Rückblickend war das erste Halbajhr an den Kapitalmärkten durchaus ansprechend. Viele Aktienkurse kletterten nach oben, wenngleich die Volatilität zugenommen hat. Mit Blick auf die anlaufende Sommersaison fragt sich, ob das so bleibt. „Trotz zwischenzeitlicher Sommergewitter: Die Chancen auf einen angenehmen Sommer am Kapitalmarkt stehen gut“, urteilt Thomas Meier, Porfoliomanager im Team Global Dividend bei MainFirst Asset Management. Er nennt sechs Faktoren, die in den kommenden Monaten das Wetter an den Börsen bestimmen werden:
- Gutwetter bei Konjunkturdaten: „Die Börsenkurse haben in den vergangenen Wochen neue Höchststände erreicht. Dennoch: Von sommerlichen Hochgefühlen war in der Breite nicht viel zu spüren. Es sind einzelne Titel und Sektoren, insbesondere der Technologiesektor in den USA, die den aktuellen Sommertrend ausmachen. Die Zeichen für einen sonnigen Aktiensommer stehen weiterhin gut: Die positiven Konjunktur- und Wirtschaftsdaten in Europa (Einkaufsmanagerindizes, Erwerbstätigkeit, überstandene Logistikprobleme, etc.) und eine eintretende Normalisierung in den USA, kombiniert mit verbesserten Refinanzierungsmöglichkeiten und ‑konditionen, dürften zu weiteren Höchstständen an den Aktienmärkten führen. Erste Lichtblicke gibt es zudem am Kapitalmarkt, wo seit Ausbruch des Ukrainekrieges und den rasant aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen der Notenbanken eine Eiszeit herrschte.“
- Anstehende Zinswende hebt die Stimmung: „Nicht nur die Fußball-Europameisterschaft hat zu einer euphorischen Stimmung bei den Marktteilnehmern gesorgt, auch die eingeleitete Zinswende der EZB ist positiv aufgenommen worden. Die Inflationsraten sind auf beiden Seiten des Atlantiks rückläufig, stellen die Notenbanken jedoch vor ein Dilemma: Erfolgen die Zinssenkungen verfrüht, droht ein Wiederaufflammen der Inflationsspirale aufgrund der robusten Wirtschaftsentwicklung. Das Resultat wäre eine schmerzhafte Korrektur an den Kapitalmärkten, vergleichbar mit einem starken Sonnenbrand. Zudem erschweren die Handelskonflikte mit China, die anstehende US-Präsidentschaftswahl sowie geopolitische Konflikte die Weitsicht der Notenbanken.“
- Politische Börsen sorgen für Sommergewitter: „Die Europawahlen haben den Trend hin zu rechtspopulistischen Parteien bestätigt, während die etablierten Parteien erhebliche Rückgänge zu verzeichnen hatten. In Frankreich hat der Wahlerfolg der rechten Partei um Marine Le Pen Staatspräsident Emmanuel Macron zur Auflösung des Parlaments und zu Neuwahlen im Juli bewegt. Das hinterlässt auch am Kapitalmarkt Spuren: Macron wird zwar bis 2027 im Amt bleiben, aber Marktteilnehmer fürchten legislativ verlorene Jahre bis zur nächsten Präsidentenwahl. Macrons Macht ist durch den Wahlausgang eingeschränkt. Zwar konnte ein Rechtsruck im Parlament verhindert werden, die neue Sitzverteilung macht es für den Präsidenten aber nicht einfacher. Zudem sorgen angesichts der aktuellen Staatsverschuldung von 110,6 Prozent (relativ zum BIP) die ausgabenfreudigen Fiskalprojekte der Parteien für Unbehagen. Zwar wird das Regieren im neuen Nationalkongress schwerfälliger, aber eine Staats- und Schuldenkrise ist nicht zu erkennen.“
- Anzeichen für Tauwetter bei Börsengängen: „Eine steigende Anzahl an Unternehmen strebt an die Börse, hierbei sind unter anderem die Börsengänge des Schweizer Dermatologiespezialisten Galderma und des deutschen Einzelhandelsunternehmens Douglas zu nennen. Insgesamt ist die Zahl der Börsengänge seit der Finanzkrise deutlich zurückgegangen. Allein innerhalb der OECD sind seit 2005 insgesamt über 30.000 Unternehmen von der Börse verschwunden. In der EU ist die Anzahl der börsennotierten Unternehmen bis zum Jahr 2020 um 39,7 Prozent gefallen. Die Pipeline an Börsenaspiranten sieht dennoch erfolgsversprechend aus, wobei die ausstehende Transaktion von Shein für geschätzte 58 Milliarden Euro ein Eisbrecher im Bereich E‑Commerce ist.“
- Neue Chancen für unterbewertete Unternehmen: „Im Allgemeinen ist neben den Börsengängen eine erhöhte Aktivität bei Unternehmensfusionen und ‑übernahmen (M&A) zu beobachten. Das M&A‑Niveau ist im zurückliegenden Jahr deutlich gesunken und eröffnet neue Potenziale für unterbewertete Unternehmen und ihre Anleger, insbesondere in Europa. International ist das M&A‑Transaktionsvolumen laut Bain & Company im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf 3,2 Billionen US-Dollar und damit auf den niedrigsten Wert seit einer Dekade gefallen. Somit stehen die Chancen gut für eine neue Übernahmewelle, von der Anleger profitieren können. Die Konsolidierung am Kapitalmarkt wird zunehmend von Private Equity forciert. Die Rekordeinnahmen bei den aufgelegten Private-Equity-Fonds haben laut McKinsey zu einem Kapitalstock von 3,7 Billionen US-Dollar geführt. Dieses Kapital wird über die nächsten Jahre investiert werden und eine neue Übernahmewelle an der Börse auslösen. Das fallende Finanzierungsniveau spiegelt sich bereits in den ersten Deals in Europa wider. Traditionelle Unternehmen wie Novartis konkurrieren um börsengelistete Unternehmen, wie der derzeitige Übernahmeprozess bei MorphoSys zeigt.“
- Kleine und mittlere Unternehmen stehen im Schatten: „Anleger sollten nicht nur nach sonnigen Plätzen Ausschau halten, sondern auch schattige Verweilmöglichkeiten in Betracht ziehen. Am Aktienmarkt fristen die Unternehmen mit kleiner und mittlerer Kapitalisierung derzeit ein Schattendasein. Sie werden mit einem durchschnittlichen Abschlag von 30 Prozent im Vergleich zu ihrer eigenen Historie der vergangenen zwei Jahrzehnte gehandelt. Dies war in Europa bisher der Zinswende und den schwachen Konjunkturdaten sowie den geopolitischen Unsicherheiten geschuldet. Nun zeichnet sich zumindest in den Bereichen Zinsen und Wachstum eine Trendwende ab. Das gibt Anlegern die Gelegenheit, in attraktive Geschäftsmodelle zu relativ günstigen Bewertungen einzusteigen.“