Defensive Professionals sollten sich nicht vom „Prinzip Hoffnung“ leiten lassen

13. April 2020
Thorsten Mohr, Argentum AM

In welchem Rendite-Risiko-Korridor entwickeln professionelle Investoren ihre Strategic Asset Allocation? Bei der Risikoeinschätzung kommt es aber aktuell auf mehr als auf einige kurzfristige Kennziffern. Besonders geopolitische Entwicklungen mit langfristigem Einfluss müssen beobachtet werden.

 

Professionelle Investoren stehen mehr denn je vor einer schwierigen Situation in ihrer Investmentstrategie. Sie müssen zur Erfüllung ihrer Zwecke kontinuierliche Renditen erwirtschaften – aber Zinspapiere sind weiterhin keine Alternative, und klassische Sparkonzepte wie Tages- und Festgeld sind ebenso de facto Geschichte. Dazu kommen die Negativzinsen, die immer Bankhäuser an ihre Kunden mit hohen Einlagen weitergeben. 0,5 Prozent Kosten sind dabei die Regel, und in Kombination mit einer durchschnittlich kalkulierten Inflation von 1,5 Prozent wird das in Liquidität gehaltene Vermögen jährlich um rund zwei Prozent in seiner Kaufkraft beschädigt. Nach zehn Jahren beträgt der sichere Verlust also fast 20 Prozent. Für Investitionen in Anleihen gilt eigentlich der gleiche Befund. Die Zeit, in der substanzstarke Staats- und Unternehmensanleihen einen sicheren Hafen geboten haben, sind längst vorbei.

Aber was tun institutionelle Investoren, die Geld treuhänderisch und aufs eigene Buch anlegen, jetzt? Wie gehen sie bei der Identifikation von Anlagen um, um ihrem jeweiligen Rendite-Risikoprofil gerecht zu werden – und wie kommen sie überhaupt zu ihren Risikoeinschätzungen und wie wirken sich diese auf das Investmentgeschäft aus?

Aktien sind auch bei defensiven Institutionellen angekommen

Natürlich, die Profis wissen: Für den Vermögenserhalt und die gleichzeitige Generierung von Ausschüttungen sind Investments in die Finanzmärkte weiterhin alternativlos. Nur hier lassen sich noch attraktive Renditen erzielen. Ein breit gestreutes Aktienportfolio im DAX wiederum bei einer Einmalanlage und einem 20-jährigen Anlagehorizont erbrachte beispielsweise historisch im Mittel 8,9 Prozent Rendite pro Jahr. Das hat das Deutsche Aktieninstitut errechnet.

 

Auch wenn sich so mancher institutioneller Anleger noch immer schwer damit tut, in Aktien zu investieren: Mittlerweile haben die meisten Professionals erkannt, dass es riskanter ist, nicht in Aktien zu investieren, als es zu tun, sodass Aktien als wichtigste Anlageklasse immer mehr zum Einsatz kommen.

Nun versteht es sich aber natürlich auch von selbst, dass die individuelle Risikoeinschätzung professioneller Investoren keine reine Frage der Anlageklasse sein kann. Vielmehr kommt es darauf an, im Rahmen der Strategic Asset Allocation übergeordnete Risiken für die einzelnen Anlageklassen zu erkennen und diese bestmöglich untereinander einzudämmen. Und diese Risiken sind aktuell besonders in geopolitischen Sondersituationen zu suchen, auf die die Investmentstrategie reagieren muss.

Corona-Virus: Beispiel für völlig unwahrscheinliches Risiko

Als völlig unterschätztes Risiko hat sich beispielsweise eine gefährliche Epidemie wie das Corona-Virus herausgestellt. Neben der Vielzahl von Betroffenen hatte die Massenerkrankung auch erhebliche Folgen auf die Wirtschaft mit starken Rückgängen auf die internationalen Indizes. Experten hatten schon früh vermutet, dass der Corona-Virus der (chinesischen) Wirtschaft größeren Schaden insgesamt zufügen kann als der Ausbruch der Sars-Epidemie 2003. Der Ausbruch des Corona-Virus hat einmal mehr gezeigt, dass Anleger und Berater den Finger jederzeit am „Abzug“ haben müssen, um schnell auf Verwerfungen reagieren zu können – denn diese Verwerfungen können aus ganz unwahrscheinlichen Richtungen kommen. Wie eben eine Epidemie.

 

Auch können die Folgen des Brexit weiterhin nur erahnt werden. Fest steht aber wohl, dass es zu erheblichen Unsicherheiten und damit Risiken für die Kapitalmärkte kommen kann. Vor allem geht es dabei um die Frage, ob es ein Handelsabkommen geben wird – dieses war im Frühling noch nicht in Sicht. Und nicht zuletzt bestehen Sorgen vor der US-Präsidentschaftswahl im November. Die Chancen auf eine zweite Amtszeit Donald Trumps sind nach dem schnell abgeschmetterten Impeachment-Verfahren recht groß. Es ist davon auszugehen, dass in seiner zweiten Amtszeit die Stärke der Börsen eine eher untergeordnete Rolle spielen und andere Ziele im Fokus stehen werden.

Aktienquote bei defensiveren Mandaten geringhalten

Das sind wesentliche Faktoren für die Risikoneigung institutioneller Investoren und sollten eine wesentliche Rolle bei den Anlageentscheidungen einnehmen. Konkret bedeutet das, die Aktienquote gerade bei defensiveren Mandaten gering zu halten und zeitnah auf Verwerfungen reagieren, um Rückschläge an den Aktienmärkten schnell und beherzt zu begrenzen. Das „Prinzip Hoffnung“ ist für defensive Professionals definitiv kein guter Ratgeber. Dafür ist die Allokation in defensive Werte mit geringer Volatilität wichtig, die sich beispielsweise in einer ausgewogenen Gewichtung zwischen Total Return-Konzepten, Renten- und defensiven Mischfonds sowie Nachrang‑, Unternehmens- und Hochzinsanleihen.

 

Der Fokus in der individuellen Risikoeinschätzung muss darin liegen, die jeweiligen Notwendigkeiten in der Geldanlage genau herauszuarbeiten. Wie viel Ausschüttungen werden zur Zweckerfüllung benötigt und wie hoch ist meine Verlustschwelle? Daraus ergeben sich die Strategic Asset Allocation und die benötigen Produkte und Anlageklasse für den Erfolg im fest definierten Rendite-Risiko-Korridor. Die Risikoeinschätzung lässt sich daher nicht an einer bestimmten Kennziffer (Volatilität, Maximum Drawdown o.ä.) festmachen, sondern ist das Ergebnis eingehender Analysen und Prüfungen. Wichtig ist, ohne Scheuklappen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Foto: Thorsten Mohr, ©Argentum Asset Management

 

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