Bekommen wir die Kurve?

Seit Frühjahr 2016 lag der Leitzins im Euroraum bei 0 %. Die letzte Zinsanhebung fand vor elf (!) Jahren statt. Nun folgte seitens der EZB die Trendwende. Reicht das, um den Inflationsanstieg zu bekämpfen? Oder verpufft diese Reaktion am Markt?
27. September 2022

Seit Frühjahr 2016 lag der Leitzins im Euroraum bei 0 %. Die letzte Zinsanhebung fand vor elf (!) Jahren statt. Nun folgte seitens der EZB die Trendwende. Reicht das, um den Inflationsanstieg zu bekämpfen? Oder verpufft diese Reaktion am Markt?

Der Hauptrefinanzierungssatz wird nun um 0,50 Prozentpunkte angehoben. Zudem hat die EZB beschlossen, den Einlagensatz zu erhöhen. Die Zinserhöhungen traten zum 27. Juli in Kraft. Die Lage, nicht nur, aber eben auch national, gibt Anlass zur Besorgnis. Stritten sich vor einem Jahr beispielsweise noch führende Volkswirte darum, ob die Inflation eher temporär oder dauerhaft sei, so besteht jetzt Konsens darüber, dass die Teuerung nicht so leicht verschwindet. Wir alle kennen die hinzugezogenen Punkte, die letztendlich dafür verantwortlich sind und das Leben teurer machen. Die Pandemie, Lieferengpässe, Rohstoffpreise und seit 2022 der schreckliche Krieg in der Ukraine. In den USA hat die Notenbank bereits viel früher und deutlich reagiert. Der dortige Leitzins liegt Ende Juli bereits in einer Spanne zwischen 1,5 und 1,75 %. Warum tat sich die EZB bei ihrer Entscheidung so schwer?

Die Entscheidung der EZB gilt für den gesamten Währungsraum. Mehrere Euroländer sind hochverschuldet (z. B. Mittelmeeranrainer). Für diese Staaten könnte es bei höheren Zinsen schwierig werden, ihre Schulden zu bedienen. Eurokrise 2.0? Für viele überraschend haben die Notenbanker mit dem ‚Transmission Protection Instrument‘ (TPI) am 21.07.2022 das neue Anti-Fragmentierungsinstrument vorgestellt. Es soll unbegrenzte Interventionen in jedem Land der Eurozone ermöglichen, soweit es die wirtschaftliche und finanzielle Situation verlangen. Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay Asset Management, bemerkt hierzu: „Wir sind positiv überrascht, dass es der EZB gelungen ist, das TPI auf den Weg zu bringen. Es gibt aber noch zu viele offene Fragen. Insgesamt sind wir weiterhin der Ansicht, dass die zweite Jahreshälfte an den Kapitalmärkten positiver ausfallen wird als die erste. Im Moment ist es aber ratsam, vorsichtig zu bleiben und abzuwarten, bis sich der Nebel lichtet und die Chancen deutlicher werden.“

Ja, der Nebel soll bzw. muss sich lichten. Die Unruhe an den Märkten hält an. Die Volatilität wird uns länger begleiten. Die Märkte zeigten sich in einer ersten Reaktion nur bedingt überrascht vom Zinsschritt um 0,5 statt 0,25 Prozentpunkte. Am Rentenmarkt sind die Renditen für italienische Staatspapiere Ende Juli spürbar gestiegen. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steuert nach Draghis Abgang mal wieder auf Neuwahlen zu.

Ende gut, alles gut? Nun, die EZB wird wohl in ihrer September-Sitzung eine „Schippe drauflegen“ und die Zinsen erneut anheben. Ein stürmischer Herbst steht uns bevor.

Foto: vegefox.com  – stockadobe.com

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