uns mit 4TEEN4 Pharmaceuticals tiefergehend auseinandersetzten – und uns letzten Endes überzeugten. Wir beteiligen uns direkt sowie über einen eigens dafür aufgelegten Fonds als Leadinvestor der aktuellen Finanzierungsrunde. Procizumab bietet unserer Meinung nach enormes Innovationspotenzial für die Herzmedizin und ist alleinstehend auf dem Markt.
II: Wie kann man sich diese Unterstützung genau vorstellen?
Görlich: Medizinische Forschung allgemein und Intensivmedizin im Besonderen werden von zahlreichen Herausforderungen und Entwicklungsrisiken begleitet. Hinzu kommt, dass 4TEEN4 auf einem medizinischen Gebiet Pionierarbeit leistet, auf dem bisher viele gescheitert sind. Daher braucht es Investoren, die erstens Vertrauen in das Management haben und zweitens Geduld mitbringen. Beides liefern wir. Wir sind überzeugt von der Technologie, die 4TEEN4 nutzt und entwickelt und wollen das Unternehmen dabei unterstützen, seine Mission voranzutreiben und Procizumab zur Marktreife zu führen.
II: Viele bahnbrechenden Entwicklungen haben ihren Ursprung in den USA. Wie stufen Sie den deutschen „Pioniergeist“ in diesem medizinischen Kontext ein?
Maximilian Görlich: Deutschland verfügt über eine dynamische Biotech-Szene, die sich oft abseits der großen börsennotierten Unternehmen entwickelt. Diese Stärke liegt in der hochqualifizierten wissenschaftlichen Expertise und der Fähigkeit, disruptive Technologien voranzutreiben. Allerdings fehlt es häufig an vergleichbaren Finanzierungsmodellen wie in den USA, wo Wagniskapital eine größere Rolle spielt. Projekte wie unser Spezial-AIF zeigen jedoch, dass auch hier innovative Lösungen möglich sind, um bahnbrechende Entwicklungen wie die Neutralisierung von DPP3 gezielt zu finanzieren und zur Marktreife zu bringen. Deutschland hat das Potenzial, Pionierarbeit zu leisten – die Herausforderung liegt darin, diesen Pioniergeist mit langfristigen Finanzierungsstrategien zu unterstützen
II: Aktuell wird wieder vermehrt über Insolvenzen geredet. Auch im Start-up-Bereich. Müssten die regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen für die Förderung einfacher sein?
Görlich: Die regulatorischen Anforderungen in Deutschland sind streng, was einerseits für hohe Sicherheitsstandards sorgt, andererseits jedoch die Innovationsgeschwindigkeit verlangsamen kann. Für Start-ups, insbesondere im Biotech-Bereich, ist es essenziell, Zugang zu Kapital und Förderprogrammen zu erhalten, die langfristige Entwicklungen ermöglichen. Maßnahmen wie der Ausbau staatlicher Förderungen und eine flexiblere Gestaltung regulatorischer Rahmenbedingungen könnten dazu beitragen, die Innovationskraft zu stärken und Insolvenzen zu vermeiden.
II: Wann dürften Sie nach jetzigem Stand die klinischen Studien abgeschlossen haben?
Bergmann: Wir bereiten derzeit eine umfassende Zulassungsstudie vor, die bis zu 500 Patienten umfassen wird. Wie erwähnt, soll diese Studie die Wirksamkeit unseres Antikörpers Procizumab bei kardiogenem und septischem Schock nachweisen. Nach aktuellem Planungsstand streben wir an, die klinischen Studien bis Ende 2027 abzuschließen, um anschließend die Marktzulassung zu beantragen. Es ist ein intensiver Prozess, der jedoch entscheidend ist, um sicherzustellen, dass unsere Therapie höchsten medizinischen und regulatorischen Standards standhält.
II: Wie sieht es mit potenziellen Nachahmern bzw. Wettbewerbern aus?
Bergmann: Die Ergebnisse sind durch umfassende Patente bis mindestens 2042 geschützt. Dies betrifft sowohl den Wirkstoff Procizumab als auch die Diagnostik, die wir entwickelt haben. Derzeit gibt es weltweit keine vergleichbare Therapie, die gezielt die Aktivität des Enzyms DPP3 neutralisiert. Dies verschafft uns eine Alleinstellung auf dem Markt.