CO2 reduzieren durch systemische Recyclingwirtschaft – Die Wirtschaft fängt an, umzudenken

Unsere Industrie ist auf die Herstellung und Vermarktung von Neuwaren ausgerichtet. In der „Wegwerfwirtschaft“ wird ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe nach der jeweiligen Nutzungsdauer der Produkte deponiert oder verbrannt und nur ein geringer Anteil einer Wiederverwendung zugeführt. Immer mehr treten aber andere Aspekte in den Vordergrund, wie Dauerhaftigkeit, Möglichkeiten für Reparaturen und das Maß an CO2-Belastung und Energieeinsatz bei der Fertigung. Mit der Rückführung des verbrauchten Produktes sowie dessen Zerlegung bis zurück zu den ursprünglich verwendeten Grundstoffen sollte die Grundlage für eine neue Fertigung geschaffen werden. Die Produkte werden idealerweise Teil eines Totalkreislaufs. Die Wirtschaft denkt hier mehr und mehr um, was auch für klimabewusste Investoren immer interessanter wird. Recycling- und Kreislaufwirtschaft stehen zunehmend für seriöse ESG- bzw. Impact Investments.
30. März 2023
Prof. Dr. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions - Foto: © Bundesverband Mergers & Acquisitions

Unsere Industrie ist auf die Herstellung und Vermarktung von Neuwaren ausgerichtet. In der „Wegwerfwirtschaft“ wird ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe nach der jeweiligen Nutzungsdauer der Produkte deponiert oder verbrannt und nur ein geringer Anteil einer Wiederverwendung zugeführt. Immer mehr treten aber andere Aspekte in den Vordergrund, wie Dauerhaftigkeit, Möglichkeiten für Reparaturen und das Maß an CO2-Belastung und Energieeinsatz bei der Fertigung. Mit der Rückführung des verbrauchten Produktes sowie dessen Zerlegung bis zurück zu den ursprünglich verwendeten Grundstoffen sollte die Grundlage für eine neue Fertigung geschaffen werden. Die Produkte werden idealerweise Teil eines Totalkreislaufs. Die Wirtschaft denkt hier mehr und mehr um, was auch für klimabewusste Investoren immer interessanter wird. Recycling- und Kreislaufwirtschaft stehen zunehmend für seriöse ESG- bzw. Impact Investments.

 

Positive Beispiele ebnen den Weg für die Masse

Es gibt bereits einige positive Ansätze. Elektroautos mit Batterieantrieb gelten als Verkehrsmittel der Zukunft. Allerdings ist die Entsorgung oder Weiterverwendung von Lithium-Ionen-Batterien nach wie vor ein Problem. Nur etwa die Hälfte aller Batterien aus E‑Autos und E‑Bikes wird recycelt. Die Volkswagen Group Components hat Anfang 2021 die konzernweit erste Anlage für das Recycling von Hochvolt-Fahrzeugbatterien eröffnet. Ziel ist die industrialisierte Rückgewinnung wertvoller Rohmaterialien wie Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt im geschlossenen Kreislauf sowie von Aluminium, Kupfer und Kunststoff mit einer Wiederverwertungsquote von perspektivisch mehr als 90%. Es werden nur Batterien recycelt, die nicht mehr anderweitig verwendet werden können – zum Beispiel in wiederaufbereiteter Form in mobilen Energiespeichern wie den flexiblen Schnellladesäulen oder Laderobotern.

Audi hat mit seinem Aluminium-Closed-Loop-Projekt vor einigen Jahren im Werk Neckarsulm erstmals einen geschlossenen Kreislauf für Aluminium über die Unternehmensgrenzen hinweg realisiert. Der Verschnitt an Aluminiumblechteilen aus dem Presswerk wird direkt an den Lieferanten zurückgeliefert und dort für die Herstellung von neuem Material verwendet, das Audi wieder im Presswerk einsetzt. Durch die Wiederverwertung der Aluminiumabfälle können bis zu 95% der Energie gegenüber der Verwendung von Primäraluminium eingespart werden.

Seit 2021 bezieht die BSH Hausgeräte GmbH – vormals Bosch-Siemens-Hausgeräte – „Grünstahl“ der Salzgitter Flachstahl GmbH mit einem um mehr als 66 Prozent niedrigeren CO₂-Fußabdruck. Die BSH will die Dekarbonisierung ihrer Wertschöpfungskette mittels klimafreundlich produzierter Materialien weiter vorantreiben. Mit einer neuen wasserstoffbasierten Produktionsroute an „Grünstahl“ soll der CO₂-Ausstoß in der Produktion schrittweise ab 2025 bis 2033 um 95 Prozent verringert werden.

Abfall am besten gar nicht produzieren

Noch effektiver im Sinne des Umweltschutzes ist es logischerweise jedoch, Abfall zu vermeiden bzw. einzusparen. Die größte Umweltbelastung fällt bei der Produktherstellung an. Negativ-Spitzenreiter sind Smartphones und Laptops. Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Abfallstrom der Welt. Der Großteil landet auf Müllkippen in Afrika und Asien und verunreinigt dort Trinkwasser und Luft. Wiederaufbereitung und anschließender Verkauf führen zu einem zweiten Leben der Produkte. Neuerdings können Kühlschränke, Waschmaschinen etc. auch angemietet werden. Reparatur und etwaiger Ersatz bei Defekten sind inklusive. Nach Ablauf des Mietvertrages werden die Geräte zurückgenommen, geprüft, gereinigt und erneut vermietet.

Mit Reparaturmaßnahmen lassen sich Ressourcen für die Herstellung neuer Produkte und Umweltbelastungen durch die Entsorgung des Altgeräts einsparen. Auch die Europäische Union regelt inzwischen, dass Elektrogeräte leichter reparierbar sein sollen und die Hersteller wichtige Ersatzteile über einen bestimmten Zeitraum vorhalten müssen.

Eine maßgebliche Rolle spielt das Produktdesign. Die Fertigung ist nur eine der Phasen im Lebenszyklus eines Produkts. Nach der Herstellung (Upstream) folgen die operative Lebenszeit (Lifetime) und schließlich die Entsorgung des verbrauchten Produkts (Downstream). Dennoch orientiert sich die Produktgestaltung im Wesentlichen an den Vorgaben und Kosten der konkreten Fertigungsprozesse. Wäre der Gesamtzyklus ein wesentlicher Parameter für das Produktdesign, würden Produkte möglicherweise völlig anders geformt sein. So könnte bei der Gestaltung des Produktes bereits die Optimierung des Downstreams eingeplant werden.

Chance für Deutschlands Wirtschaft

Das Bewusstsein für die Chancen der Kreislaufwirtschaft muss in unserer Industriegesellschaft geschärft werden. Insbesondere im Downstream-Bereich liegen ungenutzte Geschäftsmöglichkeiten, die vor allem durch Hightech Ansätze, etwa teilautomatisierte Zerlegungsprozesse, erschlossen werden können. Ein großes Potenzial könnte in dem Zusammenschluss von Unternehmen einzelner Branchen zu Rückführungsallianzen liegen. Eventuelle kartellrechtliche Schwierigkeiten könnten dadurch beseitigt werden, dass allen Beteiligten zu gleichen Konditionen Zugang zu Branchen-Lösungen, also etwa zur Nutzung von Entsorgungsfabriken und Rückführungswerkstätten, gewährt wird.

Deutschland hätte aufgrund starker Markenunternehmen und der Vielfalt unserer mittelständischen Betriebe gute Chancen im Umweltbereich. Es steht jedoch im internationalen Wettbewerb. So hat etwa China den Sektor Umwelttechnologien als strategisches Wachstumsgebiet benannt und setzt hierbei auch auf deutschen Technologietransfer in Form von Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die nach Deutschland vergeben werden. Durch einseitige Offenheit unserer Universitäten, Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen, wie der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, etc., schwächen wir unsere gute technologische Ausgangsposition.

In Deutschland müssen Hightech-Potenziale und unterrepräsentierte Geschäftssegmente systematisch adressiert und operativ angegangen werden. Auf oberster Staatsebene fehlt uns hier eine analysierende und steuernde Organisation, wie etwa ein Staatsministerium für Strategie und Umsetzung, wie es etwa Japan mit seinem METI beispielgebend betreibt, um den Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft noch schneller voranzutreiben.

Autor: Prof. Dr. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions

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