Neue Regierung und alte Sorgen? Wie ist es um Deutschland und den USA derzeit wirtschaftlich bestellt? Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, beantwortet der Chefredaktion die Fragen der Zeit.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Walk, zunächst der Blick auf Deutschland. Die Regierung ist im Amt. Welche Erwartungen haben Sie an die Neuauflage der GroKo?
Edgar Walk: Ich bin optimistisch. Die höheren Staatsausgaben für Militär und Infrastruktur sind dringend notwendig und werden endlich umgesetzt. Auch beinhaltet der Koalitionsvertrag viele positive Impulse für die Wirtschaft wie eine umfassende Deregulierung. Insgesamt sehen wir einen starken Fokus auf Wachstumsförderung. Das war aber nur der erste Schritt. Als nächstes geht es um die konkrete Umsetzung, die es kritisch zu beobachten gilt.
II: „Nullwachstum“ nach Rezessionsjahren. Warum fällt es der Wirtschaft so schwer, sich zu berappeln?
Walk: Das deutsche „Geschäftsmodell“ funktioniert seit 2022 nicht mehr. Der Export als Wachstumsmotor ist dauerhaft ausgefallen, Energie ist zu teuer geworden und ein Umfeld, geprägt von anhaltend hoher Unsicherheit, sorgt für eine Konsum- und Investitionszurückhaltung. Deutschland wird in Zukunft stärker über die Binnennachfrage wachsen müssen – auch darum sind höhere Staatsausgaben jetzt so wichtig. Eine handlungsfähige Regierung und ein perspektivisch besserer militärischer Schutz könnten wieder für mehr Optimismus sorgen.
II: Die EZB hat bereits sieben Mal an der Zinsschraube gedreht. Gibt es noch Spielraum für weitere Zinssenkungen?
Walk: Grundsätzlich ist dieser Zinszyklus ungewöhnlich, da die EZB schon vor der US-Notenbank und auch deutlich stärker den Leitzins senkte. Dadurch dürfte der europäische Konjunkturzyklus deutlich resilienter gegenüber der US-Konjunktur sein als in der Vergangenheit. Eine merkliche Belebung der Kreditvergabe in der Eurozone ist bereits zu beobachten, das heißt, die Leitzinssenkungen kommen in der Wirtschaft an. Trotzdem erwarten wir 2025 noch drei Zinsschritte bis auf 1,5 %. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens verlangsamt sich die Lohndynamik erheblich, sodass die Inflation im Dienstleistungssektor merklich fallen dürfte. Zweitens verzeichneten die Energiepreise zuletzt einen deutlichen Rückgang. Wir sehen sogar eine große Wahrscheinlichkeit für einen Ölpreis von 30 US-Dollar pro Barrel. In diesem Umfeld dürfte die Inflation der Eurozone bald unter 2,0 % fallen.
II: Jenseits des Atlantiks – in welcher Situation befindet sich die Fed angesichts der erratischen Politik Trumps?
Walk: Einerseits muss die Fed in einem von ungewöhnlich großer Unsicherheit geprägtem Umfeld, einer steigenden Inflation und gleichzeitiger Wirtschaftsschwäche den richtigen Weg finden. Ihr bleibt derzeit nichts anderes übrig als abzuwarten, was sich im Nachhinein als ein Fehler erweisen könnte. Wir erwarten keine Leitzinssenkung mehr in diesem Jahr. Andererseits steht die Fed unter erheblichem politischem Druck und kämpft um ihre Unabhängigkeit. Das Vertrauen in den US-Dollar steht hierbei auf dem Spiel.
II: Wie wird sich die US-Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickeln?
Walk: Wir erwarten eine moderate Rezession: Höhere Preise infolge der Zölle, ein Unsicherheitsschock sowie ein negativer Vermögenseffekt dürften den Konsum für ein bis zwei Quartale belasten.