COP26: Nicht nur heiße Luft

Jonathan Bailey, Head of ESG Investing bei Neuberger Berman und Sarah Peasey, Director of European ESG Investing, erachten COP26 als das wohl wichtigste Gipfeltreffen der letzten 25 Jahre. In ihrem Kommentar erläutern sie, vor welchen Aufgaben Finanzexperten stehen und zeigen am eigenen Beispiel, welche Maßnahmen Asset Manager ergreifen können:
4. November 2021
Foto: © Man As Thep - stock.adobe.com

Jonathan Bailey, Head of ESG Investing bei Neuberger Berman und Sarah Peasey, Director of European ESG Investing, erachten COP26 als das wohl wichtigste Gipfeltreffen der letzten 25 Jahre. In ihrem Kommentar erläutern sie, vor welchen Aufgaben Finanzexperten stehen und zeigen am eigenen Beispiel, welche Maßnahmen Asset Manager ergreifen können:

Am Wochenende hat in Glasgow COP26 begonnen, die 26. Weltklimakonferenz der Unterzeichnerstaaten der Pariser Vereinbarung. Fünf Jahre ist es her, dass auf der COP21-Konferenz fast alle Länder der Welt das Pariser Klimaabkommen unterzeichneten. Sie vereinbarten Maßnahmen gegen den Klimawandel, zur Anpassung an die Erderwärmung und zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten. COP21 war die Grundlage. Mit COP26 soll es jetzt konkret werden.

Oft heißt es, dass COP26 das wichtigste Gipfeltreffen der letzten 25 Jahre ist. Von den Glasgower Beschlüssen würde abhängen, ob bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreicht werden – und sich die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius (°C) begrenzen und katastrophale Umweltschäden vermeiden lassen.

Die Konferenz ist aber nicht nur für das Klima wichtig, sondern auch für Investoren. Klimaschutzzusagen werden Auswirkungen auf die Asset-Preise haben, und die nötigen Investitionen erfordern sehr viel Kapital. Die Fortschritte sollen hier in drei wichtigen Bereichen analysiert werden: nationale Emissionsziele, Hilfen für Entwicklungsländer und Finalisierung des Pariser Regelwerks.

Viel zu tun

Nach dem neuen Emissionsbericht des UN-Umweltprogramms UNEP reichen die kurzfristigen Zusagen im Rahmen der Pariser Vereinbarung noch immer nicht aus, um die Erderwärmung auf weniger als 2°C zu begrenzen oder gar das 1,5°C‑Ziel zu erreichen. Daran ändern auch eine bessere Klimapolitik und ehrgeizigere nationale Ziele nichts. Damit sich die Atmosphäre bis 2100 um nicht mehr als 2°C erwärmt, müssen die Länder ihre Emissionen bis 2030 um weitere 11 bis 13 Milliarden Gigatonnen CO2-Äquivalente (GtCO2e) verringern. Für das 1,5°C‑Ziel ist sogar eine Verringerung um 25 bis 28 Milliarden Gigatonnen nötig.

Die unabhängige Analyseplattform Climate Action Tracker (CAT) hat die 63 Länder analysiert, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Demnach wird keine große Volkswirtschaft das 1,5°C‑Ziel mit den derzeitigen Maßnahmen erreichen. Über 70 Länder haben noch nicht einmal wie vereinbart bis zum 31. Juli ihre nationalen Emissionsziele aktualisiert. Andere wiederum, wie Brasilien und Mexiko, haben dies zwar formal getan, faktisch aber nur ihre 2015er-Zusagen wiederholt. China, der weltgrößte Emittent, hat zwar ein neues Ziel bekannt gegeben, es aber der UN noch nicht offiziell gemeldet.

Die Industrieländer sind auch weit davon entfernt, den Entwicklungsländern jährlich Klimahilfen von 100 Milliarden US-Dollar zukommen zu lassen, was ohnehin schon viel zu wenig ist. Selbst die simpelsten Maßnahmen zur Armutsbekämpfung bringen es mit sich, dass die Länder bis 2030 doppelt so viel und bis 2040 sogar dreimal so viel Energie verbrauchen wie heute. Mehr Nachhaltigkeit erfordert hierbei hohe Investitionen.

Die Finalisierung des Pariser Regelwerks dürfte unmittelbare Auswirkungen auf Märkte und Investoren haben. Vor allem könnte eine Einigung zu Artikel 6 dazu beitragen, dass ein weltweiter Emissionshandel entsteht, der den derzeitigen Flickenteppich aus regionalen Systemen bereinigt. Der aktuelle Zustand hat zu sehr unterschiedlichen CO2-Preisen geführt. Vielleicht ändert sich durch eine Neufassung die Wettbewerbssituation für Unternehmen, die unter der Fragmentierung leiden.

Für Unternehmen und Finanzexperten gibt es viel zu tun. Es gab bereits große Fortschritte, zum Beispiel auch dank Initiativen wie der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Ihr Ziel ist erhöhte Transparenz von Unternehmen. Laut einer aktuellen Studie der Science Based Targets Initiative (SBTi) haben zwar 4.200 Unternehmen aus den G20-Ländern Klimaziele formuliert, nur 20 Prozent von ihnen sind aber wissenschaftlich fundiert. In Argentinien, Indonesien, Südkorea, Russland und Saudi-Arabien gab es sogar kein einziges Unternehmen mit einem wissenschaftlich fundierten Klimaziel.

Aktiv werden

Neuberger Berman übernimmt hier in vielerlei Hinsicht Verantwortung. Da ist zunächst die Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern aus der Finanzbranche. So werden beipielsweise Analysen der Transition Pathway Initiative finanziert, die untersucht, inwieweit Unternehmen auf die Energiewende vorbereitet sind. Außerdem unterzeichnete Neuberger Berman die Initiative Climate Action 100+, die die weltgrößten Emittenten zu mehr Aktivität drängt. Nicht zuletzt beteiligen sie sich auch an der Engagement-Kampagne Science-Based Targets des Carbon Disclosure Project.

Veränderungen gibt es aber auch im eigenen Unternehmen. Seit fast zwei Jahren hat Neuberger Berman eine eigene Klimastrategie und erst vor Kurzem wurde ein offizielles Netto-Null-Emissionsziel formuliert. Zusätzlich schlossen sie sich 120 anderen Investoren weltweit an und unterzeichneten die Net Zero Asset Managers Initiative. Für alle Investmentfonds des Unternehmens gelten seit 2020 offizielle Ausschlussrichtlinien für Kraftwerkskohle. Im selben Jahr eine fünfjährige revolvierende Kreditlinie vereinbart, deren Zinsen an Neuberger Bermans Nachhaltigkeitsperformance gekoppelt sind.

Unterstützen

Auch Neuberger Bermans Kunden werden beim Klimaschutz unterstützt. Bei der ESG-Integration berücksichtigt das Unternehmen schon lange einzelwertspezifische Klimarisiken. 2020 kam ein Top-down-Ansatz hinzu. Dazu wird der Climate Value-at-Risk (CVaR) modelliert und dabei physische Klimarisiken ebenso wie Risiken der Energiewende berücksichtigt. Die Ergebnisse der CvaR-Analyse waren entscheidend für den Verzicht auf Kraftwerkskohle. Hinzu kommen Impact-Strategien für Aktien und Unternehmensanleihen, um klimafreundlich zu investieren. Außerdem engagiert sich Neuberger Berman als Aktionär und Anleihegläubiger für weniger Emissionen.

Bei Neuberger Berman ist man der Meinung, Investoren maßgeblich bei klimaneutralen Anlagen unterstützen zu können – zweifellos eine komplexe und ambitionierte Aufgabe. Dazu wurde ein siebenstufiger Aktionsplan entwickelt, aufbauend auf dem anerkannten Rahmenwerk der Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC). Er enthält wichtige Zielwerte, Mindeststandards und Ausschlüsse, Vorgaben zur Risikomessung, Datenerhebung und Informationsbeschaffung und ein Konzept zur Einflussnahme. Grundlage sind existierende Portfolios, etwa eines mit einer sektorübergreifenden Klimastrategie für Credits mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Pfund. Neuberger Berman verwaltet dieses Portfolio für die Brunel Pension Partnership, einen der größten nachhaltigen Investoren Europas. Ziel ist, die Scope-1- und Scope-2-Emissionen des Portfolios Schritt für Schritt zu reduzieren – bis auf null im Jahr 2050.

Ein gemeinschaftliches Ziel

Letztlich hält man bei Neuberger Berman Emissionsverringerung für eine Gemeinschaftsaufgabe, an der alle Stakeholder mitarbeiten müssen – Regierungen und Unternehmen ebenso wie Investoren und Verbraucher. Nur dann können aus Zielen die nötigen Maßnahmen abgeleitet werden. Bei Neuberger Berman ist man einerseits stolz auf die Fortschritte, als Unternehmen wie als Branche, weiß aber auch, dass noch viel zu tun ist. Man hofft, dass es die Politiker in Glasgow genauso sehen. (ah)

 

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