Wo stehen wir und was erwartet uns im kommenden Jahr? Viele Fragen, die II-Chefredakteur Alexander Heftrich mit dem Chefvolkswirt der ARAMEA Asset Management AG, Felix Herrmann, Mitte November besprach. So hat er beispielsweise zur Schuldenbremse hierzulande und dem Erstarken des US-Dollar eine klare Meinung.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Herrmann, die Welt ist im steten Wandel. Wie fällt Ihr Blick Mitte November auf die Märkte aus?
Felix Herrmann: Wir stellen fest, dass die Weltordnung unvorhersehbarer und volatiler geworden ist im Vergleich zur Vergangenheit. Eine stärkere, sich manifestierende Fragmentierung in unterschiedliche geopolitische Blöcke ist sichtbar. Auf die Kapitalmärkte projiziert waren und sind die Vereinigten Staaten das Zugpferd der Weltwirtschaft. Europa hinkt weiter hinterher und China fällt als Impulsgeber und zusätzlicher Wachstumsmotor seit geraumer Zeit aus bzw. bleibt hinter den Erwartungen zurück.
II: Sie sprachen die USA an. Trump macht es noch einmal, die Wirtschaft läuft gut, die Inflation fällt. Das in der Vergangenheit angenommene Szenario einer harten Rezession ist auch in diesem Jahr ausgeblieben.
Herrmann: Ja, die US-Wirtschaft präsentiert sich in robuster Verfassung. Es sind mehrere Gründe, die für die USA und deren Leistungsstärke – auch im Vergleich zu Europa – sprechen. In der Vergangenheit wurden einige fiskal- und geldpolitische Maßnahmen ergriffen, um der Wirtschaft zusätzlichen Rückenwind zu verleihen. In der Summe wurde das Wachstum und insbesondere auch die Konsumtätigkeit angekurbelt. Zusätzlich wurde die Beschäftigung hochgehalten; der Arbeitsmarkt bleibt auch aktuell in guter Verfassung. Parallel dazu stellen die USA auch langfristig die richtigen Weichen und sind bezüglich strukturellen Trends tonangebend in der Welt.
II: Die Vereinigten Staaten bleiben „the place to be“?
Herrmann: Hinsichtlich der Aktienmarktentwicklung waren und bleiben die USA die Zugmaschine. War es in den vergangenen Jahren in erster Linie die eindeutige Dominanz der Tech-Aktien, so haben wir in den vergangenen Monaten eine größere Marktbreite gesehen. Und mit Blick nach vorne könnten insbesondere Aktien des Small/MidCap-Segments weiter aufholen bzw. die Pace angeben.
II: Worauf führen Sie das zurück?
Herrmann: In den vergangenen Jahren haben sich Small Caps schwergetan und deutlich unterdurchschnittlich abgeschnitten. Generell gilt jedoch, dass Small/Mid Caps gut für ein Aufschwungsphase positioniert sind, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen in den USA nicht verschlechtern oder sogar noch verbessern, die Inflation weiter nachlässt und die Zinssätze fallen. Das gilt natürlich nur für das mittlere und kleinere US-Aktiensegment, da die Vorzeichen auf dem europäischen Kontinent andere sind.
II: Wie steht es denn aktuell um Europa?
Herrmann: Europa ist ein sehr heterogenes Gebilde. Nach wie vor nimmt die EU im internationalen Konzert eine bedeutende Rolle im Welthandel ein. Die wichtigsten Handelspartner sind die USA und China. Dabei sieht sich Europa einigen massiven Herausforderungen gegenüber. Der demografische Wandel ist ein Beispiel. Schon jetzt befinden wir uns mitten in einem Umfeld schrumpfender Erwerbsbevölkerung mit den entsprechenden Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum. Das wächst auch aktuell nur bescheiden. Für das laufende Jahr gehen die Experten von einem Wachstum der Wirtschaft der Staatengemeinschaft von 0,9 % aus. Für 2025 wird mit einem Plus von 1,5 % in der EU gerechnet.
II: Ein paar Worte zu Deutschland. Das Aus der mit großen Erwartungen gestarteten Ampel-Koalition nach 3 Jahren hat dann doch überrascht. Doch wie stehen wir wirtschaftlich da?
Herrmann: Die deutsche Wirtschaft steckt fest. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern zeichnet sich bereits seit einigen Jahren ab. Die Industrieproduktion ist rückläufig, zuletzt die massiven Sorgen in der Automobilindustrie. Es ist ein Büdel an Faktoren wie zu wenig Investitionen, zu viel Bürokratie und mitunter auch zu hohe Standortkosten, die wie Mehltau über dem Land liegen. So verliert Deutschland in Europa und international weiter an Anschluss. Die wachsenden Existenzsorgen spiegeln sich auch im Anstieg der Insolvenzen wider. Eine schwierige Gemengelage.
II: Müsste da nicht ein Ende der Schuldenbremse beschlossen werden?
Herrmann: Fakt ist, der jährliche Investitionsbedarf ist gewaltig. Das dogmatische Festhalten an der Schuldenbremse lähmt statt zu helfen. Insofern sind die Forderungen nach einer flexibleren Schuldenbremse mehr als berechtigt. Ob sich dafür allerdings die notwendigen parlamentarischen Mehrheiten im Bundestag finden, ist aktuell sehr schwer zu sagen. Pragmatisches Denken wäre in der momentanen Lage angebracht, damit Deutschland im internationalen Konzert nicht weiter zurückfällt.
II: Reisen wir nach Asien. China, lange Zeit eher gemieden, scheint für den Augenblick wieder etwas Rückenwind bekommen zu haben. Nur ein kurzes Intermezzo?
Herrmann: Die politischen Entscheidungsträger haben unlängst beschlossen, massiv Geld in die Hand zu nehmen, um den Lokalregierungen des Landes bei der Bewältigung ihrer Schuldenprobleme zu helfen. Auf den ersten Blick klingt das gut. Doch es bleibt abzuwarten, ob diese Impulse und Unterstützungsmaßnahmen ausreichen, um Chinas Wirtschaft auf einen stabilen Wachstumskurs zu führen. Da gibt es berechtigte Zweifel. Für das größte Problem, den am Boden liegenden privaten Konsum, zeichnet sich aktuell aber keine Lösung ab. Auch die anhaltenden Sorgen am Immobilienmarkt drücken die Stimmung. Hinzu kommen die angekündigten Importzölle der Trump-Administration, die das chinesische Wachstum gefährden. Damit nicht genug. Peking kämpft mit strukturellen Herausforderungen, beispielsweise der zunehmenden Überalterung.
II: Die ARAMEA AG steht insbesondere für die Expertise im Rentenbereich. Beispiel Nachranganleihen. Wie ist das Segment im nun ablaufenden Jahr gelaufen?
Herrmann: Vergleicht man einzelne Rentensegmente im Jahresverlauf, so lässt sich ein Zusammenhang klar erkennen. Je höher der Risikoaufschlag, desto besser die Performance. Hier konnten wir mit unserem Aramea Rendite Plus überzeugen. Allgemein stehen viele Unternehmen heute besser da und haben in der Vergangenheit ihre Bilanzen bereinigt.
II: Abschließend ein Wort zum US-Dollar.
Herrmann: Die Trump-Wahl hat für einen Auftrieb im US-Dollar gesorgt. Die Stärke des Greenback wird anhalten und die Parität ist mehr denn je ein realistisches Szenario.