Laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen gibt es hierzulande rund 22.000 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Zu den Stiftungen privaten Rechts gehören etwa die Robert Bosch Stiftung, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Körber-Stiftung und viele andere.
Sinn und Zweck einer Stiftung ist relativ einfach dargelegt. Ein Stifter möchte sich langfristig für einen gemeinnützigen Zweck engagieren. Dazu bringt er sein Vermögen in eine Stiftung ein. Rund zwei Drittel der Stifter in Deutschland sind Privatpersonen, oft betätigen sich aber auch Organisationen als Stifter. Wer eine Stiftung errichtet, trennt sich für immer von seinem Vermögen. Die Stiftung legt das ihr übertragene Vermögen sicher und gewinnbringend an. Das gestiftete Vermögen selbst muss als Grundkapital der Stiftung erhalten bleiben. Soweit so gut. Die INTELLIGENT INVESTORS-Redaktion nahm diese Grundgedanken zum Anlass, mit Volker Malcharek, Key Account Manager Vermögensmanagement/Anlagestrategie im Deutschen Stiftungszentrum im Stifterverband, über die Herausforderungen im Stiftungsmanagement zu reden.
INTELLIGENT INVESTORS: Vor dem Hintergrund des aktuellen Marktgeschehens und des Zinstals, wie haben sich aus Ihrer Erfahrung die Anforderungen an das Stiftungsmanagement gewandelt?
Volker Malcharek: Das aktuelle Umfeld „zwingt“ Stiftungen, die aus stiftungsrechtlicher Sicht wichtige Relation von Kosten zu Er-trägen bei der Vermögensanlage stärker zu berücksichtigen, eine kosteneffiziente Vermögensanlage ist wichtig. Ferner müssen Stiftungen bereit sein, ihre Risikotoleranz an die Ertragserwartung anzupassen. Angesichts schrumpfender Renditen entwickeln Stiftungen zudem Strategien, wie sie mit ihrem Kapital selbst eine gemeinnützige Wirkung erzielen können. Ein weiterer Weg ist das Schärfen des Profils – konzentrieren sich Stiftungen idealerweise auf einen Förderaspekt, gewinnen sie an Schlagkraft.
II: Sie verfolgen die Maxime, das Stiftungsvermögen möglichst sicher anzulegen und planbare Erträge zu erwirtschaften. Hat der Begriff „Sicherheit“ angesichts geopolitischer Spannungen und Niedrigzins nicht einen richtungsweisenden Bedeutungswandel erfahren?
Malcharek: Rentenanlagen waren für die meisten Stiftungen in der Vergangenheit eine „sichere“ Anlage, weil planbare und vielfach oberhalb der Inflation liegende Erträge erzielt wurden. Doch diese Zeiten sind vorbei. Rentenpapiere mit guter Bonität werfen nur geringe positive oder sogar negative Renditen ab. Ein nennenswerter Zinsanstieg wird kurz- bis mittelfristig nicht erwartet; Renteninvestments sind mit Blick auf die Rendite nicht rentabel, werden aber wahrscheinlich, unter Sicherheitsaspekten, bei Krisen weiterhin gekauft. In volatilen Zeiten bietet vor allem eine breit diversifizierte Vermögensanlage Sicherheit – vor diesem Hintergrund entscheiden sich viele für Fonds, weil hier in eine Vielzahl von Anlageklassen, ‑regionen, Emittenten etc. investiert wird. Die Streuung wirkt risikomindernd. Auch der Stifterverband verfolgt diese Strategie und bietet das Pooling von Stiftungsvermögen in Spezialfonds an. Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass verstärkt in Sachwerte investiert werden muss, zu Lasten von „vermeintlich“ sicheren Rentenanlagen.
II: Wie gestaltet sich intern der Prozess zur Anlagepolitik? Mit welchen Kapitalverwaltungsgesellschaften arbeiten Sie beispielhaft zusammen?
Malcharek: Bei der langfristigen Ausrichtung der Anlagepolitik greift der Stifterverband auf die Expertise eines übergeord-neten Anlagebeirates – bestehend aus Persönlichkeiten führender Finanz- und Wirtschaftsunternehmen – und dessen Netzwerke zurück. Die Anlagepolitik des Stifterverbandes ist bankenunabhängig und berücksichtigt die speziellen Bedürfnisse von Stiftungen, wie etwa Anforderungen des Stiftungsrechts wie das Kapitalerhaltungsgebot und die Erwirtschaftung angemessener Erträge. Die Umsetzung der Anlagepolitik und taktische Anpassungen erfolgen ausgelagert durch Kapitalverwaltungsgesellschaften in Spezialfonds-Mandaten. Das Pooling von Stiftungsvermögen in Spezialfonds bietet auch kleineren und mittleren Stiftungen den Vorteil, Chancen an den Kapitalmärkten optimal zu nutzen und Risiken breiter zu streuen. Zudem profitieren investierte Stiftungen von niedrigen institutionellen Kostenstrukturen, etwa durch geringe laufende Fondskosten und keine Ausgabe-/Rücknahmegebühren. Der Bereich Vermögensmanagement im Stifterverband ist Bindeglied zwischen dem Anlagebeirat und den Kapitalverwaltungsgesellschaften. Aktuell arbeiten wir mit 8 Kapitalverwaltungsgesellschaften zusammen. Unterm Strich bietet das Vermögensmanagement im Stifterverband Stiftungen so eine professionelle und kosteneffiziente Vermögensanlage.
II: Welche Bedeutung messen Sie dem Risikomanagement bei?
Malcharek: Das Risikomanagement ist überaus wichtig. Schließlich sind die Anzahl von Krisen und das Ausmaß von Kapitalmarktschwankungen in den vergangenen 10 bis 15 Jahren stark gestiegen. Deshalb erwarten Stiftungen ein Risikomanagement, auch wenn viele aufgrund ihres unendlich langen Anlagehorizontes Volatilitäten an den Finanzmärkten aushalten können. Das Risikomanagement ist neben der Diversifikation ein Grundpfeiler der Anlagepolitik des Stifterverbandes. Wir setzen dabei auf dynamische Wertsicherungs- und Wertsteigerungsstrategien, um Opportunitäten globaler Kapitalmärkte zu nutzen und Risiken, sprich kapitalmarktbedingte Schwankungen, zu managen.
Foto: © Sven Lorenz