Der deutsche Private-Credit-Markt ist in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen, wobei die Regulatorik einer der Auslöser war. Im Mai 2015 – also vor fast auf den Tag genau zehn Jahren – verschickte die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin ein Rundschreiben, das deutschen Alternativen Investmentfonds (AIF) erstmals die direkte Darlehensvergabe an deutsche Unternehmen ermöglichte. Was zunächst wie eine technische Anpassung aussah, hat sich seitdem zu einem wichtigen Motor für Wachstum und Professionalisierung in diesem Segment entwickelt.
Private-Credit-Fonds gab es in Deutschland bereits zuvor, doch vor dieser Änderung konnten sie nur Kredite oder Kreditportfolios erwerben, die zuvor von Banken oder anderen Instituten ausgereicht worden waren. Der Schritt der BaFin kam zum richtigen Zeitpunkt: Die ersten Fondsstrukturen waren bereits aufgelegt worden, und die Anleger hatten begonnen, sich mit dem Produkt vertraut zu machen.
Die mittelstandsorientierte deutsche Wirtschaft war lange Zeit auf die Finanzierung durch Großbanken, Regionalbanken und Sparkassen angewiesen. Durch die direkte Kreditvergabe durch AIFs näherte sich Deutschland der europäischen Praxis an. Im Laufe der Zeit wurde dies zum Standard, nicht nur für deutsche AIFs, sondern auch für EU-AIFs, die in Deutschland vertrieben werden dürfen. Mit der AIFMD II, die nun weitere Klarstellungen enthält, entwickelt sich der Rahmen weiter.
Private Kredite werden zum Mainstream
Innerhalb eines Jahrzehnts haben Private-Credit-Fonds in ausgewählten Segmenten Marktanteile von bis zu 50 Prozent erreicht. Diese Entwicklung wurde sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite, also von Investoren wie Kreditnehmern, vorangetrieben. Ein wichtiger Grund: Durch die strengeren Kapitalanforderungen nach den Basel-Regeln sind Banken zurückhaltender geworden, Unternehmen mit höheren Risikogewichtungen zu finanzieren. In Verbindung mit langen Genehmigungszyklen und weniger Flexibilität bei der Strukturierung öffnete dies den Kreditfonds Tür und Tor – insbesondere in wachstumsstarken Branchen.
Maßgeschneidertes Kapital für den Mittelstand
Viele CFOs und CEOs im Mittelstand haben erkannt: Bankkredite bleiben zwar relevant, aber private Kreditfonds können maßgeschneiderte, zeitnahe Lösungen bieten. Diese Flexibilität umfasst Strukturen mit vor- und nachrangigen Tranchen, die von einem einzigen Manager bereitgestellt werden können – im Rahmen einer dedizierten oder integrierten Strategie. Wichtig ist, dass diese Fonds nicht einfach das Risiko absorbieren, das Banken vermeiden. Im Gegenteil: Die meisten Transaktionen beinhalten vorrangig besicherte Finanzierungen, und die internen Risikokontrollen sind streng. Die Manager werden durch konstante Renditen und nicht durch Volumen motiviert.
Für Wachstumsunternehmen – insbesondere in den Bereichen Technologie oder Software – bieten private Kreditfonds möglicherweise ein besseres Verständnis des Geschäftsmodells und des Cashflow-Profils als traditionelle Kreditgeber. In solchen Fällen schließen diese Fonds eine wichtige Finanzierungslücke.
Aus Anlegersicht liegt die Attraktivität von Private Credit in seinen Risiko-Rendite-Eigenschaften. Selbst in einem Umfeld mit höheren Zinsen liefert diese Anlageklasse weiterhin attraktive relative und absolute Renditen. Dank variabler Zinsstrukturen („Floating Rates“) können Anleger von Zinserhöhungen profitieren – nicht nur im Neugeschäft, sondern auch im Bestandsportfolio.
Private Credit als Diversifizierungsanker
Mit der Weiterentwicklung des Marktes wird Private Credit zunehmend nicht nur als Renditetreiber, sondern auch als stabilisierender Faktor in diversifizierten Portfolios angesehen. So ist Private Credit neben Infrastruktur und Buyout als wichtige Komponente einer robusten Portfoliostruktur hervorzuheben – dank der geringen Korrelation zu den öffentlichen Märkten und starken Performance in volatilen Zeiten. Insbesondere in einem Umfeld makroökonomischer Unsicherheit und regulatorischen Drucks gewinnen solche strukturellen Vorteile für institutionelle Anleger zunehmend an Bedeutung.
Vor allem variabel verzinste Strukturen bieten ein natürliches Hedging gegen Zinsbewegungen – einer der Hauptgründe, warum Private Credit in den vergangenen Jahren weiterhin eine Outperformance gegenüber traditionellen festverzinslichen Wertpapieren erzielt hat. Dabei verbessert Private Credit sowohl in retrospektiven als auch in zukunftsorientierten Allokationsmodellen die Portfolioeffizienz nachhaltig – insbesondere in Kombination mit Infrastruktur, die zusätzlichen Inflationsschutz und Stabilität bietet.
Darüber hinaus kann der strategische Einsatz von Multi-Manager-Strukturen innerhalb von Private Credit die Volatilität der Quartalsrenditen deutlich reduzieren und gleichzeitig den Zugang zu einem breiten und diversifizierten Spektrum an Anlagechancen gewährleisten. Aus regulatorischer Sicht unterstützt Private Credit auch eine effiziente Kapitalallokation im Rahmen von Vorschriften wie CRR III und ist damit nicht nur ein wertvolles Instrument zur Renditegenerierung, sondern auch zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Governance institutioneller Portfolios.
Deutsche Institutionen haben diese Anlageklasse entsprechend angenommen. In den vergangenen Jahren haben sie ihre Allokationen deutlich erhöht, da sie eine starke Performance und einen zuverlässigen Schutz vor Kursverlusten festgestellt haben – ein wichtiger Grund, warum Private Credit sehr gut als Portfolioergänzung geeignet ist.
Nächste Wachstumsphase: Diversifizierung und neue Zugangswege
Mit Blick auf die Zukunft wird der Markt für vorrangig besicherte Kredite weiter wachsen, wenn auch in einem gemäßigteren Tempo. Investoren erwägen weitere Allokationen, und die Palette der Anlagemöglichkeiten wird immer vielfältiger. Sekundärmarktinvestitionen und Co-Investments gewinnen an Bedeutung und bieten alternative Zugangswege.
In unserem eigenen Private-Equity-Portfolio werden fast alle Transaktionen durch Private-Credit-Fonds finanziert. Das ist ein klares Signal: Mittelständische Unternehmen sind gegenüber Nicht-Bank-Kreditgebern deutlich offener geworden. Für institutionelle Anleger ergibt sich daraus eine seltene Gelegenheit, Zugang zum Rückgrat der größten Volkswirtschaft Europas zu erhalten. Zu Beginn der nächsten Wachstumsphase wird die sorgfältige Integration von Diversifizierung und alternativen Zugangspunkten ausschlaggebend für robuste Portfoliostrategien sein.
Autor: Jakob Schramm, Partner & Head of Private Credit bei Golding Capital Partners
