Der letzte Tanz – wenn die Musik noch spielt …

Das Jahr 2020 war unter allen Gesichtspunkten einmalig und in gewissen Teilen beinahe verrückt. Die Märkte kollabierten innerhalb von vier Wochen und stiegen seit April zu neuen Höchstständen. Ein Großteil dieser Bewegung ist durch die Zentralbankpolitik und die Fiskalpakete der Regierungen zu erklären. Die positiven Impfstoff-Meldungen haben diese Entwicklung unterstützt. Allerdings haben sich die Kapitalmärkte von der Realwirtschaft in den vergangenen zwölf Monaten komplett entkoppelt und sind diversen Entwicklungen vorweggelaufen.
27. Januar 2021
David Wehner

Das Jahr 2020 war unter allen Gesichtspunkten einmalig und in gewissen Teilen beinahe verrückt. Die Märkte kollabierten innerhalb von vier Wochen und stiegen seit April zu neuen Höchstständen. Ein Großteil dieser Bewegung ist durch die Zentralbankpolitik und die Fiskalpakete der Regierungen zu erklären. Die positiven Impfstoff-Meldungen haben diese Entwicklung unterstützt. Allerdings haben sich die Kapitalmärkte von der Realwirtschaft in den vergangenen zwölf Monaten komplett entkoppelt und sind diversen Entwicklungen vorweggelaufen.

Höhepunkt erreicht?

Falls man sich die Frage stellt, ob das Jahr 2021 die Entwicklung des vorangegangenen Jahrs nochmal toppen könnte, dann hat die erste Januar-Woche schon mal eine Antwort präsentiert. Die Stürmung des Kongresses durch Trump-Anhänger wird einen Platz in den Geschichtsbüchern finden. An den Kapitalmärkten gilt das Credo: Das nächste Jahr ist immer das Schwierigste. Zugegebenermaßen sind die Rahmenbedingungen für das Jahr 2021 alles andere als einfach.

Im Aktienmarkt hält eine beängstigende Euphorie an. Joe Biden wurde jüngst als 46. US-Präsident vereidigt – bei einem Aktienmarkt, der 190% des US-amerikanischen Bruttoinlandsproduktes entspricht, ein historischer Rekordwert. Die Put/Call-Ratio hat den Tiefststand aus dem Jahr 2000 – während der Hochphase der Dotcom-Blase – erreicht und spiegelt die aggressive Spekulation von Investoren auf steigende Aktienkurse wieder. Besorgniserregend ist die Vervielfachung von Aktienkursen bei unprofitablen Technologie-Unternehmen, die vielleicht die Welt verändern könnten und der anmutende religiöse Kult um Tesla und Bitcoin.

Blase ist nicht gleich Blase 

Oftmals wird von einer Blase an den Aktienmärkten gesprochen. Diese These kann man nicht grundsätzlich unterschreiben, da keine Blase an den Kapitalmärkten der anderen gleicht und die Ausprägungen sich stark voneinander unterscheiden. Mit Blick auf das Kurs/Gewinn-Verhältnis sind die breiten Aktienmarktindizes noch weit von blasenartigen Entwicklungen entfernt. Die überproportionalen Kurs-Entwicklungen bei den großen Tech-Unternehmen wie Apple, Google, Amazon und Microsoft sind beeindruckend. Allerdings weisen diese Unternehmen seit Jahren stark steigende Gewinne aus – und sind weit entfernt von den blasenartigen Bewertungen Anfang der 2000er Jahre. Zugegebenermaßen hat die Covid-19 Pandemie zu einem Sondereffekt bei den genannten Unternehmen geführt, der sich wahrscheinlich nicht noch einmal in dieser Form wiederholen lässt.

Trotzdem liest und hört man immer wieder von der Sorge vor einer Blase an den Märkten – und sie ist zum Teil berechtigt. Die Märkte haben sich seit Ende der Finanzkrise im Gleichlauf nach oben entwickelt. Seitdem die Zentralbanken das Ruder in die Hand genommen haben, gibt es scheinbar kaum Risiken, keine Verlierer – sondern nur Gewinner in diversen Abstufungen. Mit Blick auf den langfristigen Chart des S&P 500 Index wirkt der Kurseinbruch von März 2020 wie ein kleiner Dip (kurzfristiger Einbruch).

Zudem haben die Renditen von Hochzins-Anleihen neue Tiefststände erreicht – und das während einer Rezession. Um Einzeltitel wie Tesla und Bitcoin ist ein regelrechter Kult entstanden. Tesla ist mittlerweile 1,6 Mio. US-Dollar je verkauftes Auto pro Jahr wert. General Motors gerade einmal 10.000 US-Dollar. Solange die Lockdown-Maßnahmen die Weltwirtschaft lähmen und die Zentralbanken die Märkte mit Geld fluten, wird diese Entwicklung weitergehen. Wie heißt es so schön: Solange die Musik spielt, muss man tanzen.

Neuer Rhythmus mit Zyklikern

Um bei dieser Metapher zu bleiben, auch wir wissen nicht, wie lange die Musik noch spielt. Allerdings haben wir diese Party im zweiten Halbjahr 2020 verlassen – und sind nun auf der After-Party mit den Verlierern der jüngst vergangenen Jahre: den Industrie‑, Chemie‑, und Automobiltiteln. Wir präferieren derzeit zyklische und defensive Value-Titel. Technologie-Titel spielen momentan eine untergeordnete Rolle. Obwohl wir weiterhin an ein erhöhtes Tempo bei der Digitalisierung glauben, scheint uns diese Entwicklung eingepreist. Wir sind der Auffassung, dass wir nicht direkt morgen in einer Welt leben werden, die ausschließlich durch digitale Produkte, Elektromobilität und erneuerbare Energie geprägt sein wird. Darüber hinaus gehen von wir von leicht steigenden Zinsen und einer positiven Performance bei Gold im Verlauf des Jahres 2021 aus.

Gastkommentar von David Wehner, Senior Portfoliomanager bei der Do Investment AG

Foto: David Wehner — © DO Investment AG

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