Auch deutsche Unternehmen sind hervorragend positioniert in Wachstumsfeldern der Zukunft

Viele Investoren schauten in den vergangenen Jahren in die USA. Hier spielte die Musik. Insbesondere Tech-Werte standen weit oben auf der Liste. Deutschland gilt gemeinhin nicht als Ort der Technologieführerschaft. Doch wie so oft im Leben hilft eine Pauschalisierung nicht weiter. Die deutsche Wirtschaft braucht sich im internationalen Konzert nicht zu verstecken; die Aussichten 2023 sind zwar nicht rosarot, aber bei weitem nicht mehr so negativ wie noch vor einigen Monaten angenommen. Christian von Engelbrechten ist für den Fidelity Germany Fund seit mehr als zwölf Jahren verantwortlich. Der II-Chefredakteur Alexander Heftrich führte mit ihm in Kronberg ein Gespräch über den Status quo der deutschen Wirtschaft, den Stellenwert des Mittelstands und seine Investmentphilosophie.
28. März 2023
Christian von Engelbrechten (li.) und Alexander Heftrich (re.)

Viele Investoren schauten in den vergangenen Jahren in die USA. Hier spielte die Musik. Insbesondere Tech-Werte standen weit oben auf der Liste. Deutschland gilt gemeinhin nicht als Ort der Technologieführerschaft. Doch wie so oft im Leben hilft eine Pauschalisierung nicht weiter. Die deutsche Wirtschaft braucht sich im internationalen Konzert nicht zu verstecken; die Aussichten 2023 sind zwar nicht rosarot, aber bei weitem nicht mehr so negativ wie noch vor einigen Monaten angenommen. Christian von Engelbrechten ist für den Fidelity Germany Fund seit mehr als zwölf Jahren verantwortlich. Der II-Chefredakteur Alexander Heftrich führte mit ihm in Kronberg ein Gespräch über den Status quo der deutschen Wirtschaft, den Stellenwert des Mittelstands und seine Investmentphilosophie.

INTELLIGENT INVESTORS: Herr von Engelbrechten, Rekordinflation, Energiepreisschock und vergleichsweise weniger Dynamik. Die deutsche Wirtschaft hatte 2022 arg zu kämpfen. Wie schätzen Sie die gegenwärtige Lage ein?
Christian von Engelbrechten: Die Befürchtungen und manch düstere Prognosen vom Vorjahr haben sich nicht bestätigt. Zwar ist davon auszugehen, dass wir im Winterhalbjahr mit einem leichten Schrumpfen unserer Volkswirtschaft zu rechnen haben, aber im 2. Quartal dürfte sich Besserung einstellen. Der Blick auf Indikatoren wie beispielsweise den ifo-Geschäftsklimaindex legt das nahe. Dieser ist im Januar zum vierten Mal in Folge angestiegen. Die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate haben sich deutlicher verbessert als erwartet. Insgesamt gesehen verhaltener Optimismus, was die Aussichten betrifft. Tristesse über die kommenden Monate sehe ich allerdings nicht.

II: Leichter Rückenstatt Gegenwind. Welche Faktoren sind hierfür nach Ihrer Meinung verantwortlich?
von Engelbrechten: Die Gründe sind vielfältiger Natur. Zum einen die zurück gekommenen Sorgen vor einer Gasmangellage und die Aussicht auf deutlich geringere Inflationsraten. Der Blick auf die Entwicklung der Gas- und Ölpreise sowie anderer Rohstoffe zeigt das deutlich. Zum anderen die Entspannung bei den globalen Lieferketten und damit zusammenhängend auch die Lockerung der chinesischen Politik bezüglich der Zero-COVID-Politik. Impulse, die die deutsche Wirtschaft nachhaltig stimulieren könnten.

II: Und die Rolle der Politik…
von Engelbrechten: Absolut. Die Bundesregierung hat mit dem sogenannten „Doppelwumms“ einen Schutzschirm für die Verbraucher und Unternehmen errichtet, der die Teuerungen ab-mildert. Das Volumen von etwa 5 % des Bruttoinlandsprodukts ist signifikant. Eine pragmatische Politik der Berliner Entscheidungsträger.

II: Das vorangestellt, wird nach Ihrer Meinung die Konzentration des Börsengeschehens wieder vermehrt auf den Vorzügen der MDAX- und SDAX-Unternehmen liegen?
von Engelbrechten: Der Blick in den Rückspiegel zeigt, dass in Krisenzeiten die Investoren eher zu den großen Dickschiffen des DAX greifen. In Aufwärtsphasen leuchten wiederum die kleineren Werte heller. Zwei Zahlen zur Illustration: Im Krisenjahr 2022 haben MDAX und SDAX mehr als doppelt so viel verloren wie der große Bruder. In den Vor-Corona-Jahren des leichten wirtschaftlichen Aufschwungs hatte der Leitindex DAX das Nachsehen und die Nebenwerte performten überdurchschnittlich. Und ich möchte noch hervorheben, dass M- und SDAX aktuell im historischen Vergleich eher günstig gehandelt werden.

II: Ein wichtiger Bestandteil Ihres Fonds ist auch die Beimischung von klein- und mittelgroßen Unternehmen. Ist das eine homogene Gruppe?
von Engelbrechten: Nein, der Mittelstand ist seit jeher sehr heterogen. Beispiel Digitalisierung: Hier gibt es einige Unternehmen, die als Digitalpioniere auftreten und die es in der Vergangenheit geschafft haben, ihr Geschäftsmodell erfolgreich neu aufzustellen. Andere Unternehmen wiederum sind gerade erst dabei, sich entsprechend anzupassen und die Veränderungen anzunehmen und umzusetzen. Grundsätzlich gilt der deutsche Mittelstand als das Rückgrat der Wirtschaft. Gleichwohl ihrer individuellen Größe sind Mittelständler ganz entscheidend für Wachstum und Wohlstand einer Volkswirtschaft. Und sie sind anpassungsfähig.

II: Sie erwähnen ein wichtiges Kriterium. Anpassung an eine sich wandelnde Gesellschaft…
von Engelbrechten: Der Mittelstand gilt als anpassungswillig und innovativ. Er gestaltet den Strukturwandel ganz entscheidend. Das zeichnet ihn aus. Die „Erfolgs-DNA“ unserer Wirtschaft. Viele Unternehmen agieren zwar in Nischen, sind aber überaus erfolgreich, auch im internationalen Kontext. Die deutsche Wirtschaftsgeschichte bestätigt den Erfolg der Anpassungsfähigkeit, wenn wir zum Beispiel an Zeiten der Währungsnachteile oder steigender Rohstoffkosten denken.

II: Kurz zurück – oft liest man, Deutschland sei eindeutig auf dem absteigenden Ast. Das „Beste läge sozusagen hinter uns“. Wie ist Ihre Sichtweise?
von Engelbrechten: Da bin ich optimistischer. Wir haben, abgesehen von SAP, vielleicht nicht die ganz großen Technologieunter- nehmen wie beispielsweise die USA. Daher ist es nicht immer offensichtlich, dass auch deutsche Unternehmen hervorragend positioniert sind in Wachstumsfeldern der Zukunft. Ich denke dabei an den Gesundheitsbereich, zum Beispiel medizinische Bildgebung, Diagnostik oder die Produktion biopharmazeutischer Medikamente. Oder den Halbleiterbereich, in dem wir in Deutschland stark aufgestellt sind. Dieser Bereich zeigt auch, dass Deutschland als Standort weiterhin attraktiv ist, schließlich hat Intel große Investitionen in Deutschland angekündigt. Tesla ist ebenfalls als positives Beispiel für den Standort Deutschland zu nennen. Deutschland und seine Unternehmen bleiben sehr wettbewerbsfähig, unter anderem aufgrund von Forschung & Entwicklung, Bildung, Rechtssicherheit, Stabilität, Infrastruktur, geringerer relativer Verschuldung im Vergleich zu anderen Ländern und Markenstärke.

II: Lassen Sie uns auf Ihren Fonds, den Fidelity Germany Fund, zu sprechen kommen. Der Fonds wurde 1990 aufgelegt; Sie leiten die Geschicke federführend seit mehr als zwölf Jahren. Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach gesprochen. Hat sich an Ihrer Investmentphilosophie etwas geändert?
von Engelbrechten: Nein, Kontinuität und Durchhaltevermögen – auch in schwierigeren Marktphasen – sind vonnöten. Das ist auch der Grund dafür, dass ich an der Übergewichtung in den Bereichen Software, IT und insbesondere Gesundheit festhalte. Es sind einfach klassische Wachstumssektoren. Bei Banken wiederum finde ich eher seltener Unternehmen, die meinen Kriterien entsprechen. Ich bin da aber nicht dogmatisch: Wenn ein Titel kein klassischer Wachstumswert ist, aber andere Anforderungen erfüllt, nehme ich ihn trotzdem auf. Beispiel Allianz-Aktie, die größte Position im Fonds. In diesem Fall überzeugen mich die Dividendenrendite, Bilanzstärke und das langfristige Renditepotenzial.

II: Sie setzen auch stark auf den Gesundheitssektor.
von Engelbrechten: Eine Branche, die mit der Corona-Pandemie verstärkt in den Fokus gerückt ist. Auch mit Blick auf die demo- grafischen Verschiebungen ein spannendes Feld. Ich erwähne in diesem Zusammenhang gerne die Medizintechnik. Die deutsche Medizintechnik ist international gut aufgestellt und liegt beispielsweise bei den Patenten auf Platz zwei hinter den USA. Viel Kapital wird in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert; das lässt auch für die Zukunft hoffen.

II: Ein Investitionsschwerpunkt waren auch immer Informationstechnologie-Titel.
von Engelbrechten: Ja, aber differenziert und selektiv. Insbesondere im vergangenen Jahr ging es an den Börsen turbulent zu. Vor allem große Tech-Werte, einst Highflyer, brachen ein. Die steigenden Kurse zuvor wurden vielfach durch die zinslose und geldsprudelnde Zeit getrieben, obwohl große Fragezeichen hinsichtlich der Profitabilität bestanden. Doch das waren und sind eben nicht die Geschäftsmodelle, die ich mit meinem Ansatz vor allem verfolge.

II: In der Vergangenheit zählte Ihr Fonds in der Vergleichskategorie oft zu den besten. In den zurückliegenden zwei bis drei Jahren war das nicht der Fall. Das konnte Sie wahrscheinlich nicht zufrieden stimmen?
von Engelbrechten: Natürlich war ich mit der Performance in den krisengeplagten Jahren nicht zufrieden. Einige Investmentideen haben auch nicht den in sie erhofften Erfolg gezeigt. Dennoch bleibe ich mit Blick auf die Zukunft optimistisch. Eine niedrigere Inflation dürfte insbesondere wachstumsorientierten Werten Rückenwind verleihen, das verbesserte konjunkturelle Klima den kleineren Unternehmen helfen. Vorsicht bleibt natürlich geboten: Einige strukturelle Wachstumsbremsen wie die weltweit hohen Schuldenstände und die Alterung der Weltbevölkerung bestehen weiterhin; insofern kein Grund für Euphorie, aber ein gutes Umfeld für solide überdurchschnittlich wachsende Unternehmen.

II: Sie lenken den Fonds seit vielen Jahren. Im Spätsommer 2021 kam Co-Fondsmanager Tom Ackermans hinzu. Wie wichtig ist in diesem Kontext generell das (eigene) Research?
von Engelbrechten: Sehr wichtig. Wir profitieren von einem großen hauseigenen Research-Team, das sich sehr viele Unternehmen im Detail ansehen kann inklusive umfangreicher Unternehmenskontakte und selbst in Auftrag gegebener Studien, Umfragen etc. Das hilft uns, die langfristigen Potenziale von Unternehmen einzuschätzen.

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