Herbstschwankungen an den Märkten

Während der Sommer dem Herbst und seinen Wolken gewichen ist, scheinen auch die Märkte von einer jahreszeittypischen Schwermut erfasst worden zu sein. Die Nachrichten der vergangenen Tage können wahrlich keine Begeisterung auslösen. Nach dem erneuten Lockdown in Israel verkündeten auch Großbritannien und Spanien eine Verschärfung der Gesundheitsmaßnahmen, um die mittlerweile nicht mehr abzustreitende zweite Ansteckungswelle in Europa einzudämmen.
30. September 2020
Volatilität / © freshidea

Während der Sommer dem Herbst und seinen Wolken gewichen ist, scheinen auch die Märkte von einer jahreszeittypischen Schwermut erfasst worden zu sein. Die Nachrichten der vergangenen Tage können wahrlich keine Begeisterung auslösen. Nach dem erneuten Lockdown in Israel verkündeten auch Großbritannien und Spanien eine Verschärfung der Gesundheitsmaßnahmen, um die mittlerweile nicht mehr abzustreitende zweite Ansteckungswelle in Europa einzudämmen. 

Mitte der vergangenen Woche zog Frankreich nach und löste große Besorgnis hinsichtlich der Fortsetzung der Konjunkturerholung in Europa aus. Verstärkt werden diese Befürchtungen durch die vorläufigen Einkaufsmanagerindizes für September, die zwar eine weitere, ganz allmähliche Verbesserung der Aktivität im verarbeitenden Gewerbe auswiesen, aber vor allem auch einen deutlichen Rückgang der Aktivität im Dienstleistungssektor. So sanken die Composite-Einkaufsmanagerindizes in Deutschland wie in Frankreich wieder unter die Marke von 50 Punkten, was auf eine Schrumpfung der gesamten Aktivität hindeutet.

Unsicherheiten beenden sommerlichen Überschwang an den Börsen

In den USA waren die Wirtschaftsdaten in der Gesamtbetrachtung zufriedenstellend. Jedoch trübte die Rede, die der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell gehalten und die der Markt als Enttäuschung empfunden hatte, erneut die Stimmung. Bei seiner Anhörung vor dem Kongress verwies er darauf, dass die Fed alles getan habe, was sie in dieser Phase könne, und ermahnte Republikaner und Demokraten, sich rasch auf ein zweites Konjunkturpaket zu verständigen. Dies waren Äußerungen aus seiner Rede von Mitte September, derer sich die Märkte jedoch erst jetzt bewusst geworden zu sein scheinen. Die Aussicht auf einen Status-quo der Zentralbank ist wenig erfreulich, während es bei der Umsetzung eines neuen Pakets weiterhin hakt.

Diese Angstfaktoren gehen zudem mit einem brüchigen Marktumfeld einher. Obwohl die Korrektur Anfang September der übergroßen Zuversicht bei den Technologieaktien ein Ende setzte, bleibt das Umfeld aufgrund der Zweifel an der Erholung in Europa und der verschobenen Abstimmung über ein zweites US-Konjunkturpaket für eine massive Umschichtung in zyklische Titel zu unsicher. Hinzu kommen die Ungewissheit um den Wahlausgang in den USA, die trüben Aussichten beim Brexit, aber auch die Spannungen zwischen den USA und China insbesondere beim Thema TikTok. Daher erscheint die derzeitige Abwärtsbewegung nachvollziehbar, die allerdings ohne panikartige Bewegungen abläuft.

 

Aber auch positive Signale vorhanden

Das Handelsvolumen steigt nicht explosionsartig an und am Optionsmarkt setzten die Anleger weiterhin eher auf Kauf- statt auf Verkaufsoptionen. Weitere Zeichen für eine gewisse fortdauernde Risikobereitschaft sind die jüngsten erfolgreichen Börsengänge und die massiven Kapitalzuflüsse in einige ETF‘s Anfang letzter Woche. Darüber hinaus ist die Nachrichtenlage nicht nur schlecht. An der Konjunkturfront verbessert sich das Geschäftsklima in Deutschland mit einem neuen September-Plus beim IFO und nach Angaben des INSEE auch in Frankreich. Was die Gesundheitslage anbelangt, lässt sich eine allmähliche Verlangsamung der Pandemie in einigen der am stärksten betroffenen Schwellenländer (allen voran Indien) feststellen, und die Fortschritte bei der Forschung an einem Impfstoff sorgen regelmäßig für Hoffnungsschimmer. In Sachen Geldpolitik bestätigte François Villeroy de Galhau, der Gouverneur der Banque de France, den entschiedenen Lockerungskurs der EZB, und die europäischen Banken entliehen über den TLTRO-Mechanismus mehr, als die Zentralbank erwartet hatte. Dies ist ein positives Signal dafür, dass sich die Geldpolitik in der Realwirtschaft niederschlägt.

Derzeit scheint eine gewisse Herbstdepression an den Märkten den sommerlichen Überschwang zu einem Großteil verdrängt zu haben, aber trotz der zahlreichen Unsicherheiten erscheint die Lage weniger heikel als noch Ende August. Die größte Unbekannte sind die Gesundheitsmaßnahmen, die von den Staaten in den kommenden Wochen festgelegt werden könnten. Die heftigen Proteste französischer Mandatsträger auf lokaler Ebene gegen die aktuellen Ankündigungen von Ministern beispielsweise verdeutlichen die politische und sogar parteipolitische Dimension, die der Umgang mit der Gesundheitskrise in vielen Ländern nun besitzt. Dies kann zu Fehlern oder überzogenen Maßnahmen führen, die die Märkte noch stärker beeinflussen könnten, an die sie sich aber letztlich gewöhnen werden.

Gastbeitrag von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE

Foto: © freshidea — stock.adobe.com

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