Biodiversität – Vier Dinge, die Anleger tun können, um Lebensräume und Leben zu retten

Letztes Jahr fiel der Earth Overshoot Day auf den 29. Juli. Dies ist der Tag, an dem der Bedarf der Menschheit an ökologischen Ressourcen in einem bestimmten Jahr über dem liegt, was die Erde in diesem Jahr regenerieren kann. Mit anderen Worten, es bedürfte der Ressourcen von etwa 1,7 Erden, um mit dem globalen Verbrauch Schritt zu halten. Der übermäßige Verbrauch der natürlichen Ressourcen und die dadurch entstehenden ökologischen Schäden stellen eine Nachhaltigkeitskrise dar, die auf einer Stufe mit dem Klimawandel steht und eng mit ihm verbunden ist. Ohne rasche Maßnahmen steuern wir auf ein Extinction Event (das Verschwinden von Flora und Fauna) eines Ausmaßes zu, das es seit dem Untergang der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren nicht mehr gegeben hat.
7. Juni 2022
Ann Meoni - Foto: © abrdn

Letztes Jahr fiel der Earth Overshoot Day auf den 29. Juli. Dies ist der Tag, an dem der Bedarf der Menschheit an ökologischen Ressourcen in einem bestimmten Jahr über dem liegt, was die Erde in diesem Jahr regenerieren kann. Mit anderen Worten, es bedürfte der Ressourcen von etwa 1,7 Erden, um mit dem globalen Verbrauch Schritt zu halten. Der übermäßige Verbrauch der natürlichen Ressourcen und die dadurch entstehenden ökologischen Schäden stellen eine Nachhaltigkeitskrise dar, die auf einer Stufe mit dem Klimawandel steht und eng mit ihm verbunden ist. Ohne rasche Maßnahmen steuern wir auf ein Extinction Event (das Verschwinden von Flora und Fauna) eines Ausmaßes zu, das es seit dem Untergang der Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren nicht mehr gegeben hat.

Der Begriff „Biodiversität“ bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Schätzungen des World Economic Forum zufolge ist über die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Welt – etwa USD 44 Bio. – in moderatem oder starkem Umfang von der Natur und gesunden Ökosystemen abhängig. Ein Wandel ist daher dringend erforderlich. Dieser Wandel setzt bereits ein, da die Menschheit den Weckruf zum Schutz der Lebensgrundlagen des Planeten endlich vernommen hat.

Der Erhalt der Biodiversität ist für die Unterstützung eines nachhaltigen Wachstums von entscheidender Bedeutung. Anleger können eine positive Wirkung beim Schutz des natürlichen Kapitals, d. h. des Bestands an natürlichen Vermögenswerten einschließlich Geologie, Boden, Wasser und allem Lebendigen, erzielen.

Dem Finanzsektor und insbesondere der Vermögensverwaltungsbranche kommt eine Schlüsselrolle bei der Abwendung eines weiteren Verlusts an biologischer Vielfalt zu. Wir müssen in den folgenden vier Bereichen mehr tun, um die aktuellen Trends zu stoppen und sogar umzukehren:

  1. Einflussnahme auf die Politik – um die Umsetzung der Verpflichtungen zu gewährleisten

Verpflichtungen, die Biodiversität zu schützen, gibt es viele. Zum Beispiel haben sich etwa 141 Länder (die über 91 % der verbleibenden Waldflächen der Welt repräsentieren) bei der Klimakonferenz COP 26 in Glasgow im letzten Jahr dazu verpflichtet, bis 2030 die Zerstörung der Wälder und Verschlechterung der Bodenqualität aufzuhalten und umzukehren.

Die Europäische Union entwirft derzeit Regulierungsvorschriften zur Verringerung der von der EU ausgehenden Entwaldung. Überdies dürfte sie die offizielle Klassifizierung erweitern, um die Anleger zu veranlassen, die Auswirkungen des Verlusts an Biodiversität stärker in den Blick zu nehmen.

Dies sind positive Schritte, sie müssen jedoch in bindende Gesetze und Vorschriften münden. Durch Zusammenarbeit und Einflussnahme auf die Politik können wir uns dafür einsetzen, dass diese neuen Regelungen streng genug sind, um in sinnvoller Weise auch für deren Einhaltung zu sorgen.

  1. Vorantreiben der Bepreisung von Ökosystem-Dienstleistungen

Ebenso wie bei der Bepreisung von Kohlenstoff zur Förderung der Dekarbonisierung muss der Natur ein monetärer Wert zugeordnet werden. Dazu ist es erforderlich, dass wir den wirtschaftlichen Nutzen eines gesunden Ökosystems quantifizieren und die finanziellen Kosten seiner Schädigung ermitteln.

Dieser Prozess befindet sich noch in den Kinderschuhen und konzentriert sich momentan stark auf die Fähigkeit natürlicher Systeme wie etwa Wälder, Moore und Seegraswiesen, überschüssigen Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden. Zur Berechnung des monetären Werts werden Kohlenstoffgutschriften herangezogen.

Dies stellt eine sehr eng gefasste Messung des wirtschaftlichen Werts dieser natürlichen Lebensräume dar. Auch anderen Arten, durch die diese natürlichen Systeme wirtschaftliche Werte schaffen, sollte ein monetärer Wert beigemessen werden. Wenn wir unser Augenmerk allein auf Kohlenstoff richten, werden andere nützliche Faktoren der Biodiversität nicht erfasst.

Wir können uns für neue Arten der Ermittlung eines wirtschaftlichen Werts der Ökosysteme einsetzen und den politischen Entscheidungsträgern und Vermögenseigentümern diese neuen Ideen ans Herz legen.

  1. Innovation in wichtigen Sektoren

Als Anleger können wir durch aktives Engagement und gezielte Anlagen die radikalen Eingriffe unterstützen, die zur Neuordnung wichtiger Sektoren erforderlich sind und womöglich die stärksten Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen des Planeten haben. Wir machen in drei Sektoren große Chancen für Innovationen aus:

  • Lebensmittel und Getränke
  • Landwirtschaft
  • Baugewerbe

So verursacht etwa die Lebensmittelindustrie die größten Biodiversitätsverluste. Die Branche bedeutet für die biologische Vielfalt das, was fossile Brennstoffe für das Klima darstellen. Um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, müssen wir die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, ändern. Wichtige Bereiche für Innovationen sind unter anderem In-vitro-Fleisch, Proteine auf Pflanzenbasis, Agroforstwirtschaft und Präzisionslandwirtschaft.

  1. Entwicklung von Anlagelösungen

Als verantwortungsbewusste Verwalter des Vermögens unserer Kunden sind wir bestrebt, diesen eine breite Palette an Lösungen für ihre Anforderungen anzubieten.

Neue Analysen verdeutlichen, dass die Unterstützung für nachhaltige Unternehmen sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern wächst. Einer Studie der vom World Wildlife Fund beauftragten Economist Intelligence Unit zufolge wurde in den letzten fünf Jahren bei der weltweiten Online-Suche nach nachhaltigen Gütern eine Zunahme von 71 % verzeichnet. Auch unsere Kunden erkundigen sich vermehrt nach unserem Ansatz in Bezug auf die Biodiversität.

Angesichts des steigenden Interesses gehen wir davon aus, dass die Entwicklung neuer Anlageinstrumente forciert wird. Im wachsenden Markt für natürliche Lösungen dürften Fonds mit Schwerpunkt auf Anlagen bei Unternehmen, die Lösungen für das Problem des Biodiversitätsverlusts anbieten, eine wichtigere Rolle spielen.

Wir haben in die Schaffung heimischer Wälder in Schottland investiert, um im Rahmen unserer Netto-Null-Strategie natürliche Lösungen zu fördern. Dieses Vorhaben im Cairngorms-Nationalpark erstreckt sich auf über 1.400 Hektar und wird das größte Projekt zur Wiederaufforstung und Restaurierung von Mooren in Großbritannien darstellen. Mithilfe eines führenden wissenschaftlich fundierten Ansatzes überwacht und misst ein Team aus Ökologen den Nettogewinn an Biodiversität.

Zugleich lancieren die New Yorker Börse und die Intrinsic Exchange Group eine neue Anlageklasse, die auf der Natur und den Vorteilen der Natur basiert.

Die Rolle der Finanzinstitute – Wir müssen alle mehr tun

Finanzinstitute spielen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt des Planeten. Deshalb stellt die Biodiversität einen wichtigen Schwerpunktbereich für uns dar, den wir bei unserem Research, unseren Gesprächen mit Unternehmen und unserem auf ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) basierenden ESG House Score in den Blick nehmen. Außerdem unterstützen wir die Taskforce für naturbezogene finanzielle Offenlegungen im Finanzdienstleistungssektor (TNFD), um die Einheitlichkeit der Berichterstattung zu fördern. Allerdings müssen wir und die breitere Vermögensverwaltungsbranche mehr tun. Dies sind lediglich die ersten Schritte, die den Beginn einer langen, aber äußerst wichtigen Reise markieren.

Autorin: Ann Meoni, Senior Responsible Investment Analyst, abrdn

 

 

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