Das Property-Management muss eigene ESG-Standards schaffen

Einen einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard sucht man in der Immobilienbranche nach wie vor vergeblich – auch mehr als ein Jahrzehnt, nachdem die ersten Green-Building-Zertifikate ausgestellt wurden. Investoren und Projektentwickler können sich zwischen europäischen und US-amerikanischen Zertifikaten oder für eine Doppelzertifizierung entscheiden. Als wäre das nicht unübersichtlich genug, gibt es jeweils auch noch verschiedene Qualitätsstufen: Sie reichen zum Beispiel von Bronze über Silber und Gold bis hin zu Platin. Die Kriterien für die Zertifizierung sind mit der Zeit anspruchsvoller geworden – bei einem vor fünf Jahren Platinum-zertifizierten Gebäude würde es heute oft nicht mal mehr für Gold reichen. Und für Bestandssanierungen gelten wiederum andere Kriterienkataloge als für den Neubau.
15. September 2022
André Vollbach

Einen einheitlichen Nachhaltigkeitsstandard sucht man in der Immobilienbranche nach wie vor vergeblich – auch mehr als ein Jahrzehnt, nachdem die ersten Green-Building-Zertifikate ausgestellt wurden. Investoren und Projektentwickler können sich zwischen europäischen und US-amerikanischen Zertifikaten oder für eine Doppelzertifizierung entscheiden. Als wäre das nicht unübersichtlich genug, gibt es jeweils auch noch verschiedene Qualitätsstufen: Sie reichen zum Beispiel von Bronze über Silber und Gold bis hin zu Platin. Die Kriterien für die Zertifizierung sind mit der Zeit anspruchsvoller geworden – bei einem vor fünf Jahren Platinum-zertifizierten Gebäude würde es heute oft nicht mal mehr für Gold reichen. Und für Bestandssanierungen gelten wiederum andere Kriterienkataloge als für den Neubau.

Oft entscheidet der Property-Manager

 Einen klaren Leitfaden, nach dem sich Property-Manager im deutschsprachigen Raum richten müssen, bieten die Zertifikate aber nicht. Das Mindestmaß für Nachhaltigkeit hingegen steht fest, dieses bilden die Offenlegungs- und die Taxonomieverordnung der EU sowie die Baugesetzgebung in Deutschland. Dennoch ist der regulatorisch festgelegte ESG-Rahmen ziemlich dehnbar und wenig verbindlich.

Dabei ist es nicht nur die Aufgabe des Fonds- und Asset-Managements, die Verordnungen umzusetzen. Die eigentliche Nachhaltigkeitswirkung erzielen Tag für Tag die Property-Manager. An ihnen liegt es, ob und wie die ESG-Ziele im Einzelnen erreicht werden sollen – sowohl mit konkreten Maßnahmen im alltäglichen Betrieb als auch in der übergeordneten Unternehmensstrategie. Dabei empfiehlt es sich, nicht nur das geforderte Mindestmaß einzuhalten, sondern idealerweise den stetig zunehmenden Regularien mehr als nur einen Schritt voraus zu sein.

Die größte Hürde: mangelnder Dialog

Inzwischen gibt es Rückenwind beim Thema nachhaltige Immobilien. Viele Investoren kommen nicht mehr darum herum, weil die Nebenkosten so stark steigen und damit die Belastung für die Mieter. Doch um konkrete Effekte zu erzielen, ist ein sehr enger und produktiver Austausch zwischen Property- beziehungsweise Vermietungsmanagement, Eigentümer und Mieter nötig. Beispielsweise sind Verbrauchsdaten äußerst wichtig für die Optimierung des Energiemanagements. Dennoch ist die Bereitwilligkeit der Mieter, Daten zu ihrem Verbrauch preiszugeben, eher niedrig – sie berufen sich auf den Datenschutz oder auf ihre berufliche „Privatsphäre“.

Insgesamt stehen den Mietern und den Property-Managern zudem immer noch viele bürokratische Hürden im Weg. Ein Beispiel: Bauliche Maßnahmen für einen geringeren Wasserverbrauch sind vielen Fällen so gut wie unmöglich. Denn der Mieter darf keine baulichen Änderungen ohne Zustimmung des Eigentümers vornehmen. Umgekehrt muss der Eigentümer den Mieter an der Entscheidung beteiligen, damit auch diejenigen Maßnahmen durchgeführt werden, die eine wirkliche Einsparung bringen.

Mieter und Eigentümer reden in Deutschland jedoch oft nicht ausreichend miteinander. Hierbei kommt dem Property-Manager also eine wichtige Mittlerfunktion zu.

Das Potenzial liegt in der Datengrundlage

Wie könnten nun aber die nächsten Schritte hin zu mehr Einheitlichkeit aussehen? Auch hier kann das Property-Management eine Schlüsselrolle einnehmen. Denn selbst wenn mit den Green-Building-Zertifizierungen und der EU-Taxonomieverordnung unterschiedliche Systematiken nebeneinander existieren, die sich nur teilweise überschneiden: Die dafür nötigen Datengrundlagen bezüglich der Strom- und Wasserverbräuche und der Abfallmengen sind einheitlich. Daher ist es umso wichtiger, eine Vielzahl von Informationen digital zu sammeln und zu bündeln. So steigt auch die Transparenz: Property-Manager sammeln und speichern seit einigen Jahren Daten zentral, die früher ungeordnet auf Objektebene vorlagen.

Diese Datengrundlage wird – trotz der eingangs erwähnten Herausforderungen – immer umfangreicher, beispielsweise durch die Installation von Smart-Metering-Systemen. Inzwischen ist aber bei vielen Objekten ein zeitlicher Vergleich über die Jahre hinweg möglich. Die tägliche Management-Arbeit wird auch dadurch einheitlicher, dass Rahmenverträge mit Betreibergesellschaften üblicherweise gebündelt abgeschlossen werden. Dies ermöglicht zugleich eine größere Flexibilität im Investoren-Reporting: Die Daten können auf Knopfdruck abgerufen werden und lassen sich so einfacher unterschiedliche Anforderungen anpassen.

Hinzu kommt, dass Initiativen wie GRESB und ECORE unterschiedliche Immobilienportfolios in Bezug auf Nachhaltigkeit miteinander vergleichbar machen wollen – und sich damit auch die Arbeit des Property-Managements transparenter bewerten lässt. Über solche Initiativen lassen sich auch Skaleneffekte nutzen: Maßnahmen im Pulk umsetzen oder Erfahrungswerte austauschen, damit nicht bei jedem Immobilienportfolio wieder von null angefangen werden muss.

Fazit: Vieles könnte mit einem branchenübergreifenden Wissensschatz erreicht werden. Selbstverständlich will niemand über Unternehmensgrenzen hinweg seinen Wettbewerbsvorteil aufgeben. Doch es spricht nichts dagegen, wenn Kollegen ihr Wissen teilen und Erkenntnisse austauschen, ohne konkrete, selbst entwickelte Systeme aufzugeben.

Dafür braucht es keine große Konferenz – ein solcher Austausch ist auch in kleinen Gesprächsrunden möglich. Damit würden Property-Manager genau das machen, was sie immer machen: Die Dinge selbst in die Hand nehmen. Am besten in Verbindung mit den Expertinnen und Experten für Zertifizierungen.

Beitrag von André Vollbach, Geschäftsführer, HIH Property Management GmbH, Hamburg

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