Neue nominale Zinswelt dämpft Sektor-Rotation

Inflation war lange Zeit kein Thema, auch für Anleger. Nun könnten die Preise wieder stärker steigen. Allerdings dürften die Zinsen aus geldpolitischen Gründen niedrig bleiben. Damit fällt die Möglichkeit einer Sektor-Rotation, die in Phasen steigender Inflation sonst typisch ist, diesmal geringer aus. Dennoch sollten Anleger ihre Portfolios an das neue Marktumfeld anpassen.
17. März 2021
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Inflation war lange Zeit kein Thema, auch für Anleger. Nun könnten die Preise wieder stärker steigen. Allerdings dürften die Zinsen aus geldpolitischen Gründen niedrig bleiben. Damit fällt die Möglichkeit einer Sektor-Rotation, die in Phasen steigender Inflation sonst typisch ist, diesmal geringer aus. Dennoch sollten Anleger ihre Portfolios an das neue Marktumfeld anpassen.

Die Inflation spielte in der vergangenen Dekade keine wesentliche Rolle. Denn Globalisierung, technologischer Fortschritt und Geldpolitik sorgten dafür, dass sie nach der Finanzkrise auf niedrigem Niveau verharrte – weit entfernt vom Ziel der Europäischen Zentralbank beziehungsweise der US-Notenbank Fed. Auch aktuell sind die Inflationsraten weltweit ausgesprochen niedrig. Doch in den vergangenen Monaten haben sich drei neue mögliche Treiber herauskristallisiert, die zu einer Trendwende führen könnten: steigende globale Produktionskosten, ein neuer geldpolitischer Rahmen und die stärkere Verknüpfung von Geld- und Fiskalpolitik.

Drei Faktoren könnten die Inflation anheizen

In den vergangenen Jahren hatte die Globalisierung einen dämpfenden Effekt auf die Preise – durch günstigere Arbeitskräfte in anderen Regionen der Welt, speziell in den Schwellenländern. Geopolitische Spannungen, nationalistische Tendenzen und eine Überprüfung der Lieferketten durch die Unternehmen wirken dem nun entgegen. Die Verlagerung der Produktion zurück in die Heimatländer, um Lieferketten zu verkürzen und unabhängiger von globalen Entwicklungen zu werden, könnte der Lohnentwicklung Rückenwind verleihen. Hinzu kommen steigende Kosten der Unternehmen für die Gesundheitsvorsorge angesichts der Corona-Pandemie sowie Kosten, die sich aus der stärkeren Integration nachhaltiger Faktoren in den Produktionsprozess ergeben – etwa zur Bekämpfung des Klimawandels. Darüber hinaus haben sich im Zuge der Corona-Krise einige Märkte auf wenige Großunternehmen konzentriert, die nunmehr erhebliche Preissetzungsmacht besitzen. Gleichzeitig überdenken viele Notenbanken ihre geldpolitische Strategie. Beispielsweise hat die Fed sich von zwei möglichen Gründen für eine vorausschauende Straffung ihres geldpolitischen Kurses verabschiedet. Zum einen hat sie verkündet, künftig ein Überschießen der Inflation über ihr Ziel von zwei Prozent hinaus zuzulassen – gewissermaßen als Ausgleich für das jahrelange Unterschießen. Zum anderen sollen Engpässe am Arbeitsmarkt künftig nicht mehr wie in der Vergangenheit dazu führen, dass die Fed die Zinsen anhebt, um der Inflationsentwicklung entgegen zu wirken.
Darüber hinaus könnte die immer engere Verzahnung von Geld- und Fiskalpolitik langfristige Inflationsrisiken bergen. Zinsentscheidungen könnten künftig stärker politisch geprägt sein, auch angesichts der steigenden Staatsverschuldungen zur Finanzierung der coronabedingten Maßnahmen. Womöglich werden die allgemeinen Risiken erhöhter Inflation künftig stärker gegen höhere Kosten für öffentliche Schuldendienste abgewogen. Der politische Druck auf die Notenbanken könnte zunehmen, so dass deren Inflationsziele weniger als bislang im Fokus stehen.

Der Markt unterschätzt das Inflationsrisiko noch

Diese drei möglichen Inflationstreiber wirken zusätzlich zur wirtschaftlichen Erholung, die wir in Ansätzen bereits über die warmen Monate im Jahr 2020 erlebt haben und deren Fortsetzung wir 2021 für wahrscheinlich halten. Die Weltwirtschaft dürfte dabei recht zeitnah auf den Wachstumspfad von vor der Krise zurückkehren. Vor diesem Hintergrund erwarten wir in unserem Basisszenario für 2025 und die Folgejahre eine Inflation von rund 2,5 bis
3 %. Dies mag nicht sonderlich hoch erscheinen. Allerdings wäre es für die Märkte eine Überraschung, schaut man sich die aktuellen Inflationserwartungen an. Diese liegen für 2025 und danach eher bei 1,5 %.

Frühere Phasen steigender Inflation waren für Anleger kostspielig. Denn sie gingen mit höheren Zinsen einher, die über höhere Diskontierungssätze Druck auf die Bewertungen sämtlicher Anlageklassen ausübten. Dabei gab es je nach Marktsegment Unterschiede: Sektoren wie Energieunternehmen oder Finanzwerte, die niedrigeres Gewinnwachstum aufweisen als etwa Technologiefirmen, waren tendenziell weniger betroffen, weil bei ihnen der Anteil weit in der Zukunft liegender Gewinne geringer ist. Daher schichteten Anleger in der Vergangenheit vielfach um, wenn sie steigende Zinsen infolge höherer Inflation erwarteten – aus Wachstums- in Value-Sektoren mit höheren Aktienrisikoprämien. Die große Sektor-Rotation begann.

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