Chancenpotenzial für den deutschen Mittelstand

Corona und die Folgen. Die deutsche Wirtschaft wird in eine Rezession schlittern. Das ist wohl sicher. Wie heftig diese ausfallen wird, ist aktuell noch unklar. Intelligent Investors-Chefredakteur Alexander Heftrich ging im Interview mit Andreas Strobl, Fondsmanager des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland und des Berenberg-1590-Aktien Mittelstand, auf diese und weitere Aspekte ein.
7. Mai 2020
Andreas Strobl

Corona und die Folgen. Die deutsche Wirtschaft wird in eine Rezession schlittern. Das ist wohl sicher. Wie heftig diese ausfallen wird, ist aktuell noch unklar. Intelligent Investors-Chefredakteur Alexander Heftrich ging im Interview mit Andreas Strobl, Fondsmanager des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland und des Berenberg-1590-Aktien Mittelstand, auf diese und weitere Aspekte ein.

  

Intelligent Investors: Mit der Corona-Krise dürfte Deutschland in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit fallen. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Lage der deutschen Wirtschaft mittelfristig ein?

Andreas Strobl: Tatsächlich erwarten wir in diesem Jahr ein Rekord-Minus für das deutsche BIP. Der konjunkturelle Einbruch dürfte für das Gesamtjahr knapp acht Prozent führen. Wir erwarten aber für das kommende Jahr einen recht kräftigen Aufschwung um knapp 6 %. Das Vorkrisen-Niveau dürften wir also erst 2022 wieder erreichen. Danach werden uns die Themen weiter beschäftigen, die wir schon vor Ausbruch der Corona-Krise hatten: Die Digitalisierung der Wirtschaft sowie den Strukturwandel im Automobilsektor. Insbesondere für Unternehmen des deutschen Mittelstandes können sich dabei auch sehr attraktive Wachstumschancen ergeben, da diese oftmals über im globalen Vergleich technologisch überlegene Produkte und starke Marktstellungen verfügen. (sogenannte „hidden Champions“). Die Kunden aber auch Lieferanten kommen zudem oft mehrheitlich aus dem Binnenmarkt oder dem europäischen Ausland, was sie weniger anfällig bzgl. möglichen De-Globalisierung-Tendenzen macht. Gleichzeitig sind die Lieferketten bereits heute deutlich regionaler ausgerichtet, wodurch die Unternehmen weniger Disruption spüren werden. Beide Punkte sollte es wie auch schon nach der Finanzkrise 2008/09 einigen Unternehmen helfen, ihre Wettbewerbsposition zukünftig weiter auszubauen.

 

II: Sind Sie der Ansicht, dass Deutschland die Corona-Krise besser meistern wird als andere Länder?

Strobl: Deutschland ist aufgrund seiner komfortablen Haushaltssituation als eines der wenigen Länder in der Lage, in der Krise finanzpolitisch kräftig gegenzusteuern. Die fiskalpolitischen Maßnahmen belaufen sich in Deutschland auf etwa 750 Mrd. Euro, was etwa 22% des BIP und somit den Maßnahmen der Finanzkrise entspricht. Auch das Kurzarbeits-Modell, das sich bereits während der Finanzkrise bewies, sollte es den deutschen Unternehmen ermöglichen an wichtigen, qualifizierten Arbeitskräften festzuhalten. Somit wird Deutschland voraussichtlich besser durch die Krise kommen als andere Länder. Perspektivisch bleibt abzuwarten, inwiefern die Corona-Pandemie zu einer fortschreitenden De-Globalisierung führt.

 

II: Werden die massiven Stützungsschritte der EZB im Kampf gegen die Folgen der Virus-Krise ausreichen?

Strobl: Die bisher beschlossenen Maßnahmen sind gut geeignet, die Liquiditätskrise zu überbrücken. Wenn die Konjunkturkrise tiefer geht und länger dauert als wir derzeit erwarten, wird die EZB flexibel darauf reagieren und ihre Anleiheankaufprogramm entsprechend anpassen. Daran wird auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wenig ändern.

 

II: Was erwarten Sie vom DAX beziehungsweise M- /S‑DAX in den kommenden Monaten/bis zum Jahresende?

Strobl: Nach der Erholung der Aktienmärkte im April sind die Chancen/Risiken nun ausgewogener, jedoch bleiben wir mittelfristig konstruktiv für den deutschen Aktienmärkt bei gleichzeitig anhaltender Volatilität. Bei einer zweiten Welle an Infektionsfällen könnten die Aktienmärkte erneut unter Druck kommen, allerdings erscheint eine erneute Erreichung der Tiefstände aus dem März aus aktueller Sicht eher unwahrscheinlich. Grund hierfür ist die weiterhin primär defensive Positionierung vieler Investoren, die bei Rücksetzern zu Kaufdruck führen sollten. Innerhalb des deutschen Marktes sind wir insbesondere positiv gestimmt auf strukturelle Wachstumsunternehmen mit soliden Bilanzen, die oftmals im Bereich der Nebenwerte (M- und S‑DAX) zu finden sind.

 

II: In welchen Sektoren sind Sie derzeit über-/untergewichtet? Welche Gründe führen Sie hierfür an?

Strobl: Bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus hatten wir eine defensive Sektorallokation mit knapp 50% unserer Holdings in den Bereichen IT und Gesundheitswesen, was eine klare Übergewichtung dieser Sektoren gegenüber der Benchmark darstellt. Die ausgewählten Unternehmen in diesen Branchen weisen zudem starke strukturelle Wachstumstreiber auf, die teilweise durch die aktuelle Corona-Krise noch beschleunigt werden.  Insbesondere drei Trends sind in der aktuellen Phase deutlich zu erkennen und ermöglichen nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Wachstumsmöglichkeiten.

  1. Fortschreitende Digitalisierung: IT-Systemhäuser wie Bechtle und Cancom profitieren schon seit geraumer Zeit vom Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung des Mittelstandes. Die aktuelle Krise zeigt noch klarer, welch hoher Investitionsbedarf für IT-Infrastruktur im deutschen Mittelstand und im öffentlichen Bereich (Schulen, Behörden) besteht um z.B. das Arbeiten aus dem Home Office zu ermöglichen, wovon auch Unternehmern wie Teamviewer profieren sollten.
  2. Höhere Ausgaben für Gesundheit: Pharma- und Medizintechnikunternehmen profitieren nicht nur langfristig von einer alternden Bevölkerung, sondern auch aktuell von einem signifikanten Bedarf an Testkapazitäten in Laboren und persönlicher Schutzausrüstung. Gleiches gilt aber auch für die zukünftig effizientere Aufstellung der IT-Landschaften im Gesundheitsweisen, wo Unternehmen wie Compugroup tätig sind.
  3. Neue Verhaltensweisen: Der Onlineversand von Kochboxen aber auch das verstärkte bargeldlose Zahlen sind Trends der aktuellen Krise. Allerdings sind dies u.E. nicht nur kurzfristige Entwicklungen, sondern die aktuelle Situation wird zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung der Konsumenten führen. (ah)

 

Foto: Andreas Strobl / © BERENBERG

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