“Den Klimawandel gemeinschaftlich abwenden”

In der Klimapolitik besteht enormer Handlungsbedarf. Darüber besteht Konsens. Doch die Umsetzung gestaltet sich mitunter schwierig. Auch die Finanzindustrie ist in der Pflicht. Was es zu tun gilt, inwiefern "integrierte Klimamodelle" in der Portfoliokonstruktion anwendbar sind, dazu nahmen Oliver Schmidt, Deputy Chief Investment Officer, und Jan Rabe, Leiter Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management GmbH, im exklusiven II-Interview Stellung.
15. September 2021
Oliver Schmidt (li.) u. Jan Rabe (re.) - Foto: © Metzler AM

In der Klimapolitik besteht enormer Handlungsbedarf. Darüber besteht Konsens. Doch die Umsetzung gestaltet sich mitunter schwierig. Auch die Finanzindustrie ist in der Pflicht. Was es zu tun gilt, inwiefern “integrierte Klimamodelle” in der Portfoliokonstruktion anwendbar sind, dazu nahmen Oliver Schmidt, Deputy Chief Investment Officer, und Jan Rabe, Leiter Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management GmbH, im exklusiven II-Interview Stellung.

INTELLIGENT INVESTORS: Der Weltklimarat IPCC hat jüngst seinen aktuellsten Bericht vorgelegt. Düster ist die Prognose. Wie fällt Ihr Fazit hierzu aus?
Jan Rabe: Es ist Zeit zu handeln. Auf Basis der Berechnungen des Weltklimarats kann die Erdatmosphäre Stand Anfang 2020 lediglich 400 weitere Gigatonnen CO2 aufnehmen, damit der durchschnittliche Temperaturanstieg auf 1,5° C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zwischen 1890 bis 1900 begrenzt bleibt. Genau dieses Ziel wurde im Pariser Klimaabkommen 2015 zwischen der EU und 194 weiteren Staaten ausgehandelt. Unter Annahme eines konstanten Verbrauchs von 42 Gigatonnen pro Jahr wäre dieses Budget in knapp acht Jahren aufgebraucht.[1] Dies steht in starkem Kontrast zu den Zielen der internationalen Politik, die mit ihren Maßnahmen aktuell auf ein Ziel von 2,7 bis 3,1° C zusteuert.[2] Diese Implementierungslücke gilt es zu schließen. Hierzu müssten bestehende Regulierungen allerdings drastisch verschärft und ausgeweitet werden, wenn das Erreichen der Klimaneutralität kein Luftschloss bleiben soll.

II: Und so ließe sich der Ausstoß von Treibhausgasen signifikant senken, richtig?
Oliver Schmidt: Der Haken hierbei ist: In der öffentlichen Diskussion wird davon ausgegangen, dass durch das Streben nach Klimaneutralität auch die weltweite, aggregierte Nachfrage nach fossilen Energieträgern sinkt und somit zu einer Verlangsamung des Klimawandels beiträgt. Ganz so einfach ist das jedoch nicht. Auf einem Markt für endliche, nichtreproduzierbare Güter wurde bislang das, was der eine weniger konsumierte, vom anderen zu einem niedrigeren Gleichgewichtspreis nachgefragt. Das war möglich, weil das Angebot an fossilen Energieträgern starr blieb – die geförderte Menge reagierte kaum auf Veränderungen der Marktpreise. Würde internationale Klimapolitik künftig stärker koordiniert werden, könnte sich das ändern. Unser Basisszenario ist auch, dass genau dies künftig der Fall sein wird. Entwickeln sich regulatorische Vorgaben jedoch nicht – wie angekündigt – stringent und auf globaler Ebene koordiniert, werden sich die Produzenten fossiler Energieträger wohl kaum mit niedrigeren Einnahmen zufriedengeben. Vor allem dann nicht, wenn sie befürchten müssen, dass ihre Güter künftig kaum noch nachgefragt werden. So besteht der Anreiz, die Fördermenge kurzfristig sogar noch zu steigern, was den Klimawandel weiter negativ beeinflussen könnte.

II: Wie kann dem Einhalt geboten werden?
Rabe: Solange internationale Klimapolitik unilateral betrieben wird und Instrumente zum Einsatz kommen, die den Produzenten fossiler Energieträger dazu anhalten, Fördermengen zu erhöhen statt zu senken, ist davon auszugehen, dass globale Treibhausgasemissionen langfristig weiter steigen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte laut Nobelpreisträger William D. Nordhaus ein Nachfragekartell mit einheitlichem CO2-Preis sein, also einem globalen Zertifikatehandel für CO2-Emissionen.[3] Hierfür müssten sich ausreichend viele Staaten – im besten Falle die Runde der G20 (verantwortlich für 75 % des weltweiten Handels und 80 % des globalen Bruttoinlandsprodukts) – zu einem „Klima-Club“ zusammenschließen und neben dem Streben nach Klimaneutralität den Handel mit Dritten ausschließen. Nur wer sich den Zielen des Clubs verschreibt, würde in den Handel eingebunden. Ergänzt werden könnte dies durch eine Quellensteuer auf die Erträge aus der Förderung fossiler Energieträger, um die Kapitalanlage der so erzielten Umsätze unattraktiv zu machen. Solange eine solche Initiative ausbleibt, muss davon ausgegangen werden, dass die Produktion fossiler Energieträger langfristig steigt und die Preise hierauf fallen werden.

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